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Text

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[Anlage]

Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz lebenswichtiger Betriebe.

Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:

Abschnitt I

§ 1

Mit Gefängnis oder mit Geldstrafe wird, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist, bestraft:

1.

wer zu einer Aussperrung oder Arbeitsniederlegung in einem lebenswichtigen Betrieb auffordert oder anreizt;

2.

wer eine Aussperrung in einem lebenswichtigen Betrieb vornimmt; dies gilt nicht, wenn die Aussperrung der Abwehr einer teilweisen, den Fortgang des Betriebes wesentlich behindernden Arbeitsniederlegung in dem betroffenen Unternehmen dient;

3.

wer sich an der Leitung einer Arbeitsniederlegung in einem lebenswichtigen Betrieb beteiligt oder die Arbeitsniederlegung durch Geldmittel oder auf andere Weise absichtlich unterstützt;

4.

wer als Betriebsfremder dazu auffordert oder anreizt, bei einer nach Nr. 2 unzulässigen Aussperrung oder in einer Arbeitsniederlegung in einem lebenswichtigen Betriebe zu verharren;

5.

wer in der Absicht, einen lebenswichtigen Betrieb zu stören, dazu auffordert oder anreizt, die Arbeit zu verschleppen oder zu verlangsamen.

[1011] § 2

(1) Wer einen lebenswichtigen Betrieb dadurch behindert oder stört, daß er Bestandteile oder Zubehör beschädigt, zerstört, beseitigt, verändert oder in der Absicht der Störung des Betriebs böswillig außer Tätigkeit setzt, wird mit Gefängnis bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

§ 3

Lebenswichtige Betriebe im Sinne dieser Verordnung sind Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen, dem öffentlichen Verkehr dienende Eisenbahnen, Straßenbahnen, Schwebebahnen, Kraftfahrlinien, Schiffahrt- und Luftfahrtunternehmen, Schiffs- und Flughäfen sowie das Post- und Fernmeldewesen des Reiches und die Einrichtungen der Wasserstraßenverwaltung. Die Reichsregierung wird ermächtigt, auch andere Betriebe für lebenswichtig zu erklären.

§ 4

(1) Wer in dem dringenden Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen § 1 oder § 2 steht, kann im Interesse der öffentlichen Sicherheit in polizeiliche Haft genommen werden.

(2) Die polizeiliche Haft ist aufzuheben, wenn und solange gegen den Verhafteten die gerichtliche Untersuchungshaft verhängt ist oder wenn drei Monate seit der Inhaftnahme vergangen sind.

(3) Gegen die Anordnung der polizeilichen Haft ist die Beschwerde im Dienstaufsichtswege zulässig.

(4) Bestreitet der Verhaftete die Begehung der ihm zur Last gelegten Tat, so hat auf seinen Antrag über die Frage, ob dringender Tatverdacht vorliegt, der Amtsrichter des Bezirks zu entscheiden, in dem die Haft vollstreckt wird. Verneint der Amtsrichter einen dringenden Tatverdacht, so ist die polizeiliche Haft aufzuheben. Das gleiche gilt, wenn eine einen dringenden Tatverdacht verneinende gerichtliche Entscheidung in dem Strafverfahren ergeht, das wegen der Tat eingeleitet worden ist. Bejaht der Amtsrichter den dringenden Tatverdacht, so kann der Verhaftete eine neue Entscheidung des Amtsrichters nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel beantragen.

§ 5

Wird ein lebenswichtiger Betrieb durch Aussperrung oder Arbeitsniederlegung ganz oder teilweise stillgelegt, so sind die Reichsregierung oder die von ihr bestimmten Stellen berechtigt, Notstandsarbeiten und Notstandsversorgung zu sichern sowie alle Verwaltungsmaßnahmen zu treffen, die zur Versorgung der Bevölkerung oder zur Weiterführung des Betriebs geeignet sind. Hierzu gehört auch die Herbeiführung der Befriedigung berechtigter Ansprüche der Arbeitnehmer. Die durch eine derartige Anordnung im Betrieb entstehenden Kosten fallen dem Betriebsunternehmer zur Last.

[1012] § 6

(1) Wer in einem lebenswichtigen Betriebe, in dem eine Arbeitsniederlegung stattgefunden hat, die Arbeit weiterführt oder Notstandsarbeiten oder Arbeiten zur Sicherung der Notstandsversorgung leistet, darf deswegen wirtschaftlich nicht benachteiligt werden.

(2) Wer zu einer solchen Benachteiligung auffordert oder anreizt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft.

Abschnitt II

§ 7

Die Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Oktober 1923 (Reichsgesetzbl. I S. 1043) ist in folgender Fassung anzuwenden:

1. Hinter dem § 5 wird folgender § 5 a eingefügt:

„§ 5 a

Hat über eine Streitigkeit in einem lebenswichtigen Betrieb (§ 3 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz lebenswichtiger Betriebe vom … 1932, Reichsgesetzbl. I, S. …) ein Schlichtungsverfahren stattgefunden, das weder zu einer Einigung noch zu einem bindenden Schiedsspruch geführt hat, so kann der Schlichter ein neues Schlichtungsverfahren einleiten und dabei zur Bildung der Schlichtungskammer außer den Beisitzern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zwei unparteiische Beisitzer berufen. Ist bei der Verhandlung oder bei der Abstimmung der Schlichtungskammer die Mitwirkung sämtlicher Beisitzer der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder eine Stimmenmehrheit nach der Feststellung des Vorsitzenden nicht zu erzielen, so haben der Schlichter und die beiden unparteiischen Beisitzer den Schiedsspruch mit Stimmenmehrheit abzugeben.“

2. Im § 6 erhält Abs. 1 folgende Fassung:

„Wird der Schiedsspruch nicht von beiden Parteien angenommen, so kann er für verbindlich erklärt werden, wenn die in ihm getroffene Regelung bei gerechter Abwägung der Interessen beider Teile der Billigkeit entspricht und entweder ihre Durchführung aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen erforderlich ist oder es sich um einen lebenswichtigen Betrieb (§ 3 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz lebenswichtiger Betriebe vom … 1932, Reichsgesetzbl. I, S. …) handelt.“

Abschnitt III

§ 8

§ 2 Nr. 6 der Verordnung über die Bildung von Sondergerichten vom 9. August 1932 (Reichsgesetzbl. I, S. 404)5 erhält folgende Fassung:

5

In § 2 der VO über die Bildung von Sondergerichten sind in Nr. 1–11 die verschiedenen Zuständigkeiten der Sondergerichte aufgeführt.

„6.

für die Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz lebenswichtiger Betriebe vom … 1932 (Reichsgesetzbl. I, S. …)“.

[…]

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