2.152.1 (wir1p): [Reparationen]

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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[Reparationen]

Der Reichskanzler berichtet über den Gang der Verhandlungen mit der Reparationskommission und der Industrie1. Es sei beabsichtigt, eine Kommission nach London zu schicken, die dort über die Möglichkeit einer Anleihe verhandeln solle. Die Kommission würde aus Mitgliedern der Regierung, der Industrie und der Banken bestehen, unter Führung der Regierung2.

1

Zu den Verhandlungen mit der Industrie siehe Dok. Nr. 133 Anm. 1 und Dok. Nr. 135 Anm. 2.

2

In einer Besprechung vom 3.12.1921 gibt Wirth die Gründung einer Kommission mit der Aufgabe, die Aufnahme auswärtiger Anleihen zwecks Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Londoner Zahlungsplan zu beraten und gegebenenfalls mit auswärtigen Kreditgebern Verhandlungen hierüber zu führen (weiteres siehe Dok. Nr. 161), bekannt. Unabhängig davon unterstützte Rathenau bei einem privaten (?) Besuch in England diesbezügliche Sondierungen über die deutsche Botschaft durch seine Besprechungen mit Vertretern der englischen Regierung und der Bank von England vom 29. 11.–23.12.1921 (siehe Rathenau, Tagebuch, S. 262 ff.).

Der amerikanische Geschäftsträger habe ihm heute mitgeteilt, die Reparationskommission habe die Auffassung gewonnen, daß wir in der Kreditangelegenheit nichts Entscheidendes tun wollten. Dresel habe daher empfohlen, der Reparationskommission nochmals zu schreiben. Er, der Reichskanzler, beabsichtige aber nicht, dies zu tun. Zunächst müsse der Erfolg der Londoner Verhandlungen abgewartet werden. Dresel habe ferner mitgeteilt, daß ein Zugriff auf das Gold der Reichsbank zu befürchten sei, dem wir dadurch zuvorkommen sollten, daß wir uns ohne Anregung zur Verpfändung des Reichsbankgoldes bereit erklären sollten.

Er, der Reichskanzler, halte es nicht für opportun, zur Zeit eine Entscheidung darüber zu treffen, ob man mit Kampfmitteln gegen die Industrie vorgehen solle. Er bäte beide Regierungsparteien, sich vorläufig im Steuerausschuß Zurückhaltung aufzuerlegen. Eine Verschärfung der Polemik könne augenblicklich großen Schaden stiften3.

3

Am 4.11.1921 waren die Steuervorlagen (siehe Dok. Nr. 82 Anm. 1) in den RT eingebracht worden, und am 7. und 8. 11. hatte die erste Lesung stattgefunden; danach wurden die Entwürfe drei Steuerausschüssen zur Beratung überwiesen (RT Bd. 351, S. 4925  B).

Abg. Müller-Franken teilt die Auffassung des Reichskanzlers über das Verhalten der Industrie. Seine Partei habe sich in dieser Frage sehr zurückhaltend gezeigt, könne aber diese Haltung nicht mehr lange beibehalten.

[415] Die Politik des Kanzlers berge in sich eine Gefahr für den Allgemeinen Gewerkschaftsbund und die Afa. Deshalb müsse diesen beiden Verbänden gesagt werden, aus welchen Gründen der Kanzler zur Zeit noch eine hinhaltende Politik betreibe. Den Verbänden müsse ferner gesagt werden, daß die Entente auf Verbrauchssteuern bestehe4.

4

Zur Erörterung der Finanzpolitik mit den Gewerkschaften siehe Dok. Nr. 152.

Auf Fragen des Abg. Müller-Franken teilte Staatssekretär Schroeder mit, daß das Garantiekomitee mit dem Steuerproblem der Regierung einverstanden gewesen sei, nur bezüglich der Kohlensteuer hätte eine Verschiedenheit in der Auffassung bestanden. Was die Auslandsguthaben der Industrie und des Handels anlange, so habe die Reparationskommission geschwiegen, als sie darauf hingewiesen wurde, daß wir bereits das Bankgeheimnis aufgehoben hätten, und daß die Auslandsguthaben nur durch entsprechende Maßnahmen der alliierten und neutralen Mächte erfaßt werden könnten.

(Die Abgeordneten verlassen die Sitzung).

Der Reichskanzler betont die Notwendigkeit, die Kommission für Verhandlungen über die Kredite alsbald zu bilden5.

5

Siehe Anm. 2.

Staatssekretär Schroeder: In Frage kämen die Deutsche Bank, die Disconto-Gesellschaft, die Firma Warburg und Louis Hagen.

Staatssekretär von Simson: Geheimrat Bücher habe ihm gesagt, daß die Industrie es für besser halte, zwei getrennte Kommissionen zu bilden.

Der Reichskanzler erklärt dies für völlig unmöglich. Die Industrie solle ihre Vertreter benennen, dazu würden Vertreter der drei Ministerien und Exzellenz Havenstein treten. Die Federführung müsse beim Reichsfinanzministerium bleiben.

Staatssekretär Schroeder: Seines Erachtens müßten Reich und Industrie die Banken beauftragen, die Verhandlungen zu führen.

Der Reichskanzler Zunächst müsse hier eine Kommission gebildet werden, aus der sich dann die Kommission für London ergeben würde.

Im Anschluß an diese Besprechung entwickelte sich eine Diskussion über die derzeitigen Ernährungs- und Teuerungsverhältnisse, die dann aber mit Rücksicht auf die am 22. November d. Js. stattfindende Sitzung über die gleichen Fragen abgebrochen wurde6.

6

Siehe Dok. Nr. 153.

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