2.27.1 (feh1p): [Vorfall an der französischen Botschaft in Berlin]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

   Das Kabinett Fehrenbach  Konstantin Fehrenbach Bild 183-R18733Paul Tirard und General Guillaumat Bild 102-01626AOppeln 1921 Bild 146-1985-010-10Bild 119-2303-0019

Extras:

 

Text

RTF

[Vorfall an der französischen Botschaft in Berlin]1

1

Am 14. 7., dem frz. Nationalfeiertag, war im Verlauf einer Demonstration vor der frz. Botschaft die frz. Flagge von einem Mann vom Dach des Botschaftsgebäudes heruntergeholt worden. Die Franzosen hatten daraufhin verlangt, daß bei der Wiederhissung der Flagge eine Kompanie der Reichswehr die Ehrenbezeugung leisten sollte. Dies war am 16. 7. geschehen. Bei dem Abmarsch von der frz. Botschaft hatte die Kompanie dann das „Deutschlandlied“ gesungen. Zu den Einzelheiten des Zwischenfalls s. Schultheß 1920, I, S. 194 und 210.

Staatssekretär v. Haniel teilte mit, daß der französische Botschaftsvertreter für die Genugtuung sich bedankt habe, aber sich beschwert gefühlt habe, daß im Anschluß an die Ehrenbezeugung eine demonstrative Kundgebung seitens der Soldaten gegen Frankreich stattgefunden hätte. Er habe behauptet, daß der Offizier die Leute zum Singen aufgefordert habe. In der Note, die er überreicht, wird Bestrafung dieses Offiziers sowie die Entschuldigung durch den Obersten und eine Abordnung von Offizieren des Regiments gefordert2.

2

Am 16. 7. hatte der frz. Botschaftsvertreter De Marcilly eine Note an StS v. Haniel gerichtet, in der er die vorstehenden Forderungen gestellt hatte. Wenn StS v. Haniel allerdings in der Kabinettssitzung als Text der Note mitteilte, De Marcilly „habe behauptet, daß der Offizier die Leute zum Singen aufgefordert habe“, so entsprach das nicht dem wahren Wortlaut der Note. Die entsprechende Stelle der Note lautete: „Le chef du détachement militaire a, en effet, permis à sa troupe, avant qu’elle eut achevé de défiler devant l’Ambassade, de chanter le ‚Deutschland über alles‘.“ Die Note fuhr dann fort: „J’estime qu’en agissant ainsi l’officier en question a commis une grave incorrection, et j’ai l’honneur de demander qu’il soit sévèrement puni. Je dois également demander que des excuses me soient officiellement exprimées par le Colonel et une députation d’officiers du Régiment.“ (Frz. Note v. 16.7.1920, Abschrift, R 43 I /63 , Bl. 96).

General v. Seeckt schildert den Vorgang und teilt mit, daß die Zeremonie beendet gewesen sei und daß während des Abmarsches Leute zu singen angefangen hätten. Der Offizier habe das Singen nicht befohlen3. Von einer Entschuldigung könne keine Rede sein. Er würde hierzu nie seine Hand bieten. Im übrigen schildert er die Schwierigkeiten und die Angriffe sowohl seitens des Publikums als auch seitens der Kameraden gegen die Kompanie, die in höchstem Pflichtgefühl den schweren Dienst übernommen habe. Er habe daher sich veranlaßt gesehen, der ganzen Reichswehr unter Schilderung der Verhältnisse den der Kompanie ausgesprochenen Dank mitzuteilen4. Nach eingehender[71] Erörterung der Angelegenheit, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, daß die Zeremonie beendet gewesen sei und daß Soldaten der Kompanie spontan „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen hätten, nicht etwa die „Wacht am Rhein“, wurde beschlossen, die Rückkehr des Außenministers abzuwarten und diesem die weiteren Schritte zu überlassen5.

3

v. Seeckt war daher durchaus im Recht, wenn er bemerkte, daß der Offizier das Singen nicht befohlen habe.

4

Bereits am 16. 7. hatte v. Seeckt ein Schreiben an die Kompanie gerichtet, die die Ehrenbezeugung vor der frz. Botschaft erwiesen hatte. In diesem Schreiben hieß es: „Der Kompanie spreche ich für ihr vorzügliches Verhalten am heutigen schweren Tag meinen Dank und meine Anerkennung aus. Als gehorsame Soldaten und als deutsche Männer haben alle Kameraden der Kompanie ihre harte Pflicht getan und gezeigt, daß das Reich sich zu jeder Stunde auf seine Reichswehr verlassen kann. So ist der heutige Tag kein Tag der Demütigung geworden, sondern ein Tag, an dem ein jeder in berechtigtem Selbstgefühl zu sich sagt: ‚Ich habe meine Pflicht als Soldat getan. Deutschland über alles‘.“ (Rabenau, Seeckt 1918–1936, S. 249).

5

RAM Simons ging am 26. 7. noch einmal auf den Zwischenfall vor der frz. Botschaft in Berlin und die Ehrenbezeugung der Reichswehrkompanie ein: s. RT-Bd. 344, S. 258 –259.

Extras (Fußzeile):