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4. Stellung des Sparkommissars. [Einsetzung einer Verwaltungsabbaukommission].
Der Reichsminister der Finanzen teilte mit, daß zur Ermöglichung von Ersparnissen zwei Wege bisher beschritten seien: 1. der Weg der Einzeluntersuchung bei den einzelnen Verwaltungszweigen, 2. der Weg, daß das Reichsfinanzministerium eine Liste derjenigen Aufgaben und Verwaltungszweige, die einschränkungs- oder abbauwürdig seien, aufstelle und den Ressorts mit dem Ersuchen um Stellungnahme zuleite.
Der erste Weg habe zu nicht unerheblichen Ersparnissen geführt. Bei dem zweiten Weg handle es sich jetzt darum, wie weiter verfahren werden solle. Nicht möglich sei es für das Kabinett, über die einzelnen Punkte in Einzelverhandlungen einzutreten. Er schlage daher vor, ein Dreimänner-Kollegium, bestehend aus dem Reichssparkommissar, einem Vertreter des Reichsfinanzministers und einem Vertreter des Reichsministers des Innern zu ernennen, dem das Kabinett seine Rechte zur Einstellung von Aufgaben, zum Abbau von Behörden übertrage.26 Dieses Kollegium solle nicht ganz unabhängig arbeiten,[24] sondern nach Instruktion der Minister. Die Beschlüsse dagegen sollten nicht dem Kabinett zur Nachprüfung unterbreitet werden. Dagegen stehe es dem Kabinett frei, den gesamten Auftrag zu widerrufen, falls das Kollegium nach Meinung des Kabinetts seiner Aufgabe nicht nachkomme.
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In seinem Kabinettsantrag vom 27. 11. führt der RFM aus: „Die seit Stillegung der Notenpresse mit der Einführung der Rentenmark verbundene, in bedrohlichem Ausmaße zunehmende Schwierigkeit für die Reichsfinanzverwaltung, die für den Bedarf des Reichs erforderlichen Mittel bereitzustellen, zwingt dazu, in beschleunigtem Maße für Einschränkung der Ausgaben zu sorgen, da trotz aller Bemühungen eine Steigerung der Einnahmen nicht zu erreichen ist. Die Ausgabebeschränkungen müssen vor allem auf dem Gebiete der Verwaltung liegen. Die durch die Personalabbau-VO [vom 27.10.23; RGBl. I, S. 999] geschaffenen Möglichkeiten können jedoch nicht ausgeschöpft werden, solange nicht Vorsorge getroffen wird, daß sowohl der Aufgabenkreis als auch der Behördenapparat als solcher verringert werden. Der mit der Personalabbau-VO begonnene mehr schematische Weg mündet zwangsläufig in diesen organischen Abbau der Aufgaben und Behörden. Zu diesem Zwecke halte ich es für nötig, mit größter Beschleunigung eine mit besonderen Befugnissen ausgestattete Stelle zu schaffen, die auf diesem Gebiete Entschlüsse zu fassen und in die Tat umzusetzen hat. Ich würde es für gut befinden, daß das RKab. einer solchen Stelle seine Befugnisse überträgt und ihr die endgültige und maßgebliche Entscheidung überläßt.“ Diese Stelle bzw. Kommission solle bestehen aus dem RSparkom. als Vorsitzenden und je einem Vertreter des RIM und des RFM. Die beiden letzteren würden mit bindenden Weisungen zu versehen sein und in Zweifelsfragen die Entscheidung der Minister herbeizuführen haben. – Diesem Antrag fügt der RFM den „Entwurf eines Kabinettsbeschlusses“ betr. Einsetzung einer Verwaltungsabbaukommission bei, der weitgehend übereinstimmt mit dem als Dok. Nr. 56 abgedruckten Kabinettsbeschluß; dem vorliegenden Entwurf fehlt jedoch Ziffer 6 in Dok. Nr. 56.
Der Reichspostminister billigte den Vorschlag. Er erklärte sich dagegen nicht damit einverstanden, daß das Kollegium von sich aus endgültig entscheiden solle. Diese Kompetenz scheine ihm zu weitgehend. Die endgültige Entscheidung müsse dem Kabinett vorbehalten bleiben. Frage sei, ob diesem Kollegium auch die Durchführung des Personalabbaus zu übertragen sei.
Ministerialdirektor v. Schlieben erklärte, daß die Verhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen seien, daß aber, falls eine Kommission damit beauftragt werden sollte, diese wohl auch dem Reichssparkommissar unterstellt werden müßte.
Der Reichsarbeitsminister hielt den Vorschlag für eine unentbehrliche Ergänzung zum Beamtenabbaugesetz27 und erklärte sich grundsätzlich damit einverstanden. Er bitte jedoch dringend, bei dem Vorgehen nicht schematisch zu verfahren. Auch fürchte er, daß durch einen zu starken Abbau im Reich im Vergleich zu den Ländern Nachteile für das Reich entstehen könnten. Hinsichtlich der Zusammensetzung scheine ihm der Kreis des Kollegiums etwas zu eng. Auch habe er Bedenken wegen der weitgehenden Kompetenzen, die diesem Kollegium übertragen werden sollen. Er schlage vor, ein Fünf-Männer-Kollegium zu bilden und vorzusehen, daß bei geringerem Stimmenverhältnis als 4 : 1 die Angelegenheiten vor das Kabinett zu bringen seien.
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Gemeint ist die „VO zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (Personal-Abbau-VO)“ vom 27.10.23 (RGBl. I, S. 999), im folgenden als „Personalabbau-VO“ zitiert.
Der Reichssparkommissar führte aus, daß es sich bei seinen Vorlagen um zwei Dinge handele: 1. um Richtlinien für seine Tätigkeit und 2. um die Einsetzung eines Dreimänner-Kollegiums. Bei den Richtlinien handle es sich im wesentlichen um eine neue Festlegung der Grundsätze seiner bisherigen Tätigkeit mit zwei Erweiterungen, die dahin gingen, daß er a) die Möglichkeit erhalte, auch mit den Länderregierungen in Verbindung zu treten und b) sich für die Durchführung der Richtlinien in der Provinz daselbst einen Unterbau zu schaffen. Er bitte, beide Vorlagen in der vorgelegten Fassung anzunehmen28.
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In einem Schreiben an den RK vom 1. 12. hatte Saemisch mitgeteilt, daß er sein Amt als RSparkom. fortzuführen bereit sei, wenn die RReg. 1.) die vom RFM vorgeschlagene Einsetzung einer Verwaltungsabbaukommission (s. Anm. 26) beschließe, und wenn sie 2.) seinen Antrag auf Erweiterung der Vollmachten des RSparkom. in der anliegenden Form annehme. Beigefügt sind der „Entwurf eines Kabinettsbeschlusses“ sowie ergänzende „Richtlinien“ (R 43 I/1949, Bl. 57, 59-61). Der „Kabinettsbeschluß“, der von der RReg. in der obigen Sitzung auch gebilligt wird, überträgt Saemisch erneut die Aufgaben und Befugnisse eines RSparkom., wie sie bereits durch Beschluß des Kabinetts Cuno vom 23.11.22 festgelegt worden waren (diese Edition, Kabinett Cuno, Dok. Nr. 4). Neu aufgenommen ist die Bestimmung, daß der RSparkom. zur Erfüllung seines Auftrages im Reich „auch mit den Landesregierungen in unmittelbare Verbindung treten [kann], um sich über Einrichtungen und Tätigkeit von Landesbehörden zu unterrichten“. Die RReg. ist verpflichtet, den RSparKom. bzw. seinen Vertreter „an allen Kabinettssitzungen mit beratender Stimme und dem Recht der Antragstellung in allen organisatorischen, finanziellen und sonstigen mit seiner Aufgabe in Verbindung stehenden Angelegenheiten zu beteiligen“. Auch die ergänzenden „Richtlinien“ geben dem RSparkom. – im Vergleich zu den entsprechenden Richtlinien des Kabinetts Cuno (Kabinett Cuno, Dok. Nr. 4, Anm. 2) – erweiterte Wirkungsmöglichkeiten und Vollmachten. Hervorzuheben ist Ziff. 2 der Richtlinien: „Die RReg. ermächtigt den RFM, die Präsidenten der Landesfinanzämter dahin anzuweisen, daß sie als Beauftragte des Sparkom. […] tätig werden. Hierbei können die Präsidenten sich geeigneter Hilfskräfte bedienen, die im Benehmen mit ihnen vom Sparkom. bestellt werden.“
[25] Staatssekretär Zweigert erhob gegen die Vorlagen grundsätzlich keine Bedenken, wies jedoch 1. darauf hin, daß bei der Art der Persönlichkeiten, die für das Dreimänner-Kollegium in Aussicht genommen seien und der Tatsache, daß sie an Instruktionen ihrer Minister gebunden sein sollten, gewisse Schwierigkeiten entstehen könnten, und 2., daß es verfassungsrechtlich bedenklich sei, eine Kommission einzusetzen, die über Meinungsverschiedenheiten der Minister entscheide. Seiner Meinung nach könne es sich nicht um eine generelle Delegation der Befugnisse des Reichsministeriums handeln, sondern nur um eine freiwillige Beschränkung der Befugnisse der einzelnen Mitglieder des Kabinetts gegenüber der Kommission.
Der Reichswirtschaftsminister glaubte ebenfalls, daß sich das Kabinett der letzten Verantwortung nicht entziehen könne. Was den Abbau der Länder und Gemeinden anlange, so scheine ihm der richtige Weg der zu sein, einmal die Reichszuschüsse zu kürzen und zum andern den Ländern und Gemeinden wiederum eine gewisse Selbständigkeit in ihrer Finanzgebarung zu verleihen.
Der Reichsverkehrsminister erklärte sich mit den Vorschlägen einverstanden, hielt aber eine Begrenzung in dem Sinne für notwendig, daß Unterschiede gemacht werden müßten zwischen Betrieb und Verwaltung. Einen Eingriff in den Betrieb, z. B. den Eisenbahnbetrieb, halte er für unmöglich, wohl aber einen solchen in die Verwaltung. Für erforderlich halte er vor allem eine Einschränkung der gesetzlichen Tätigkeit; auch der Reichstag müsse sich beschränken. Bezüglich der Länder und Gemeinden teile er den Standpunkt des Reichswirtschaftsministers. Die endgültige Entscheidung bei Differenzen zwischen dem Dreimänner-Kollegium und den betroffenen Ressortchefs müsse im Kabinett herbeigeführt werden.
Der Reichsminister der Finanzen schlug auf Grund der Äußerungen vor, es bei der vorgeschlagenen Kommission zu belassen und die Frage der Instruktion einer erneuten Prüfung in Verbindung mit der Wahl der Persönlichkeiten vorzubehalten. Diese Kommission solle verpflichtet sein, die Ressorts, die von ihren Maßnahmen betroffen würden, zu hören. Gegenüber den Beschlüssen der Kommission habe jeder Minister ein Einspruchsrecht. Im Falle eines solchen Einspruchs habe die Kommission nochmals zu entscheiden, und zwar unter Beteiligung des betroffenen Ministers. Gegenüber der zweiten Entscheidung solle eine Berufung an das Kabinett möglich sein.
[26] Der Reichsverkehrsminister stellte fest, daß das Kabinett mit den Vorschlägen des Reichsministers der Finanzen unter Berücksichtigung der zuletzt erwähnten Änderungen und mit den vom Reichssparkommissar vorgelegten Richtlinien einverstanden sei29.