2.181.1 (bru1p): Tarifsenkung bei der Reichsbahn.

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Tarifsenkung bei der Reichsbahn.

Der Reichsverkehrsminister gab zunächst ein Bild der Finanzlage der Reichsbahn-Gesellschaft, die er als sehr angespannt schilderte1. Eine generelle Senkung der Tarife werde daher nicht möglich sein. Dagegen sei eine gewisse Senkung einzelner Tarifpositionen im Zusammenhang mit der Aktion der Reichsregierung für eine allgemeine Preissenkung unbedingt erforderlich. Sie dürfe allerdings nicht zu einer weiteren Drosselung der Ausgaben für Materialbeschaffung und -erhaltung führen.

1

Vgl. Dok. Nr. 173, P. 4.

Der Reichsverkehrsminister schlug folgende Tarifsenkung vor:

5% bei den sozialen Personentarifen

(Arbeiter-Zeitkarten pp.)

=

6

Millionen

Tarifsenkung für Exportkohle

(bereits beschlossen)

=

10

Millionen

Senkung der Nottarife für Lebensmittel um 10%

=

5

Millionen

10%ige Senkung der Tarife für Seefische

=

1

Million

10%ige Senkung der Tarife für Butter und Fette

für menschliche Ernährung

=

0,5

Millionen

10%ige Senkung der Tarife für Fleisch und Fleischwaren

=

0,3

Millionen

[660] Senkung der Tarife für Kartoffeln in Wagenladungen

=

1,6

Millionen

(Senkung der Tarife für Kartoffeln als Stückgut sei schon durchgeführt, aber nur als Geste zu bewerten)

Senkung der Tarife für Eier

=

0,2

Millionen und

Senkung der Tarife für lebende Tiere

=

4

Millionen

Die Gesamtsumme dieser Tarifsenkungen betrage 35,6 Millionen Reichsmark, könne also von der Reichsbahn unschwer getragen werden.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers befürwortete den Vorschlag des Reichsverkehrsministers dringend und wies auf das besondere Interesse des Reichskanzlers an der Tarifsenkung hin.

Generaldirektor Dorpmüller erklärte die Vorschläge des Reichsverkehrsministers für undurchführbar. Die Tarifsenkungen würden sich auf die Preise beim Verbraucher nicht auswirken. Sie betrügen für das Pfund Ware den Bruchteil eines Pfennigs, andererseits belasteten sie die Reichsbahn, deren Finanzlage ohnehin schon äußerst ungünstig sei. Jede Million weiteren Ausfalls bedeute 330 Arbeitslose. Es würden also 10 000 Menschen durch diese Tarifsenkungen bedroht. Dazu komme, daß die Reichsbahn im kommenden Frühjahr unbedingt noch 15 000 Arbeiter und 25 000 Beamte entlassen müsse. Die psychologische Wirkung dieser Tarifsenkung werde nur kurz sein, da es sich bald herausstellen werde, daß sie nur Bluff sei.

Dem widersprach der Stellvertreter des Reichskanzlers lebhaft. Wenn alle beteiligten Stellen so rechnen würden wie Generaldirektor Dorpmüller, würde eine Preissenkung überhaupt nicht zustande kommen. Sie könne nur durch die Addierung zahlreicher Einzelmaßnahmen erzielt werden.

Auch der Reichsbankpräsident befürwortete auf das dringendste den Vorschlag des Reichsverkehrsministers. Die 35,6 Millionen Reichsmark, um die die Tarife gesenkt werden sollten, würden der deutschen Wirtschaft jedenfalls zugute kommen, selbst wenn sie nicht den Verbraucher erreichten. Die deutsche Wirtschaft müsse jetzt als erste von der in Gang befindlichen Goldaufwertung Nutzen ziehen. Nur dann könne sie ihre Stellung in der Weltwirtschaft verbessern. Alle deutschen Wirtschaftskreise einschließlich der Reichsbahn müßten daher der Reichsregierung bei ihrem jetzigen Bestreben folgen, sonst würde eine noch weit größere Verschlechterung der Finanzlage der Reichsbahn eintreten, als diese jetzt annehme.

Generaldirektor Dorpmüller bemerkte hierzu, daß die Reichsbahn mit einer Senkung der von ihr geplanten Aufträge im Jahre 1931 von 1,5 auf 1,27 Milliarden Reichsmark rechne.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bat, lieber nur gewisse Tarife für Lebensmittel, diese dann aber um 20% zu senken. Er denke hierbei insbesondere an Getreide, Mehl, Fleisch und lebendes Vieh. Indirekt würde der Landwirtschaft auch Tarifsenkung für Düngemittel und Stabeisen helfen.

Generaldirektor Dorpmüller erklärte, daß er zu einer Tarifsenkung in Höhe von 35,6 Millionen Reichsmark nicht die Ermächtigung des Verwaltungsrats habe.

[661] Der Reichsverkehrsminister bemerkte hieran, daß auch er an eine neue Zusammenberufung des Verwaltungsrats der Reichsbahn gedacht habe.

Da eine Einigung nicht zu erzielen war, wurde beschlossen, in möglichst kurzer Frist zunächst die Entscheidung der Reichsregierung herbeizuführen und dann sogleich neue Verhandlungen mit der Reichsbahn-Gesellschaft zu führen. Inzwischen wurde eine Aussprache zwischen dem Reichsverkehrsminister und Generaldirektor Dorpmüller für den nächsten Vormittag vorgesehen2.

2

In der Besprechung vom 29.11.30 erzielten der RVM und Dorpmüller eine Einigung über die Senkung folgender Tarife:

(Vermerk des ORegR Planck vom 5.12.30, R 43 I /1070 , Bl. 135).

Die Besprechung wurde hierauf geschlossen.

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