2.104.1 (str1p): Politische Lage.

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Die Kabinette Stresemann I und II. Band 1Gustav Stresemann und Werner Freiherr von Rheinhaben Bild 102-00171Bild 146-1972-062-11Reichsexekution gegen Sachsen. Bild 102-00189Odeonsplatz in München am 9.11.1923 Bild 119-1426

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Politische Lage.

Der Reichskanzler Die Erklärungen der Fraktion [!] lägen nunmehr vor1. Neben den Beschlüssen der Deutschen Volkspartei in gewissen Personenfragen2 seien diejenigen der Sozialdemokratischen Partei entscheidend:

1

Nach der zweiten Parteiführerbesprechung am 2.10.23 (Dok. Nr. 100) waren die Koalitionsfraktionen wieder zu getrennten Besprechungen zusammengetreten und hatten die Lage beraten. Dabei war die SPD-Fraktion zum Ergebnis gelangt, die Gegensätze seien unüberbrückbar (DAZ, Nr. 455 vom 3.10.23; vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 100). Nach der Kabinettssitzung vom 2.10.23 (Dok. Nr. 102) berichteten die sozialdemokratischen Minister das Ergebnis der Fraktion, die bis zum Mittag des 3. 10. zu einem Entschluß gelangen wollte (DAZ, Nr. 456 vom 3.10.23).

2

Vgl. Anm. 17 zu Dok. Nr. 99; s. a. die Ausführungen Stresemanns auf die diesbez. Frage Sollmanns in Dok. Nr. 105. In der DAZ, Nr. 457 vom 4.10.23, wurde mitgeteilt: „Die Deutsche Volkspartei, die Mittwochmittag ihre Beratungen abschloß, begnügte sich damit, die Beschlüsse der nächtlichen Kabinettssitzung über die Regelung der Arbeitszeit zu billigen und von neuem aus sachlichen Gründen die Neubesetzung des Finanzministerpostens zu fordern.“

1. Das Ermächtigungsgesetz solle sich nicht auf sozialpolitische Dinge erstrecken, diese sollten vielmehr auf parlamentarischem Wege geregelt werden.

Hierzu hätten das Zentrum und die Deutsche Volkspartei sich ablehnend geäußert.

2. Die Formulierung über die Arbeitszeit sei nicht annehmbar, dagegen sei die der Note vom 14. November tragbar.

Von der größten Bedeutung sei seines Erachtens der Beschluß der Sozialdemokratie über die sozialpolitischen Fragen. Der Abgeordnete Müller-Franken, wie er, der Kanzler, sähen zur Zeit hier keinen Ausweg mehr3.

3

Über die Entwicklung der Fraktionsberatungen der SPD teilte „Die Zeit“, Nr. 229 vom 4.10.23, mit: „Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion kam im Laufe des Vormittags nicht zu einem klaren Ergebnis. Da, wie verlautet, keine Abstimmung stattfand, so läßt sich die Haltung der Fraktion nicht mit voller Bestimmtheit beurteilen. Wie man annimmt, liegen die Dinge so, daß ein Teil der Fraktion auch die Kompromißlösung, die das Kabinett in der Frage der Arbeitszeit gefunden hat, verwerfen will, und auf dem starren Fraktionsstandpunkt besteht. Ob dieser Teil die Mehrheit der Fraktion darstellt, ist nicht sicher. Soweit die Personenfrage in Betracht kommt, steht die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nach wie vor auf dem Standpunkt, daß sie einem Rücktritt des Reichsfinanzministers nicht zustimmt.“ Bis zum Mittag habe sich aus den Beratungen der sozialdemokratischen Fraktion kein Anhalt für eine Entspannung ergeben. Zur Beratung von Vertretern der Fraktionen mit dem RK konnte die DAZ, Nr. 457 vom 4.10.23, berichten, die SPD habe die Arbeitszeitformel abgelehnt, aber sich zu Neuverhandlungen bereiterklärt; die Rückziehung Hilferdings sei verweigert worden.

Die Lage dulde keinen Aufschub.

[455] Der von ihm vorgeschlagene Weg, als Kabinett vor den Reichstag zu treten und, ohne Fraktionsbeschlüsse einzuholen, das vom Reichstag zu verlangen, was das Kabinett für nötig halte, habe sich als ungangbar erwiesen.

Das Kabinett müsse sich jetzt darüber klar werden, ob es weiter zusammen bleiben könne.

Der Bescheid der Fraktionen würde bis 6 Uhr eingehen4.

4

S. Dok. Nr. 105.

Der Reichsarbeitsminister: So wie die Dinge sich entwickelt hätten, läge jetzt das Schwergewicht in den Parteiverhandlungen. Ihr Ergebnis sei abzuwarten.

Der Reichsernährungsminister fragt, ob es sich in der sozialdemokratischen Fraktion um sachliche Fragen oder nur um eine Formulierungsfrage handle.

Der Reichskanzler Der Abgeordnete Müller-Franken habe ihm zweimal ausdrücklich erklärt, daß die sozialpolitischen Fragen durch das Parlament geregelt werden müßten.

Hierauf wurde die Sitzung auf 6.30 Uhr vertagt5.

5

S. Dok. Nr. 105.

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