2.33.3 (vpa1p): 3. Innenpolitische Fragen.

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3. Innenpolitische Fragen.

Der Reichsminister des Innern teilte mit, daß er heute vormittag (21. 6.) eine Unterredung mit einem Beauftragten der S.A. gehabt habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß die Nationalsozialisten am 2. Juli dem Herrn Reichspräsidenten einen Fackelzug darbringen wollten. Für diesen Fackelzug werde um Freigabe der Bannmeile gebeten.

Am 23. Juni wollten die Nationalsozialisten eine Kundgebung im Sportpalast veranstalten. Ein Zug der Nationalsozialisten solle sich mit Fahnen durch die Hedemannstr. zur Potsdamerstr. bewegen. Auch hierfür werde angeblich Freigabe der Bannmeile erbeten. Hitler habe übrigens behauptet, daß der Herr Reichspräsident sich mit der geplanten Ehrung am 2. Juli bereits einverstanden erklärt habe.

Staatssekretär Dr. Meissner betonte, daß der Herr Reichspräsident sich nicht in diesem Sinne geäußert habe. Übrigens sei der Herr Reichspräsident am 2. Juli nicht in Berlin, sondern wahrscheinlich bereits in Neudeck oder auf der Reise nach Neudeck. Da ferner am 1. Juli der Umzug des Herrn Reichspräsidenten nach dem Reichskanzlerhaus erfolge, könne man mit diesen Gründen[113] unschwer den geplanten Fackelzug am 2. 7. verhindern. Vielleicht könne der S.A. mitgeteilt werden, daß der Herr Reichspräsident gern bereit sein werde, etwa geplante Huldigungen an seinem 85. Geburtstage, nämlich am 2. Oktober, entgegenzunehmen. Die Huldigungen dürften dann allerdings nicht von der S.A. allein, sondern sie müßten von allen Gruppen der Bevölkerung ausgehen.

Der Reichsminister des Innern erklärte, in diesem Sinne dem Beauftragten der S.A. antworten zu wollen.

Der Reichsminister des Innern führte aus, daß nach der Aufhebung des Uniformverbots13 vor allem in Köln Zusammenstöße sich ereignet hätten. Diese seien, nach allem, was er gehört habe, zum Teil auf Ungeschicklichkeiten der Stahlhelmführer zurückzuführen14.

13

VO vom 14.6.32 (RGBl. I, S. 297 ). Vgl. auch Dok. Nr. 21 und 26, P. 2.

14

In einem von den Nationalsozialisten am 23. 6. im PrLT eingebrachten Urantrag hieß es hierzu u. a.: Am 19. 6. „haben mehrere Polizeikommandos auf den Ringstraßen in Köln ohne hinreichenden Grund Nationalsozialisten, Stahlhelmer und sonstige Passanten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, die sich auf einem Spaziergang befanden, mit Gummiknüppeln überfallen und teilweise sehr schwer verletzt. Gleichzeitig richteten die Polizeibeamten ein scharfes Schnellfeuer in die dichte Volksmenge, wodurch wiederum eine ganze Reihe Passanten mehr oder weniger schwer verletzt wurde. […] Wie viele Augenzeugen, darunter Staatsanwälte, ältere Polizeimannschaften und Polizeioffiziere, bestätigt haben, hatte die Menge zu diesem Vorgehen der Polizei keinerlei Veranlassung gegeben.“ Der Antrag forderte daher 1) Amtsenthebung des Kölner Polizeipräsidenten Bauknecht „mit sofortiger Wirkung“, 2) Dienstenthebung und strafrechtliche Verfolgung aller „mitverantwortlichen und mitbeteiligten Polizeioffiziere und -mannschaften“, 3) Bauknecht und die Polizeioffiziere „werden mit ihrem gesamten Vermögen haftbar gemacht für alle gesundheitlichen und sachlichen Schäden, die durch das unmenschliche Vorgehen der Polizei gegen die Volksmenge verursacht worden sind.“ Der Antrag wurde dem Hauptausschuß des LT überwiesen (PrLT-Bd. 762, Sp. 705 f.). Über die Stellungnahme des Ausschusses konnte nichts ermittelt werden.

Auf die Dauer werde es für die Polizei unmöglich sein, gegen zwei Fronten zu kämpfen, nämlich gegen die KPD und gegen die N.S.D.A.P. Auch unter diesem Gesichtspunkte sei die Aufhebung des Uniformverbots und die völlige Eingliederung der Nationalsozialisten in den Staat dringend erforderlich.

Für Mittwoch, den 22. 6., habe er, der Reichsminister des Innern, die Innenminister der Länder zu einer Besprechung über die Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. Juni d. Js. gegen politische Ausschreitungen eingeladen. Er wolle mit Nachdruck betonen, daß nur in Einzelfällen Uniformverbote ausgesprochen werden könnten. Auch generelle Umzugs- und Demonstrationsverbote seien nicht mehr zulässig. Für alle Fälle wolle er eine Ergänzungsverordnung zu der Verordnung vom 14. 6. in Aussicht stellen, falls die Länder, insbesondere Bayern und Baden, der Auffassung des Reichsministers des Innern nicht Rechnung trügen15.

15

Zur Besprechung mit den Innenministern der Länder vgl. Dok. Nr. 38, P. 6.

Preußen werde nach seiner Ansicht keine Schwierigkeiten bereiten. Er habe kürzlich mit Staatsminister Severing eine eingehende Aussprache gehabt, in der dieser betont habe, daß die Reichsregierung wohl bald gezwungen sein werde, in Preußen und in einigen anderen Ländern Reichskommissare einzusetzen16.

16

Diese Äußerung Severings wurde bei den Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig am 10. 10. Gegenstand einer kurzen Kontroverse zwischen MinDir. Gottheiner und dem Vertreter Preußens, MinDir. Brecht. Gottheiner erklärte dabei u. a.: Severing habe „Mitte Juni dieses Jahres, also einige Wochen vor dem 20. Juli, dem gegenwärtigen Reichsminister des Innern gegenüber erklärt, daß er sich an diesem Geschrei über die angeblich bevorstehende Einsetzung eines Reichskommissars für Preußen nicht beteiligen werde, weil er persönlich der Ansicht sei, daß diese Maßregel sich nicht werde vermeiden lassen, und er hat im weiteren Verlauf dieser Unterredung mit Bezug auf diese Einsetzung des Reichskommissars erklärt: ‚Warten Sie nicht mehr lange ab.‘“ Demgegenüber betonte Brecht die völlige Unglaubwürdigkeit der aufgestellten Behauptungen, indem er Gottheiner entgegenhielt: „Wie soll ich das verstehen? Einen Reichskommissar, der die acht preußischen Minister absetzen sollte, in der Form, wie das geschehen ist, einen Reichskommissar, der an ihre Stelle trat und all ihre Rechte in Anspruch nahm, den soll Minister Severing gefordert haben, und das, meine Herren, soll Ihnen jemand glauben?“ (Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof, S. 34 f. und 47). Von Severing selbst wurde eine derartige Äußerung entschieden in Abrede gestellt, und zwar sowohl in einer amtlichen Erklärung vom 25.6.32 (Horkenbach, S. 213) wie auch in seinen 1950 erschienenen Memoiren (Mein Lebensweg, Bd. II, S. 340 f.).

[114] Der Herr Reichspräsident habe sich bereits bereiterklärt, notfalls eine Ergänzungsverordnung zu der Verordnung vom 14. 6. zu erlassen.

Der Reichswehrminister führte aus, daß die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes immer noch übrig bleibe. Ob man den militärischen Ausnahmezustand17 verhängen wolle, sei eine politische Frage18. Die Reichswehr habe selbst ein Interesse daran, daß die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes nicht erforderlich sei.

17

Vgl. die Ausführungen des RWeM in der Ministerbesprechung am 18. 6. (Dok. Nr. 31, P. 2 c).

18

In einem wahrscheinlich für die Dienatag (Dienst nationaler Tageszeitungen, Berlin) gefertigten, als „streng vertraulich“ gekennzeichneten „Informationsbericht“ vom 21. 6. (Unterschrift: Kausch) heißt es u. a.: „Bei der Vorbereitung der Konferenz der Innenminister hat sich für das Vorgehen der Reichsregierung ein erheblicher Streit zwischen dem Reichsinnenministerium und dem Reichswehrministerium abgespielt. Während Herr von Schleicher der Meinung ist, daß bei einem Nichtnachgeben der süddeutschen Länder sofort eine Notverordnung erlassen werden soll, die sämtliche Polizeirechte der Länder einheitlich unter Aufsicht des Reiches stellt und den Ländern nur noch eine beschränkte lokale Polizeigewalt in den Städten bezw. den Landkreisen läßt, geht die Intention des Frhrn. v. Gayl dahin, den unnachgiebigen, süddeutschen Ländern eine kleine Frist zu lassen, binnen der sie ihre Uniform- bezw. Demonstrationsverbote aufheben sollen. Zur Stunde ist noch nicht klar, welche Ansicht den Sieg davonträgt. Das Reichswehrministerium geht übrigens noch weiter: Es will den Ländern gegenüber bei Durchbrechung der neuen Notverordnung den Ausnahmezustand verhängen, während das Reichsinnenministerium diesen Gedanken vollkommen ablehnt. Der Aktion des Reichswehrministeriums und der nationalen Presse gegen die süddeutschen Staaten ist es zu verdanken, daß Herr von Gayl jetzt unter einem sehr starken Druck steht und eine sehr viel schärfere Tonart gegenüber den süddeutschen Ländern anschlägt.“ (Sammlung Brammer, ZSg. 101/25, Bl. 168).

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