2.77.3 (bru1p): Anlage 2

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Anlage 2

Der Abgeordnete Meyer an den Reichskanzler. 14. Juli 1930

R 43 I /1445 , Bl. 174

[Stellungnahme der DDP zu den Regierungsvorlagen]

Hochgeehrter Herr Reichskanzler!

Die Deutsche Demokratische Reichstagsfraktion hat in ihrer heutigen Sitzung beschlossen, die Regierungsvorlage – sowohl die Sozialgesetz- als auch[318] die Deckungsgesetzentwürfe – sowie den Gesetzentwurf betr. Bürgerabgabe, letzteren in der verabredeten Form, als Initiativanträge einzubringen, sofern diese Anträge von allen in der Regierung vertretenen Fraktionen unterschrieben werden. Hierbei setzen wir selbstverständlich voraus, daß die auf unseren Wunsch vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der Freilassung der Behördenangestellten von der Reichshilfe, soweit sie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen, und hinsichtlich der Milderung der Tabaksteuerfristen aufrecht erhalten werden und daß es bei der Herauslassung der Privatangestellten aus der Reichshilfe sein Bewenden behält. An unsere Zustimmung knüpfen wir die Bedingung, daß an reinen Ausgaben neben den mindestens 100 Millionen RM für 1930 weitere 50–100 Millionen RM im Haushaltsjahr 1931 eingespart werden.

Wir betonen jedoch ausdrücklich, daß wir das gegenwärtige Gesetzgebungswerk als eine Teilreform betrachten, mit welcher der durch die steigende Arbeitslosigkeit unerträglich gewordenen Lage der Reichsfinanzen abgeholfen werden soll. Wir erwarten also mit Bestimmtheit die Erfüllung der wiederholten Zusage der Regierung, im Herbst dem Reichstage eine durchgreifende Finanzreformvorlage zu unterbreiten, wobei wir ganz besonders auf die Notwendigkeit einer Reform des Verwaltungsaufbaues des Reichs und der Länder und einer Sanierung der Gemeindefinanzen hinweisen. In letzterer Beziehung sehen wir die Bürgerabgabe, wenngleich die schlimmsten Härten und Fehler dieser Abgabe in der gestrigen Besprechung der Parteiführer beseitigt worden sind, keineswegs als eine befriedigende Lösung an; wir stehen vielmehr nach wie vor auf dem Standpunkt, daß auf das entschiedenste versucht werden muß, sie bald durch eine gerechtere und einträglichere Besteuerung zu ersetzen.

Der letzte Grund, weswegen wir unter Zurückstellung wesentlicher Bedenken unsere Unterschrift zu leisten bereit sind, besteht in der Erkenntnis, daß ohne wesentliche Opfer von allen Seiten eine Einigung der Parteien über eine auf parlamentarischem Wege zu verabschiedende Finanzreform überhaupt nicht zu erzielen sein würde, daß aber die Notwendigkeit alsbaldiger Maßnahmen von niemand verneint werden kann, der sich der schweren Gefahren bewußt ist, die sonst Reich und Wirtschaft bedrohen.

In vorzüglicher Hochachtung

Reichstagsfraktion

der

Deutschen Demokratischen Partei

Meyer

M. d. R.

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