1.86.8 (mu22p): 4. Vorkommnisse im Rechtsausschuß des Reichstags am 5. November aus Anlaß der Beratung der Ehescheidungsreform und Frage des weiteren Vorgehens.

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4. Vorkommnisse im Rechtsausschuß des Reichstags am 5. November aus Anlaß der Beratung der Ehescheidungsreform und Frage des weiteren Vorgehens.

Abgeordneter Dr. Bell (Zentrum) äußerte den Wunsch, die für Freitag, den 8. November, 4 Uhr nachmittags, vorgesehene Sitzung des Rechtsausschusses möge ausfallen. Es sei für das Zentrum aus weltanschaulichen Gründen ganz untragbar, wenn diese Materie weiter beraten würde. Es handele sich hier um Anträge, die gemäß den getroffenen Vereinbarungen nur von den Regierungsparteien gemeinsam verfolgt werden könnten. Das Zentrum wünsche keine Krisis und habe auch gerade deshalb die Sitzung des Rechtsausschusses am 5. November verlassen. Damit wolle das Zentrum eine Brücke zur Verständigung offen lassen. Andererseits müsse man jedoch Verständnis für die Wünsche des Zentrums zeigen. Es komme hinzu, daß die Arbeiten des Strafrechtsausschusses sehr verzögert würden, wenn jetzt ein besonderer Unterausschuß zur Beratung der Ehescheidungsreform tage. Diesem Unterausschuß gehörten mehrere Mitglieder des Strafrechtsausschusses an.

Der Abgeordnete Dr. Breitscheid (VSPD) führte aus, daß es sich bei der Ehescheidungsreform nicht um eine Vorlage der Reichsregierung handele. Der Rechtsausschuß, bzw. der eingesetzte Unterausschuß müsse daher eine Vertagung selbst beschließen.

Auch das Zentrum sei keineswegs immer einheitlich mit den anderen Regierungsparteien vorgegangen. Ihm sei bekannt, daß das Zentrum wegen einiger Zollfragen besondere Vorstellungen bei einzelnen Ministern erhoben habe.

Wohl niemand sei der Ansicht, daß wegen der Ehescheidungsreform eine Kabinettskrisis heraufbeschworen werden könne. Er sehe nur die Möglichkeit, daß der Unterausschuß unter dem Druck der Reichsregierung bzw. der Regierungsparteien seine Vertagung selbst beschließe. Es sei deshalb nötig, daß die Regierungsparteien sich möglichst bald hierüber verständigen. Die für Freitag, den 8. November, vorgesehene Sitzung werde jedoch stattfinden müssen, eine Hinausschiebung der Beratungen werde danach aber jedoch wohl möglich sein.

Der Abgeordnete Dr. Zapf (Deutsche Volkspartei) vertrat die Auffassung, es sei jetzt nicht möglich, eine Vertagung des Unterausschusses herbeizuführen, nachdem die Zeitungen eingehend über das Verhalten des Zentrums berichtet hätten. Er könne keine besondere Gefahr für das Zentrum darin erblicken, daß der Unterausschuß jetzt das Problem der Ehescheidungsreform berate. Bei der jetzigen Geschäftslage des Reichstags sehe er keine Aussicht dafür, daß eine Vorlage aus dem Unterausschuß schon im November oder Dezember d. J. vor das Plenum des Reichstags komme.

[1121] Der Abgeordnete Leicht (Bayerische Volkspartei) erklärte, es sei am besten, wenn der Unterausschuß sich selber vertage.

Der Reichskanzler führte aus, daß die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien am Freitagnachmittag (8. 11.) sich über den Arbeitsplan des Rechts- und Strafrechtsausschusses aussprechen müßten. Wenn diese Besprechung um 5 Uhr angesetzt werde, werde die für 4 Uhr vorgesehene Sitzung des Unterausschusses des Rechtsausschusses auf jeden Fall ohne Beschlüsse verlaufen, weil mehrere Mitglieder dieses Ausschusses sicherlich auch an der Besprechung der Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien teilnehmen würden4.

Fußnoten

4

Vgl. Dok. Nr. 343.

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