1.86.9 (mu22p): 5. Behandlung des Nachtragsetats 1929, des Hauptetats 1930 und der Finanzgesetze durch den Reichstag.

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5. Behandlung des Nachtragsetats 1929, des Hauptetats 1930 und der Finanzgesetze durch den Reichstag.

Der Abgeordnete Dr. Cremer (Deutsche Volkspartei) bat um Mitteilung darüber, wann der Nachtragsetat 1929 und der Hauptetat 1930 dem Reichstag zugehen solle. Es sei wünschenswert, jetzt näheres hierüber zu hören, damit sich alle Abgeordneten ihre Zeit für die Etatsarbeiten schon jetzt freihalten könnten. Er habe gehört, daß eine getrennte Zuleitung der Etats an die gesetzgebenden Körperschaften in der Weise beabsichtigt sei, daß zunächst der Personaletat zugeleitet werden solle. Auch hierüber wäre er für eine Mitteilung dankbar.

Der Abgeordnete Dr. Zapf (Deutsche Volkspartei) führte aus, die Anhänger der Volkspartei fragten ständig nach der Finanzreform. Er bitte deshalb um nähere Auskunft über den Stand der Reform.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß der Nachtragsetat 1929 vom Reichskabinett verabschiedet worden sei5. Er werde den gesetzgebenden Körperschaften zugehen, sowie die Haager Verhandlungen zum Abschluß gekommen seien. Bekanntlich beruhe der Nachtragsetat auf dem Young-Plan, so daß es nach seiner Ansicht unmöglich sei, den Nachtragsetat schon jetzt den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten.

Von der geplanten Finanzreform habe er das Reichskabinett in ihren Grundzügen unterrichtet, die Grundzüge hätten auch die Billigung des Reichskabinetts gefunden6.

Gesetzentwürfe hierüber habe er dem Reichskabinett noch nicht zugeleitet.

Nachtragsetat 1929 und Hauptetat 1930 wolle er zusammen mit den Young-Gesetzen den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten. Eine getrennte Zuleitung der Etats beabsichtige er nicht vorzunehmen, zumal er ursprünglich die Absicht gehabt habe, im Personaletat überhaupt keine Veränderungen vorzunehmen, wahrscheinlich werde sich diese Absicht nicht ganz durchführen lassen, jedoch würden die Änderungen sehr unerheblich sein. Er wolle auch vermeiden, daß[1122] der Ausschuß des Reichstags wie beim vorigen Etat wieder monatelang über Personalsachen spreche.

Der Reichskanzler betonte, daß die Öffentlichkeit in Wahrheit genau darüber unterrichtet sei, weshalb der Nachtragsetat 1929 und der Hauptetat 1930 den gesetzgebenden Körperschaften noch nicht zugeleitet werden könnten.

Um dem Hauptausschuß des Reichstags möglichst bald ein Arbeiten zu ermöglichen, sehe er nur den Ausweg, daß dieser zunächst die Ausgabenseite berate, aber die Einnahmenseite einstweilen offen bleibe. Viele Ausgaben seien übrigens zwangsläufig.

Der Abgeordnete Ersing (Zentrum) vertrat die Auffassung, daß der Reichstag mit den Etats erst im August 1930 fertig werden könnte, wenn nach der Absicht des Reichsministers der Finanzen verfahren werde. Der Reichstag solle deshalb entweder sogleich den Personaletat beraten oder die Ausgabenseite des Etats.

Der Abgeordnete Dr. Zapf (Deutsche Volkspartei) äußerte den Wunsch, das Reichskabinett möge sich möglichst umgehend über die neuen Finanzgesetze einigen und diese dann den Parteien mitteilen. Hierdurch werde sicherlich eine Beruhigung im Lande entstehen.

Der Reichstagspräsident führte aus, es sei sicherlich höchst mißlich, wenn wieder der Etat dem Parlament nicht rechtzeitig zugehe7. Diesmal liege jedoch vielleicht viel mehr als in früheren Jahren eine wirkliche Zwangslage vor. Eine getrennte alsbaldige Beratung des Personaletats durch den Reichstag halte er für unzweckmäßig.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß er den Hauptetat 1930 in allernächster Zeit dem Reichskabinett zur Beschlußfassung vorlegen wolle, desgleichen die neuen Finanzgesetze8. Um eine Beschleunigung des Verfahrens zu erzielen, sei es vielleicht möglich, daß der Hauptausschuß des Reichstags gleichzeitig mit dem Reichsrat den Etat berate.

Der Abgeordnete Bernhard (Demokratische Partei) sprach sich gegen eine getrennte Zuleitung des Personaletats an die gesetzgebenden Körperschaften aus.

Der Abgeordnete Leicht (Bayerische Volkspartei) gab zu, daß Reichsregierung und Reichstag hinsichtlich der späteren Beratung des Hauptetats 1930 und des Nachtragsetats 1929 diesmal sich in einer besonderen Zwangslage befänden. Die Öffentlichkeit werde das einsehen müssen.

Der Reichskanzler erklärte, daß das Reichskabinett die soeben aufgeworfenen Fragen nochmals prüfen werde.

Die Besprechung wurde hierauf geschlossen.

Fußnoten

5

Siehe Dok. Nr. 323, P. 3 , 4.

6

Siehe Dok. Nr. 305, P. 3.

7

Nach § 22 der RHO (RGBl. 1923 II, S. 17  ff.) war der Haushaltsplan dem RR spätestens am 1. 11., dem RT spätestens am 5. 1. vor Beginn des Rechnungsjahres zur Beschlußfassung vorzulegen.

8

Siehe dazu Dok. Nr. 363 und Dok. Nr. 374, P. 2.

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