1.14.4 (str2p): 3. Antwort an die Ruhrindustriellen.

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3. Antwort an die Ruhrindustriellen.

Der Reichswirtschaftsminister verlas den Entwurf eines Antwortschreibens an den Abgeordneten Stinnes17.

17

Es handelt sich um die Antwort auf das Schreiben, das Stinnes am 7.10.23 an den RK gerichtet hatte. Zum Stinnes-Schreiben s. Anm. 15 zu Dok. Nr. 111; dort auch die im folgenden besprochenen Fragen; vgl. Dok. Nr. 131. – Der vom RWiM verlesene Antwortentwurf konnte in R 43 I nicht ermittelt werden.

Der Reichskanzler berichtete über das Ergebnis der Aussprache zwischen dem französischen Ministerpräsidenten und dem deutschen Geschäftsträger in Paris und erläuterte die durch die Haltung der Französischen Regierung geschaffene außenpolitische Lage18.

18

S. die Berichte der Agence Belge und von Havas in: Vermächtnis I, S. 160 sowie die Erklärung der RReg. vom 11.10.23 in: Ursachen und Folgen V, Dok. Nr. 1091. – Über die Unterredung hatte von Hoesch dem AA am 10.10.23 mitgeteilt: Poincaré sehe die Aufgabe des Widerstandes erst dann als vollzogen, wenn die Verhältnisse vor dem 11.1.23 wiederhergestellt seien, bis dahin werde es keine Verhandlungen geben. Frankreich und Belgien seien entschlossen, die Wiederherstellung des früheren Zustandes direkt mit den örtlichen Behörden und der Industrie zu regeln. Die deutschen Behörden könnten sie mit Weisungen versehen: jedoch sei der Vorschlag gemeinsamer Beratungen im besetzten Gebiet unannehmbar, da dann für Frankreich unerträgliche Anträge gestellt würden. Die Verhältnisse im Okkupationsgebiet seien allein von Frankreich und Belgien zu klären. Poincaré habe weiter ausgeführt, er werde seinen Halt im Volk verlieren, wenn er jetzt mit der Reichsregierung über die Aufgabe des Widerstandes und die entsprechenden Modalitäten verhandele. Er erwarte von einem günstigen Verlauf der Sonderbesprechungen mit der Wirtschaft die Wiederaufnahme der Produktion. Wenn die französischen Behörden das Ende des passiven Widerstandes und die Herstellung der früheren Zustände festgestellt hätten, werde die Bereitschaft zu Verhandlungen mit der RReg. über das Gesamtproblem festgestellt werden. Dazu seien dann auch die Alliierten heranzuziehen. Poincaré habe die Notwendigkeit eines Moratoriums und einer Anleihe anerkannt, vor allem zur Sanierung der deutschen Finanzen und des Budgets. Die Sachlieferungen sollen aus dem überreichlich vorhandenen Material erfolgen; zur Finanzierung müßten Kredite von der Großindustrie genommen werden, die über ausreichende Devisenvorräte verfüge. Auf die Einwendungen von Hoeschs hin habe Poincaré die Schwierigkeiten des RK anerkannt, der große Opfer bringen müsse. Poincaré wolle keine deutsche Katastrophe und sei gegen Absplitterungen, entsprechende Tendenzen seien innerdeutsch. „Andererseits aber wisse er sehr wohl, daß Widerstand, wenn er nicht von deutscher Regierung aufgegeben worden sei bzw. werde, von selbst gegen Willen deutscher Regierung aufhören würde. Frankreich wisse, daß es gewonnenes Spiel habe und das sei nicht Augenblick, Abstriche von einer klargestellten force majeure zu machen“ (Pol.Arch.: Büro RM 14–5, Bd. 2). Aus Brüssel berichtete Geschäftsträger Rödiger am 11.10.23, ein Communiqué des belg. Kabinetts besage, daß das deutsche Angebot nach Ansicht der frz. und belg. Regierungen durch die Industrieverhandlungen überholt worden sei (ibid.). In einem ausführlichen Bericht vom 13.10.23 führte von Hoesch aus, daß seine letzte Unterredung mit Poincaré seine bisherigen Beobachtungen bestätigt habe, Frankreich wolle ein „Ausbeutungssystem“ in Gang setzen und dadurch die Pfänder in seiner Hand produktiv gestalten. Dahinter stehe auch die Überlegung, nie wieder die Frage der deutschen Schulden und der französischen Ansprüche diskutieren zu lassen. Um sich die deutschen Leistungen zu sichern, lehne Poincaré den Zerfall Deutschlands ab, da sonst Frankreich auf die Reparationen verzichten müsse. Demgegenüber bestehe für die deutsche Politik nur die Möglichkeit der Obstruktion oder der Unterwerfung. Beide wurden von von Hoesch abgelehnt, der eher einen Appell an die Repko zur Überprüfung der der deutschen Leistungsfähigkeit für angebracht hielt. In Hinsicht auf Obstruktion oder Unterwerfung führte er abschließend aus: „Die zwei Wege, die uns offen stehen, sind also beide traurig und verzweifelt genug. Der erste führt zur bewußten Zerstörung der Reichseinheit, der zweite zur Unterwerfung unter einen unerbittlichen Gegner und unter den Druck einer dauernden Erpressung, wobei die Gefahr, daß schließlich dennoch die umstrittenen Gebiete verloren gehen, nicht ausgeschaltet wird. Wählen wir den zweiten Weg, so muß jedenfalls unser Bestreben sein, möglichst bald wieder den Gedanken der Befreiung durch Zahlung aufzunehmen und zu versuchen, ob es gelingen kann, wenigstens etappenweise das Ruhrgebiet durch effektive Zahlungen oder Zahlungssurrogate zurückzuerobern. Nach wie vor glaube ich, daß Poincaré bereit ist, gegen Zahlung das Ruhrgebiet zu räumen, während im Rheinland nach Preisgabe der Eisenbahnen und bei der zu erwartenden Ablehnung der Rückkehr der preußischen Beamten die Souveränität des Reiches wohl auf dauernd nur ein Schatten bleiben wird“ (Pol.Arch.: Büro RM 7, Bd. 2).

[546] Es wurden zunächst die Punkte 1 bis 4 des Antwortschreibens erörtert, wobei der Reichsarbeitsminister verschiedene Vorschläge unterbreitete. Nach einer eingehenden Erörterung wurde über die Fassung der Antwort in dieser Frage eine Einigung erzielt19.

19

Vgl. hierzu das Antwortschreiben des RK an Hugo Stinnes vom 12.10.23 (Dok. Nr. 131).

Zu Punkt 5 (Aufhebung der Kohlensteuer)20 führte der Reichswirtschaftsminister aus, daß die Beseitigung dieser Steuer eine erhebliche Senkung des Kohlenpreises herbeiführen würde; daß aber eine Herabsetzung des Kohlenpreises zur Zeit das dringendste Erfordernis sei, um die Wirtschaft in Gang zu[547] setzen21. Auch für den Hausbrand in den Städten sei eine Verbilligung der Kohle dringend erforderlich und von großer innenpolitischer Bedeutung22.

20

Zur Frage der Kohlensteuer s. Dok. Nr. 74, 121 u. 125, P. 6.

21

Auf Grund der Angaben des Statistischen Reichsamtes hatte RegR Grävell am 9.10.23 Berechnungen zur Kohlenpreisfrage aufgestellt und dabei als Faktoren für das Ansteigen über den Friedenspreis hinaus angegeben: „1) Steigerung der Kosten des Verwaltungsapparats, 2) Erhöhung der Steuern, 3) Vermehrung der Belegschaften, 4) Rückgang der Produktion, 5) Steigerung der Materialpreise, 6) Steigerung des Gewinnanteils der Unternehmer.“ Die Vermehrung des Verwaltungsapparats war nach Grävells Meinung „mitbedingt durch Steuerberechnung und Steuererhebung“. Letztere beziehe sich vorwiegend auf: „a) Kohlensteuer, b) die Umsatzsteuer, c) die Körperschaftssteuer“. Die Belegschaften im Bergamtsbezirk Dortmund sei insgesamt von 1913 bis Ende 1922 um 41%, bei den Untertagearbeitern um 35% gestiegen, demgegenüber sei die Produktion von Steinkohle im gleichen Zeitraum um 19% zurückgegangen. Während der Durchschnittslohn im Bergbau im Frieden 33,60 Goldmark betragen habe, habe er in der Woche vom 1.–7. 10. bei Auszahlung am 5. und 9.10.23 nur 15,33 Goldmark ausgemacht, was einem Rückgang von 54,4% entspreche. Der Lohn für Hauer und Schlepper einschließlich sozialer Zuwendungen sei gegenüber dem Friedenslohn von 40,50 Goldmark in der Woche vom 24.–30.9.23 auf 34,32 = 15,3% zurückgegangen. Daraus schloß Grävell: „Keine Ursache für eine Preissteigerung bilden die zur Zeit gezahlten Löhne in ihrer absoluten Goldhöhe ohne Berücksichtigung des Leistungsrückgangs, also lediglich je Schicht betrachtet.“ Gegenüber dem Vorkriegspreis von 12,00 Goldmark für Ruhr-Fett-Förderkohle habe der Zechenpreis am 4.10.23 38,46 Goldmark betragen. Die entsprechende englische Kohle habe vor dem Krieg 10,47 Goldmark und am 4.10.23 17,89 Goldmark gekostet (R 43 I /2187 , Bl. 75–78).

22

Vgl. Dok. Nr. 90.

Der Reichswirtschaftsminister verlas einen entsprechenden Gesetzentwurf23.

23

Der Entw. befindet sich in R 43 I /1388 , Bl. 121. § 1 und § 2 sind in der erlassenen VO gegenüber dem Entw. umgestellt worden. – Der Antrag zu einem Gesetz war noch vom RWiM von Raumer am 1.10.23 gestellt und mit der Höhe der Bergarbeiterlöhne, die sich auf die Gestehungskosten durch ihr ständiges Ansteigen auswirken würden, begründet worden. Bei den letzten Beschlüssen der Kohlenwirtschaft, die Preise zu erhöhen, sei einstimmig die Erwartung ausgedrückt worden, daß die RReg. die Kohlensteuer abbaue. Dies entspreche der Erklärung der Bergwerksunternehmer, die erhöhten Löhne seien „bei der Beibehaltung der alten Preise nur unter Zuhilfenahme der Kohlensteuer“ zu zahlen. Weiterhin hatte der RWiM ausgeführt: „Ich bin der Auffassung, daß die wirtschaftliche Entwicklung zu einer sofortigen Aufhebung der Kohlensteuer zwingt. In Westfalen betragen die reinen Lohnkosten je Tonne zur Zeit 17,21 Goldmark. Hierbei ist ein Absatzeffekt von 555 kg je Kopf der Belegschaft in Rechnung gestellt, der zwar für die Zeit vor dem Ruhreinbruch zutraf, jetzt aber, wie bereits vorher von mir bemerkt, erheblich unterschritten wird. Amtliche Zahlen über die Absatzleistungen der allein im Ruhrgebiet in Förderung befindlichen Randzechen sind nicht bekannt. Es steht jedoch fest, daß die Absatzleistungen unter 500 kg je Kopf der Belegschaft gesunken ist. Es liegt auf der Hand, daß bei einem Weltmarktpreis von etwa 23 M neben Lohnkosten in der angegebenen Höhe für eine Kohlensteuer kein Raum mehr ist.“ Werde die Kohlensteuer nicht sofort aufgehoben, seien die Bergwerksbesitzer nicht in der Lage, die erhöhten Löhne zu zahlen. Das Kabinett möge beschließen, den RFM zu bitten, den Entwurf eines Notgesetzes zur Aufhebung der Kohlensteuer vorzulegen, und den RWiM zu ermächtigen, den Bergbau von der beabsichtigten Aufhebung der Kohlensteuer zu unterrichten (R 43 I /2410 , Bl. 318–323 mit Tabellen über die Förderleistung in den einzelnen Revieren). Dazu hatte RReg. Grävell als zuständiger Referent in der Rkei am 9.10.23 bemerkt: „Die Aufhebung der Kohlensteuer ist von zwei Seiten zu beurteilen: a) von der finanziellen Seite, b) von der wirtschaftlichen Seite. Vom finanziellen Standpunkt aus muß bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reichs unbedingt an der Kohlensteuer festgehalten werden; vom wirtschaftlichen Standpunkt aus muß mit Rücksicht auf die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie und die Preisbildung im Inland unbedingt die Aufhebung der Kohlensteuer sofort erfolgen.“ Grävell resumierte, die Kohlensteuer sei aufzuheben unter der Voraussetzung, daß der Goldpreis der Kohle herabgesetzt werde und damit eine tatsächliche Verbilligung eintrete (R 43 I /2410 , Bl. 324).

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß er gegen eine Herabsetzung der Kohlensteuer keine Bedenken hegen würde, wenn ein tatsächlicher wirtschaftlicher[548] Erfolg dabei in Aussicht gestellt werden könne. Er bezweifelte aber sehr, ob solches der Fall sein würde, da nach den von ihm aufgestellten Berechnungen die völlige Aufhebung der Kohlensteuer auf den Preis z. B. von Hausbrandkohle in Berlin nur einen geringen Einfluß haben würde.

Der Reichswirtschaftsminister hielt die Wirkung doch für erheblich und bat, unbedingt die Steuer völlig zu beseitigen.

Der Reichsarbeitsminister stimmte dem zu und regte an, im Interesse der Arbeitsbeschaffung im Reiche einen Zoll auf ausländische Kohle zu legen.

Der Reichsminister der Finanzen bezweifelte die Möglichkeit einer solchen Maßnahme mit Rücksicht auf gewisse Vereinbarungen mit englischen Importeuren und wies zugleich darauf hin, daß auf Grund des Friedensvertrags die gleiche Zollbehandlung jeder anderen Einfuhrkohle zuteil werden müsse24, was für die Kohlenversorgung aus dem Osten bedenkliche Folgen zeitigen könne.

24

S. die wirtschaftlichen Bestimmungen in Art. 264 (betr. Zollbegünstigung bei der Einfuhr von Waren aus Ländern der Alliierten nach Deutschland) und Art. 267 (betr. Meistbegünstigung für die Alliierten) des VV.

Der Reichsverkehrsminister teilte mit, daß er auf die Einfuhr englischer Kohle für die Reichseisenbahn keinesfalls verzichten könne25.

25

Die Versorgungslage der RB gebe zu ernsthaften Befürchtungen Anlaß, da voraussichtlich der Durchschnittsbestand der Dienstkohlen bis zum 22.10.23 aufgebracht sein werde, hatte der RVM dem RFM in einem Schreiben vom 11.10.23 mitgeteilt. Wegen der ungleichmäßigen Kohlenverteilung sei damit zu rechnen, „daß in absehbarer Zeit in einigen Bezirken der Betrieb infolge Kohlenmangels zum Erliegen kommen muß und damit die Gesamtbetriebsführung der Reichsbahn zusammenbricht.“ Daher müsse für weitere Kohlenzufuhr gesorgt werden. Weil größere Lieferungen aus dem Ruhrgebiet nicht zu erwarten seien, sei die RB „auf den sofortigen Ankauf ausländischer, insbesondere englischer Kohle, angewiesen.“ In diesem Zusammenhang hatte der RVM gebeten, Devisen zur Abdeckung von Kreditverpflichtungen zur Verfügung zu stellen (R 43 I /2187 , Bl. 67–73).

Der Reichsminister der Finanzen regte an, die Frage eines evtl. Einfuhrzolles auf Kohle zwischen den beteiligten Ressorts (Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrsministerium) weiter zu behandeln.

<26 In der Frage der Aufhebung der Kohlensteuer erklärte er, daß er als Reichsfinanzminister auf eine solche Einnahme eigentlich nicht verzichten könne. Er könne sich mit den Maßnahmen, falls sie allgemein im Kabinett gefordert würden nur abfinden, wenn eine Steigerung der Produktion durch diese Maßregel wirklich gewährleistet erschiene. Deshalb bitte er auf jeden Fall, daß vor der etwaigen Aufhebung mit den Vertretern des Bergbaus eine Verständigung dahin erzielt werde, daß sie zu einer staffelweisen Herabsetzung des Kohlenpreises sich bindend verpflichteten, und zwar zur ersten Staffel von[549] 10–15%27 auch ohne Verlängerung der Arbeitszeit28. Im übrigen bat er, bei Veröffentlichung der Kohlensteuerbeseitigung diese Maßnahme als rein innerpolitische und wirtschaftliche erscheinen zu lassen, aber jeden außenpolitischen Charakter dabei zu vermeiden29.>

26

Der in Klammern gesetzte Absatz entspricht der Berichtigung, die vom RFM in Einverständnis mit dem RWiM herbeigeführt wurde (Randvermerk Kieps vom 12.10.23). Die ursprüngliche Fassung lautete: „In der Frage der Aufhebung der Kohlensteuer erklärte er, daß er als Reichsfinanzminister nicht verzichten könne, daher sich überstimmen lassen müsse, falls die Mehrheit des Ministeriums die Aufhebung für erforderlich halte. In jedem Falle bitte er aber, daß vor der etwaigen Aufhebung mit den Vertretern des Bergbaus eine Verständigung dahin erzielt werde, daß sie zu einer staffelweisen Herabsetzung des Kohlenpreises sich bindend verpflichten. Im übrigen bat er, bei der Veröffentlichung der Kohlensteuerbeseitigung diese Maßnahme als rein innerpolitische und wirtschaftliche erscheinen zu lassen, aber jeden außenpolitischen Charakter dabei zu vermeiden.“

27

Das Ergebnis der Verhandlungen von Reichskohlenverband und Großen Ausschuß des Reichskohlenrats am 12.10.23 über die Preisbildung teilte der Reichskohlenrat seinen Mitgliedern am 16.10.23 mit. Da der Goldlohn der Arbeiter trotz Papiermarksteigerung hinter der Goldmarkbasis vom 28.9.23 zurückgeblieben sei, sei eine Ermäßigung des Nettopreises um 10–15% beschlossen worden. Weil gleichzeitig die VO über Aufhebung der Kohlensteuer in Kraft getreten sei, habe sich am 15. 10. der Bruttokohlenpreis um ⅓ des bisherigen Goldmarkpreises vermindert. „Der Antrag auf Preisermäßigung am 12. d. M. begegnete allerdings bei einer Reihe von Beschlußmitgliedern großen Bedenken, indem er weniger aus der finanziellen Lage des Kohlenbergbaues heraus, als vielmehr nur aus absatzwerbenden und allgemein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus und auch aus diesen nur gerechtfertigt erschien, ‚wenn unverzüglich wertbeständige Zahlungsmittel geschaffen werden und die Regierung ihren Einfluß und ihre Machtbefugnisse auch bei der Preispolitik der sonstigen Wirtschaft zur Wirkung bringen wird.‘ Daher banden der Reichskohlenverband und der Große Ausschuß ihren Beschluß ausdrücklich an diese Erwartung und brachten sie auch durch ein besonderes Schreiben an den Herrn Reichswirtschaftsminister zum Ausdruck“ (BA: NL Silverberg  150, Bl. 38).

28

Zur Problematik der Arbeit im Bergbau s. Dok. Nr. 190; die Ausführungen Klöckners in der Unterredung mit Degoutte am 5.10.23 (Dok. Nr. 111); das Telegramm der Bergbauunternehmer vom 30.9.23 in: Ursachen und Folgen V, Dok. Nr. 1081.

29

Der RFM bezieht sich hiermit auf die in Stinnes’ Brief unter 2 angesprochene Zahlung der Kohlensteuer durch die Unternehmer auf französisches Reparationskonto (s. Anm. 15 zu Dok. Nr. 111).

Der Reichskanzler stellte fest, daß der Aufhebung der Kohlensteuer unter den vom Reichsfinanzminister vorgeschlagenen Bedingungen zugestimmt werde30.

30

Das ausgefertigte Original der VO mit Unterschriften des RPräs., des RK, des RWiM und des RFM in R 43 I /2187 , Bl. 80. Die VO wurde veröffentlicht in RGBl. I, S. 945; s. dazu auch Dok. Nr. 136, P. 5.

Zu Punkt 5 und 6 des Schreibens wies der Reichswirtschaftsminister darauf hin, daß eine Einwirkung auf die Verteilung der Kohle im besetzten Gebiet den Reichsbehörden unter den gegenwärtigen Verhältnissen doch kaum zustehen würde.

Der Reichsminister für Wiederaufbau und der Reichsarbeitsminister be- tonten demgegenüber die Notwendigkeit, den Verkauf an das übrige Ausland zum mindesten grundsätzlich der Entscheidung der Reichsregierung vorzubehalten.

Nach einer weiteren Erörterung wurde über eine Fassung der Antwort zu diesem Punkte eine Einigung erzielt.

Zu Punkt 7 und 8 teilte der Reichskanzler als seine Auffassung mit, daß die Bestimmung der Persönlichkeiten, welche die Industrie mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftrage, als eine Sache der betreffenden Organisationen anzusehen sei. Im übrigen sei aber gegen Verhandlungen durch die von den Organisationen gewählten Vertreter Bedenken nicht zu erheben.

Der Reichsminister des Innern und der Reichsarbeitsminister wiesen darauf hin, daß es erwünscht sei, auch einen Vertreter der Arbeitnehmer in die Verhandlungskommission aufzunehmen.

[550] Der Reichsverkehrsminister nahm darauf Bezug, daß nach Maßgabe der Mitteilung des französischen Ministerpräsidenten an den deutschen Geschäftsträger in Paris es nach Auffassung der Besatzungsmächte durchaus zulässig sei, örtliche Vertreter der Reichsregierung an den Verhandlungen zu beteiligen31.

31

Vgl. zu dem Bericht Hoeschs o. Anm. 18.

Der Reichswirtschaftsminister schlug vor, von einer Beantwortung der verschiedenen gestellten Fragen im einzelnen abzusehen und stattdessen eine generelle Erklärung abzugeben.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete hielt ebenfalls eine Beantwortung der Fragen im einzelnen für innen- und außenpolitisch bedenklich.

Der Reichskanzler stimmte dem Gedanken im Grundsatz zu, bat jedoch, die Formulierung der Antwort ihm zu überlassen. Er denke sich die Erklärung zugleich als allgemeine außenpolitische Kundgebung. Es müsse in ihr von der Finanzlage des Reichs ausgegangen und daraus gefolgert werden, daß irgendwelche Zahlungen nicht stattfinden könnten. Daraus ergebe sich, daß die Reichsregierung der Bevölkerung des besetzten Gebiets es überlassen müsse, örtliche Verhandlungen zu führen und hierbei nur zur Bedingung mache, daß Hoheitsrechte des Staates dadurch nicht betroffen werden dürften. Daran anschließend könnte dann nach Bedarf auf die einzelnen Fragen eingegangen werden.

Zu Punkt 9 wies der Reichsverkehrsminister auf die Gefahr einer Privatisierung der Eisenbahn im besetzten Gebiet hin. Er habe in den bisherigen Verhandlungen in Mainz den Erfolg gehabt32, daß das Eigentumsrecht des Reichs von den Franzosen anerkannt würde. Auf dieser Linie müßten die Verhandlungen fortschreiten, und er halte es daher nicht für erwünscht, daß die Industrievertreter über die Eisenbahn überhaupt Abmachungen träfen.

32

Zu den Eisenbahnverhandlungen in Mainz s. Dok. Nr. 125, P. 6; zu ihrem weiteren Verlauf und Ergebnis s. a.: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 10, P. II.

Zu Punkt 10 schlug der Reichsarbeitsminister vor, hinsichtlich der Arbeitszeit auf die in der Vorbereitung begriffene Gesetzgebung zu verweisen32a.

32a

S. Dok. Nr. 130, P. 5.

Der Reichskanzler stimmte dem Vorschlag zu und wies darauf hin, daß es gerade in der Frage der Arbeitszeit von Wichtigkeit sei, die zu treffenden Maßnahmen nicht als durch das Verlangen der Industrievertreter hervorgerufen erscheinen zu lassen33.

33

Zur Fassung des Schreibens in diesem wie in den zuvor behandelten Punkten s. Dok. Nr. 131.

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