2.126.1 (ma11p): 1. Auseinandersetzung mit Bayern wegen der militärischen Grundstücke.

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1. Auseinandersetzung mit Bayern wegen der militärischen Grundstücke.

Ministerialrat Worbs trug den Inhalt der Vorlage des Reichsfinanzministeriums vor1.

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Mit Schreiben vom 29. 2. übersandte der RFM als dringliche Kabinettsvorlage eine kurze Denkschrift über ein Übereinkommen mit Bayern betr. die finanzielle Liquidation des bayer. Militärreservats. Der Inhalt der Denkschrift ist im wesentlichen folgender: I. Unter der alten RV habe Bayern die volle Selbständigkeit der Militärhoheit und -verwaltung behalten. Die 1870 in Bayern vorhandenen und die danach hinzugekommenen militärischen Grundstücke seien Eigentum des bayer. Staates gewesen bzw. geworden. II. Was die Verhältnisse unter der jetzigen RV beträfe, so gehe die vom Reich vertretene Rechtsauffassung dahin, daß mit der Übernahme der bayer. Militärverwaltung durch das Reich die bayer. Militärgrundstücke Reichseigentum geworden seien. Bayern habe nur einen Anspruch auf Herausgabe derjenigen Grundstücke, die aus altbayer. Besitz stammten (vor 1870) und die nicht militärisch genutzt würden. Der bayer. Rechtsstandpunkt nähme dagegen auf Grund des früheren Militärreservats das völlig freie Eigentum am gesamten bayer. Militärgrundbesitz in Anspruch. Die unmögliche Folge dieser Auffassung wäre, daß das Reich seinen Grundstücksbedarf für die Reichswehr in Bayern von Bayern kaufen oder mieten müßte. III. Nach langwierigen Verhandlungen liege jetzt der Entwurf eines Übereinkommens über die Liquidation des bayer. Militärreservats vor, der hinsichtlich der Grundstücke im wesentlichen folgendes vorsehe: 1) Alle von der Reichswehr zur Zeit benutzten Grundstücke werden unbeschränktes Reichseigentum. 2) Alle übrigen Grundstücke bleiben bayer. Eigentum. 3) Soweit in letzteren Reichsbehörden untergebracht sind (Finanzbehörden usw.), zahlt das Reich keine Miete, sondern nur eine formelle Anerkennungsgebühr. 4) Das Reich ist berechtigt, bei künftigem Bedarf der Reichswehr alle ehemaligen bayer. Militärgrundstücke wieder in Anspruch zu nehmen. IV. „Bayern verlangt die Aufnahme einer Vertragsbestimmung, wonach für den Fall der Wiedererrichtung einer selbständigen bayer. Militärverwaltung die in diesem Zeitpunkt militärischen Zwecken dienenden Liegenschaften (ausschließlich der etwa künftig vom Reich neu geschaffenen) unentgeltlich an Bayern zurückfallen. Vom militärdienstlichen und finanziellen Standpunkt aus ist diese Klausel annehmbar. Frage: Ist es auch politisch tragbar, daß anläßlich der Liquidation des alten bayer. Militär-Reservates die Möglichkeit des Wiederauflebens eines solchen Reservates ins Auge gefaßt wird? Nach telefonischer Mitteilung von München würde Bayern damit einverstanden sein, daß die Klausel nicht in den Vertrag selbst aufgenommen, sondern gesondert vereinbart wird.“ (R 43 I /894 , Bl. 11-13). Eine ausführlichere Darstellung der Sach- und Rechtslage hatte der RFM bereits in einem Schreiben an den RIM vom 19.12.23 gegeben, dem der „Entwurf eines Übereinkommens zwischen Bayern und dem Reiche über die finanzielle Liquidation des bayer. Militärreservats“ beigefügt ist (R 43 I /2332 , Bl. 7-25).

[416] Staatssekretär Weismann teilte mit, daß die Preußische Staatsregierung gegen die vorgeschlagene sachliche Regelung nichts einzuwenden habe, jedoch in politischer Beziehung die Erwähnung eines bayerischen Reservatrechts, wenn auch nur in bedingter Form, ablehne. Voraussetzung für irgendwelche bayerischen Reservatrechte sei die Wiederherstellung der preußischen Vormachtstellung im Reiche. Die Preußische Regierung bitte daher, keiner Sonderabmachung mit Bayern zuzustimmen, welche in der vorgeschlagenen Form ein bayerisches Reservatrecht erwähne und im übrigen Preußen an den etwaigen weiteren Verhandlungen mit Bayern hierüber zu beteiligen.

Der Reichsverkehrsminister stimmte dem Vorredner zu und schlug vor, über eine anderweite Fassung des Absatzes IV der Vorlage erneut in Verhandlungen mit Bayern einzutreten.

Staatssekretär Joel wies darauf hin, daß eine Ressortberatung über die Vorlage nicht stattgefunden habe und daß infolgedessen seinem Ressort noch keine Möglichkeit geboten sei, rechtliche Bedenken, die übrigens auch vom Reichsministerium des Innern geteilt würden, zur Geltung zu bringen. Die vorgeschlagene Fassung des III. Absatzes, Nummer 3) verstoße gegen die ausdrückliche Vorschrift des Gesetzes vom 25.5.18732, wonach die fraglichen Grundstücke Reichseigentum geworden seien.

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Gesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände (RGBl. 1873, S. 113 ).

Generalmajor v. Haack wies darauf hin, daß die Vorlage dem Reiche erhebliche Vorteile vom militärischen Standpunkte aus brächte. Politische und juristische Bedenken seien daher vom Reichswehrministerium zurückgestellt worden. Würden diese erhoben, so sei zu befürchten, daß die Vereinbarung mit Bayern inhaltlich ungünstiger gestaltet würde.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich bereit, die juristischen Bedenken im Einvernehmen mit dem Reichsjustizministerium nochmals zu erörtern und in politischer Beziehung, dem Vorschlage des Reichsverkehrsministeriums entsprechend, in erneuten Verhandlungen mit der Bayerischen Staatsregierung eine Formulierung zu suchen, welche den begründeten Wünschen aller Länder gerecht würde. An diesen Verhandlungen würde auch Preußen beteiligt werden.

Der Reichskanzler stellte die Zustimmung des Kabinetts zu dem vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagenen Verfahren fest, wonach bei Erzielung[417] eines Einverständnisses mit dem Reichsjustizministerium einerseits und der Preußischen Staatsregierung andererseits die Angelegenheit nicht erneut vor das Kabinett gebracht zu werden brauche3.

3

Über das Ergebnis der Verhandlungen mit Bayern konnte in den Akten der Rkei nichts ermittelt werden.

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