2.126.4 (ma11p): 4. Wahlen im besetzten Gebiet.

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4. Wahlen im besetzten Gebiet.

Der Reichskanzler stellte die Frage zur Erörterung, wie bei der bevorstehenden Neuwahl zum Reichstag die besetzten Gebiete zu behandeln seien. Es sei zu befürchten, daß bei Abhaltung der Neuwahlen in den besetzten Gebieten erhebliche Beschränkungen der Wahlfreiheit durch die Besatzungsbehörden erfolgen würden. Schließe man andererseits die besetzten Gebiete aus, so bedeute das eine erhebliche Verminderung des Umfanges der gesamten Neuwahl. Schließlich beständen ja doch auch erhebliche außenpolitische Bedenken gegen eine Befragung der Besatzungsmächte.

Der Reichsminister des Innern legte eine Karte der Wahlkreise vor und führte aus, daß in dem besetzten Gebiete etwa 17% der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung sich befinde, während bei Ausschließung auch derjenigen Wahlbezirke, welche von der Trennungslinie zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet durchschnitten würden, im ganzen 25–30% der Bevölkerung von der Neuwahl ausgeschlossen würden. Das Urteil der Abgeordneten aus dem besetzten Gebiete, die zum 6. d. Mts. einberufen seien8, könne nicht als maßgebend angesehen werden, vielmehr müsse die Reichsregierung im vorliegenden Falle für die Entscheidung die Verantwortung tragen. Zu bedenken sei, daß auch bei Abhaltung der Wahl in den besetzten Gebieten unter allen Umständen eine starke Beeinflussung zu erwarten sei, so daß das Ergebnis in jedem Falle im gewissen Umfange ein gefälschtes Bild darstellen würde.

8

Die Besprechung mit den Abgeordneten des besetzten Gebiets findet am 5. 3. statt (s. Dok. Nr. 129).

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß der Reichsminister des Auswärtigen wegen der separatistischen Gefahr von einer Abhaltung der Neuwahl im besetzten Gebiet abrate.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß, wenn einmal eine Neuwahl erforderlich sei, diese von der Reichsregierung nicht eingeschränkt werden könne. Träten unbefugte Eingriffe von seiten der Besatzungsmächte auf, so müsse dagegen Protest erhoben werden. Allenfalls könne man mit Rücksicht auf die besonderen dortigen Verhältnisse und die Anordnungen der Bayerischen Regierung die Pfalz ausnehmen.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete teilte mit, daß bei der jüngsten Pressetagung in Mannheim fast allgemein vor der Abhaltung von Neuwahlen im besetzten Gebiet gewarnt worden sei. Zu bedenken sei ferner, daß eine richtige Wahlvorbereitung und Aufklärung im besetzten Gebiet nicht möglich sein werde, und schließlich, daß eine starke Zunahme der radikalen[419] Stimmen im besetzten Gebiete zu erwarten sei. Er sei daher grundsätzlich dafür, die besetzten Gebiete von der Neuwahl auszunehmen. In keinem Falle lasse sich jedoch für die Abhaltung der Wahl im besetzten Gebiet bis zum 6. April eine Regelung treffen.

Staatssekretär Weismann teilte mit, daß nach Auffassung des Preußischen Ministerpräsidenten die Neuwahl grundsätzlich auch im besetzten Gebiete abgehalten werden müßte. Im übrigen müsse man die Haltung der Besatzungsbehörden abwarten.

Der Reichsminister der Finanzen empfahl, zunächst von den Besatzungsbehörden die Zusicherung der Nichteinmischung bei den Wahlen einzuholen und danach gegebenenfalls, wenn diese Zusicherung nicht gehalten würde, die Wahl im besetzten Gebiet abzusagen. Auf diese Weise falle das Odium der Wahlbehinderung auf die Besatzungsmächte.

Generalkommissar Schmid wies darauf hin, daß solchen Falles sowohl die Verordnung, welche die Neuwahl veranlasse, als auch diejenige, welche gegebenenfalls die Wahl anhalte, der Rheinlandkommission zur Genehmigung vorzulegen sei. Hierbei könne es passieren, daß die Kommission zu der zweiten Verordnung ihre Zustimmung versage, was für die Reichsregierung eine außerordentlich schwierige Lage herbeiführen würde.

Der Reichskanzler stellte fest, daß die Mehrheit des Kabinetts die Abhaltung der Wahl im besetzten Gebiet für zweckmäßig halte, daß es jedoch nicht erwünscht sei, eine Entscheidung herbeizuführen, ehe nicht die Äußerungen der Vertreter des besetzten Gebiets vorlägen9.

9

S. Anm. 8.

Das Kabinett stimmte dieser Auffassung zu.

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