1.213.1 (bru2p): 1. Entwurf einer Verordnung über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften.

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1. Entwurf einer Verordnung über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften.

Staatssekretär Dr. JoëlJoël führte aus, daß er rechtliche Bedenken dagegen habe, die gesamte Aktienrechtsreform auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung[1663] anzuordnen1. Der Art. 48 biete nach seiner Auffassung nur die Möglichkeit, die vordringlichsten Mißstände des Aktienrechts im Wege einer Verordnung zu beseitigen. Der jetzige Entwurf sei noch nicht veröffentlicht worden. Er enthalte gewisse Abänderungen gegenüber dem Entwurf von 1930. Nach seiner Auffassung solle man entweder die gesamte Reform der ordentlichen Gesetzgebung überlassen oder einzelne, besonders wichtige Teile herausnehmen und auf Grund des Art. 48 regeln. Soweit er gesehen habe, habe sich auch fast die gesamte Presse dagegen gewandt, daß das ganze Aktienrecht auf Grund des Art. 48 der RV geregelt werde2.

1

Zur ersten Beratung des Rkab. über die Aktienreform s. Dok. Nr. 431 [P. 3.]

2

Einzelne Zeitungsausschnitte über eine AktienrechtsNotVO befinden sich in R 43 I /1082 .

Für den Inhalt einer Notverordnung kämen vor allen Dingen in Frage die Vorschriften des Entwurfs über den Geschäftsbericht, die Jahresbilanz, die Bilanzprüfer, der Prüfungsausschuß, die Regreßklage durch eine Minderheit, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Den Hauptteil der Aktienrechtsreform könne man in Gestalt eines gewöhnlichen Gesetzentwurfs alsbald den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten. Vielleicht empfehle es sich, auch nochmal den Inhalt der Notverordnung in diesen Gesetzentwurf aufzunehmen.

Der Reichskanzler führte aus, daß auch er Bedenken dagegen habe, das gesamte Aktienrecht durch eine Notverordnung neu zu regeln. Er fasse den Rat der Parteien des Reichstags auch nicht so auf, daß unter allen Umständen das gesamte Aktienrecht durch Notverordnung zu regeln sei. Für völlig unmöglich halte er es allerdings, den eventuell durch Notverordnung geregelten Teil des Aktienrechts nochmals in einen Gesetzentwurf mitaufzunehmen, der den gesetzgebenden Körperschaften unterbreitet werde.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg führte aus, er könne nicht einsehen, weshalb nicht das gesamte Problem des Aktienrechts durch eine Notverordnung geregelt werden solle. Im September oder Oktober würden wahrscheinlich der Favag3- und der „Nordwolle“-Prozeß stattfinden. Diese Prozesse würden eine weitere Verschärfung des Mißtrauens in die kapitalistische Wirtschaftsform zur Folge haben. Es werde deshalb sehr gut sein, wenn vorher eine Neuregelung des gesamten Problems des Aktienrechts erfolgt sein werde.

3

S. dazu Dok. Nr. 319, Anm. 8.

Auf jeden Fall solle man davon absehen, einen Gesetzentwurf über die Aktienrechtsreform den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten, nachdem vorher einige Punkte durch eine Notverordnung geregelt worden seien. Der Reichstag werde doch nicht dazu kommen, den Entwurf zu verabschieden.

Der Reichsverkehrsminister stimmte Staatssekretär Joël darin zu, daß eine Teilreform des Aktienrechts durch Notverordnung einer Gesamtreform durch Notverordnung vorzuziehen sei.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, er halte es für das beste, eine Gesamtreform des Aktienrechts durch Notverordnung vorzunehmen.

Das Reichskabinett beschloß, daß die zuständigen Ressorts, nämlich das Reichsjustizministerium, das Reichsfinanzministerium und das Reichswirtschaftsministerium[1664] sowie das Preußische Ministerium für Handel und Gewerbe den Inhalt einer Verordnung auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung über Aktienrechtsreform feststellen sollen, wobei davon auszugehen ist, daß nicht sämtliche Probleme des Aktienrechts durch Notverordnung zu regeln sind. Der Kreis der durch Notverordnung zu regelnden Fragen soll jedoch nicht zu eng begrenzt werden.

Gleichzeitig ist von den genannten Ressorts der Inhalt eines Gesetzentwurfs über Aktienrechtsreform festzustellen, der demnächst veröffentlicht werden soll.

Das Reichskabinett wird über die Notverordnung und den Gesetzentwurf, betreffend Aktienrechtsreform, noch in dieser Woche (ab 7. September) Beschluß fassen4.

4

S. Dok. Nr. 469, P. 1.

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