1.34.5 (bru2p): 5. Fortsetzung der agrarpolitischen Aussprache.

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5. Fortsetzung der agrarpolitischen Aussprache.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft gab bekannt, daß sich die Ressorts über den beiliegenden Beschluß geeinigt haben9. Die Besprechungen über die technischen Einzelheiten der Weizen- und Roggen-Einfuhr sollen in etwa zehn Tagen abgeschlossen sein. Er wies dann auf die Notwendigkeit hin, den Brotpreis festzuhalten. Die Schwierigkeiten, die sich für die Bewertung des Ernährungsindex daraus ergeben, daß der Index für industrielle Fertigwaren wegen weitgehender Rabattierung in Einzelfällen nicht ausreichend zutreffen dürfte, sollen unter Beteiligung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft am Freitag, dem 1. Mai, im Reichswirtschaftsministerium besprochen werden. Der Besprechung werden Richtlinien zu Grunde gelegt, über die eine Einigung zwischen den beteiligten Ressorts erzielt ist. Die Aufrechterhaltung des Brotpreises solle dadurch sichergestellt werden, daß ausreichende Mengen Getreide eingeführt und der Mehlpreis damit entsprechend manipuliert wird. Das geltende Brotgesetz müsse gelockert werden. Der Entwurf einer Verordnung zur Abänderung des Brotgesetzes wurde verteilt10.

9

Die Ressorts hatten sich über die Einfuhr von Weizen und Roggen zu einem zollbegünstigten Satz zur Stützung eines möglichst stabilen Getreidepreises geeinigt. Die Einfuhrmenge sollte nicht öffentlich festgelegt werden, der ermäßigte Zollsatz sollte erstmalig für einen Monat gelten (R 43 I /1449 , Bl. 206). Vgl. auch Dok. Nr. 288.

10

In diesem NotVOEntw. wurden der Zusatz von Kartoffelstärkemehl zu Backwaren auf 15% heraufgesetzt und Bestimmungen über die Kennzeichnung des Roggenbrots erlassen (R 43 I /1449 , Bl. 207–208).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erläuterte seine Bestimmungen.

Staatssekretäre JoëlJoël und ZweigertZweigert bejahten die Frage, ob die Verordnung auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung erlassen werden könnte.

[1037] Der Reichsarbeitsminister wies auf die Beunruhigung hin, die durch die Erhöhung des Brotpreises entstanden sei. Weitgehende agrarpolitische Maßnahmen würden auch deswegen stärksten Widerstand finden.

Zur Frage der Aufhebung des Innungszwanges, die vom Reichspostminister angeregt wurde, führte Ministerialdirektor ErnstErnst vom Preußischen Handelsministerium aus: diese Maßnahme würde beim Handwerk den schärfsten Widerstand auslösen. Auch 1925 sei die Preissenkungsaktion gescheitert, weil sie die Innungen frontal angegriffen habe11. Der soziale Zusammenhalt des Mittelstandes trage zur Stabilisierung hoher Preise bei.

11

Vgl. dazu diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 294.

Der Reichskanzler erklärte, daß die Entscheidung über den Butterzoll zurückgestellt werde12. Er werde sich mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft über den Zeitpunkt verständigen, wann ein Beschluß hierüber zu fassen sei. Die anderen agrarpolitischen Fragen sollten entschieden, die Entscheidung aber nicht veröffentlicht werden.

12

Vgl. Dok. Nr. 284, Anm. 7.

Durch eine grobe Indiskretion sei über die letzte Kabinettssitzung ein eingehender stenographischer Bericht in die Öffentlichkeit gelangt. Dagegen müsse mit äußerster Entschiedenheit Stellung genommen werden.

Das Kabinett faßte folgende Beschlüsse:

Wegen des Gänsezolles bleibt es bei der bereits getroffenen Entscheidung des Kabinetts13.

13

S. Dok. Nr. 277, Anm. 12 und Dok. Nr. 279, Anm. 5.

Zum Haferzoll14 gab der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft nähere Begründung. Es lägen dringende Auslandsangebote zu billigen Preisen vor.

14

Vgl. Dok. Nr. 279, Anm. 5. Am 30.4.31 übersandte Fritz Baade von der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen dem RK eine Untersuchung über den Hafermarkt. Die Untersuchung kam zu dem Schluß, daß der Haferpreis großen Schwankungen ausgesetzt sei; Dtld.habe meist einen erheblichen Ausfuhrüberschuß an Hafer und erziele deshalb geringere Preise für seine Ausfuhr als es im Fall der Hafereinfuhr zahlen müsse. Der dt. Exportüberschuß habe 1929/30 663 000 t bei einem Welthandelsvolumen von nur 1,2 Mio t betragen. Die Unterbringung so großer Exportmengen sei nur mit Hilfe des Einfuhrscheinsystems möglich gewesen. Trotz der Erhöhung des Einfuhrscheinwerts von 60 auf 90 RM pro t habe sich keine preiserhöhende Wirkung auf dem Inlandsmarkt gezeigt. Während der jetzige Haferinlandspreis von 128 RM als katastrophal niedrig angesehen werde, sei derselbe Hafer auf dem Weltmarkt nur mit ca. 70 RM unterzubringen. Daher empfehle es sich, den Hafer nur noch in Ausnahmefällen als Verkaufserzeugnis zu betrachten, weil bei der geringen Absatzmöglichkeit kaum befriedigende Preise erzielt werden könnten (Schreiben Baades vom 30. 4. und Vermerk des RegR Krebs vom 21.5.31 in R 43 I /2547 , Bl. 149–150).

Der Reichsarbeitsminister sprach sich gegen die Erhöhung aus. Er wies darauf hin, daß sie die Haferfabrikate und damit wichtige Volksernährungsmittel verteuern würde.

Das Kabinett beschloß mit Mehrheit die Heraufsetzung des Haferzolles von 12 auf 16 RM.

Auch der Heraufsetzung der Zölle für Erbsen, Bohnen und Linsen widersprach der Reichsarbeitsminister. Bei den hohen Getreidezöllen und dem Wegfall des Gefrierfleischkontingents würden die Verbraucher durch Zollerhöhungen[1038] dieser Art verprellt, ohne daß der Landwirtschaft ein wesentlicher Nutzen erwüchse.

Das Kabinett beschloß mit Mehrheit, die Zölle für Speiseerbsen von 15 auf 20 RM, für Bohnen von 4 auf 8, für Linsen gereinigt von 4 auf 8 RM, nicht gereinigt von 4 auf 6 RM zu erhöhen.

Nach eingehender Aussprache über den Schweinezoll, in der sich der Reichsminister des Auswärtigen und der Reichsarbeitsminister gegen die Erhöhung vor den Genfer Verhandlungen aussprachen, wurde die Entscheidung ausgesetzt. Die Frage einer Erhöhung des Schweinezolls soll in einer Chefbesprechung geklärt werden, an der der Reichsminister des Auswärtigen, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Reichsarbeitsminister teilnehmen sollen15. Wenn dabei keine Einigung erzielt wird, wird die Entscheidung vom Kabinett getroffen werden.

15

Mit der VO über Zolländerungen vom 30.4.31 wurde der Schweinezoll bis zum 31.10.31 von 27 auf 40 RM erhöht (RGBl. 1931 I, S. 139 ).

Das Kabinett war damit einverstanden, daß die Relation zwischen den Zöllen für Vieh und Fleisch wie bisher aufrechterhalten bleibt.

Wegen der Inkraftsetzung des Beschlusses auf Beseitigung der Zwischenzölle für Speck und Schmalz sollen die Erörterungen über die Preisspanne abgewartet werden, die am 29. April 1931 stattfinden werden16.

16

S. Dok. Nr. 288.

Ministerialdirektor ErnstErnst brachte für das Reichsfinanzministerium noch einige Anträge auf Änderungen zolltechnischer Bestimmungen vor.

Das Kabinett stimmte ihnen zu.

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