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Anlage

R 43 I /1446 , Bl. 353–362

Beschlüsse des Reichskabinetts.

I. Überbrückungskredit und Schuldtilgungsgesetz.

1.

Ersuchen an den Reichsbankpräsidenten wegen Beschaffung eines Auslandskredits von 100–125 [Mio.] Dollar.

2.

Verabschiedung eines Schuldentilgungsgesetzes, nach dem in die Haushaltspläne 1931, 1932 und 1933 je 420 Millionen zur außerordentlichen Schuldentilgung eingesetzt werden. Der Zinsendienst soll im Etat gesichert sein.

II. Kürzung der Beamtenbezüge.

1.

Die Gehaltsbezüge des Reichspräsidenten, des Reichskanzlers sowie der Reichsminister und damit gleichzeitig die Diäten der Abgeordneten werden um 20% gekürzt.

[471] 2.

Die Dienstbezüge der Reichsbeamten sowie die Versorgungsbezüge der Wartegeldempfänger und Ruhegeldempfänger werden um 6% gekürzt.

3.

Die Kürzung tritt mit Wirkung vom 1. April 1931 für die Dauer von 3 Jahren ein. Mit dem gleichen Zeitpunkt fällt die Reichshilfe fort.

4.

Von der Kürzung ausgenommen sind die Kinderzulagen.

5.

Personen, deren kürzungspflichtigen Bezüge 1500 RM jährlich nicht übersteigen, sind von der Kürzung befreit.

6.

Bei der Reichsbahn und der Reichsbank kommen entsprechende Kürzungen in Betracht.

7.

Die Bezüge der Beamten und Abgeordneten in Ländern und Gemeinden werden wie beim Reich gekürzt. Es soll ein Gesetz über die Einschränkung des Personalaufwandes in der öffentlichen Verwaltung verabschiedet werden.

III. Tabaksteuer.

Erhöhung der Tabaksteuer unter Schonung der deutschen Erzeugung und mit dem Ziele, daß im Anlaufjahr 167 Millionen RM Mehreinnahmen eintreten.

IV. Reichshaushalt.

1.

Der Reichshaushalt 1931 muß ausgeglichen sein.

Dies ist zu erreichen:

a)durch Abstriche bei den Sachausgaben um rund weitere 160 Millionen im Verhältnis zum Etat 1930; die Gesamtabstriche betragen mithin 300 Millionen RM;

b)durch Abstriche bei den Personalausgaben (vgl. II Kürzung der Beamtengehälter: Ertrag beim Reich 55 Millionen und bei Post 65 Millionen RM, also zusammen 120 Millionen RM. Hierzu treten noch 95 Millionen RM (s. Buchst. c). Die Kürzungen der Gehälter der Reichsbahnbeamten beläuft sich auf 90 Millionen RM, die der Bahn verbleiben. Die bei der Reichspost durch die Kürzung der Personalausgaben sich ergebenden Ersparnisse kommen den Reichshaushalt in Form höherer Ablieferungen der Post zugute;

c)durch Kürzung der Länderüberweisungen um 95 Millionen aus der Gehaltskürzung. Dieser Betrag errechnet sich aus folgender Aufstellung: Die Gehaltskürzungen in den Ländern und Gemeinden betragen 285 Millionen RM. Davon soll ⅓, d. h. 95 Millionen RM, dem Reich zufließen. Mithin verbleiben den Ländern und Gemeinden noch 190 Millionen.

d)aus der Erhöhung der Tabaksteuer: 167 Millionen RM;

e)durch Beibehaltung des 5%igen Zuschlags zur Einkommensteuer (50 Millionen) und der Ledigensteuer;

f)durch Deckung von 81 Millionen RM, indem dem Anleihetilgungsfonds Reichsbahnvorzugsaktien überwiesen werden.

[472] 2. Einbringung eines Gesetzes zur Sicherung der Haushaltspläne des Reichs und der Länder gegen weiteres Anwachsen. Durch dieses Gesetz soll ein Gesamtplafond auf der Grundlage des Etats 1931 in Reich, Ländern und Gemeinden errichtet werden.

V. Vereinfachung des Steuersystems.

1.

Erlaß eines Steuervereinfachungsgesetzes.

Dieses Gesetz soll folgende Einzelgesetze umfassen:

a)

Für landwirtschaftliche Betriebe werden Einkommensteuer, Vermögenssteuer sowie die Grundsteuer der Länder und Gemeinden durch eine landwirtschaftliche Einheitssteuer nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes über eine landwirtschaftliche Einheitssteuer ersetzt. Bis zu 8000 RM Einkommen aus dem landwirtschaftlichen Betriebe werden die Steuern durch einen Pauschalbetrag (Einheitssteuer) abgegolten.

b)

Für kleine Gewerbetreibende und Handwerker werden die Einkommensteuern sowie die Gewerbesteuern der Länder und Gemeinden durch eine gewerbliche Einheitssteuer nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes über eine gewerbliche Einheitssteuer ersetzt.

c)

Die Realsteuern der Länder und Gemeinden werden nach Maßgabe des dem Reichstag bereits vorliegenden Grundsteuer-Rahmengesetzes und Gewerbesteuer-Rahmengesetzes vereinheitlicht.

d)

Auf dem Gebiete der Einheitsbewertung und Vermögenssteuer werden nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes zur Änderung des Reichsbewertungsgesetzes und des Vermögenssteuergesetzes folgende Maßnahmen getroffen:

aa)

Die Vermögenssteuer-Freigrenze wird auf 20 000 RM erhöht;

bb)

für das landwirtschaftliche Vermögen und für das Grundvermögen wird eine allgemeine Bewertung in Zeitabständen von je 6 Jahren, für das Betriebsvermögen eine solche in Zeitabständen von je 3 Jahren vorgenommen;

cc)

für das landwirtschaftliche Vermögen sowie für das Grundvermögen wird die Zustellung der Einheitswertbescheide durch die Offenlegung der Einheitswerte ersetzt;

dd)

die Neufeststellungen des Vermögens werden durch Erleichterung ihrer Voraussetzungen nur am Schluß eines Jahres vorgenommen;

ee)

die Einheitswerte werden, um umständliche Verrechnungen, insbesondere Vorauszahlungen bei der Vermögenssteuer nach Möglichkeit zu vermeiden, erst vom nächsten Jahre ab der Vermögenssteuer zugrunde gelegt.

e)

Auf dem Gebiete der Umsatzsteuer werden nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes folgende Maßnahmen getroffen:

[73##] aa)

Unternehmungen von einem Gesamtumsatz von nicht mehr als 5000 RM werden von der Umsatzsteuer befreit;

bb)

das Zwischenhandelsprivileg wird auf den Großhandel beschränkt.

2.

Durchführung des dem Reichstag bereits vorliegenden Beamtenübertrittsgesetzes (für die auf Grund des Steuervereinheitlichungsgesetzes freiwerdenden Steuerbeamten der Länder und Gemeinden).

3.

Umbau des Realsteuersystems.

a)

Senkung der Gewerbesteuern um 20 v.H. (Entlastung von 200 Millionen).

b)

Senkung der Grundsteuern bei landwirtschaftlichen Grundstücken um 10 v.H. (Entlastung von 120 Millionen).

c)

Anstelle der Grundsteuer kann bei nicht landwirtschaftlichem Grundbesitz die Hauszinssteuer um 2 v.H. der Friedensmiete gesenkt werden.

d)

Für notleidende Gemeinden soll ein Ausgleichsfonds (80 Millionen) gebildet werden.

Zur Ermöglichung der vorstehend genannten Maßnahmen wird den Ländern und Gemeinden ein Betrag von 400 Millionen aus dem Aufkommen an Hauszinssteuer zur Verfügung gestellt. Es besteht Einverständnis darüber

a)

daß der Ausgleichsfonds, der aus den Mitteln der Hauszinssteuer gebildet wird, zur freien Verfügung der Länder steht. Er kann neben seinem Hauptzweck, nämlich den mit Ausgaben für die Wohlfahrtserwerbslosen überlasteten Gemeinden Erleichterung zu gewähren, auch dazu verwendet werden, den Hausbesitz mit Rücksicht auf die steigenden Aufwertungslasten zu entlasten;

b)

daß die Tiefhaltung der gesamten Realsteuern durch eine Änderung der Notverordnung erreicht werden soll, nach der die Gemeinden zu einer Erhöhung der Bürgersteuer und der Biersteuer bis zur Grenze von 7,5 [RM] für Vollbier jederzeit berechtigt seien, auch soweit die Voraussetzungen zur Pflichteinführung nach der Notverordnung nicht bestehen.

4.

Senkung der Kapitalverkehrssteuern unter Ausschluß der Börsenumsatzsteuer nach Maßgabe einer besonderen Verordnung.

5.

Finanzausgleich.

a)

Weiterbetreibung der Novelle zu § 35 des Finanzausgleichsgesetzes in der vom Reichsrat beschlossenen Fassung.

b)

Der endgültige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden soll unter der Voraussetzung, daß das Steuervereinheitlichungsgesetz alsbald verabschiedet wird, zum 1. April 1932 in Kraft treten.

c)

Das Aufkommen an Bier- und Branntweinsteuer soll den Ländern und Gemeinden überlassen werden. Dafür soll eine verstärkte Beteiligung des Reichs an der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer eintreten.

d)

Die selbständige Verantwortung der Gemeinden für ihre Ausgabenwirtschaft soll gesteigert werden. Zu diesem Zweck wird zwar der Höchstsatz für die Einkommensteuer auch künftig durch das Reich bestimmt. Das Reich erhebt jedoch für sich und die Länder nur einen [474] bestimmten Teil der Steuer. Im übrigen bekommen die Gemeinden bis zur Höchstgrenze das freie Zuschlagsrecht. Bevor jedoch die Gemeinden einen bestimmten Zuschlagssatz überschreiten, müssen sie eine allgemeine Belastung ihrer Bürger nach Maßgabe eines besonderen Reichsgesetzes vornehmen.

VI. Verhältnis Reich – Länder.

1.

Anpassung des Haushaltsrechts der Länder und Gemeinden an die Grundsätze des Reichs.

2.

Einflußnahme des Reichs auf die Finanzgebarung der Länder und Gemeinden:

a)

Hinsichtlich der Länder soll im Wege der Vereinbarungen eine Beteiligung des Reichs bei der Aufstellung des Etats erzielt werden.

b)

Hinsichtlich der Gemeinden und Gemeindeverbände soll die Einflußnahme des Reichs dadurch sichergestellt werden, daß ihnen eine Frist zum Anschluß an die Deutsche Revisions- und kommunale Treuhand-Gesellschaft gestellt wird. Nötigenfalls soll nach Anlauf der Frist (1.4.1931) im Wege der Gesetzgebung vorgegangen werden.

3.

Die Bestrebungen auf eine Verminderung der lokalen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden in den Ländern und auf eine Anpassung ihrer Bezirke an die modernen Verkehrsverhältnisse sollen mit Nachdruck gemeinsam mit den Ländern betrieben werden.

4.

Ein Gesetz über Ersparnismaßnahmen auf dem Gebiete der Rechtspflege wird vorbereitet.

VII. Arbeitslosenversicherung.

1.

Finanzierung des Bedarfs.

a)

Erhöhung der Beiträge von 4½% auf 6½% ab 6. Oktober 193011.

b)

Weitere Belastung des Haushaltsplans 1930 mit 200 Millionen RM.

2.

Finanzierung der Krisenfürsorge durch weitere Belastung des Reichshaushalts 1930 mit 100 Millionen RM.

3.

Reform der Krisenfürsorge durch Erlaß einer besonderen Verordnung des Reichsarbeitsministers. Diese Verordnung bestimmt:

a)

Ausscheidung der Kurzanwärter aus der Krifu [Krisenfürsorge];

b)

verstärkte Bedürftigkeitsprüfung;

c)

Kürzung der Unterstützungssätze durch Anpassung an die Sätze der Wohlfahrtsfürsorge.

4.

Versuch, zunächst in den Ostgebieten Arbeitslose zu Pflichtarbeiten in den Gemeinden heranzuziehen.

11

VO vom 30.9.30, RGBl. I, S. 458 .

VIII. Arbeitsbeschaffung.

1.

Wohnungsbauprogramm. Für den Wohnungsbau werden zur Verfügung gestellt:

a)

[475] 400 Millionen RM aus dem Aufkommen der Hauszinssteuer,

b)

400 Millionen RM aus Privatanleihemitteln, deren Aufbringung das Reich sicherstellt.

Gebaut werden sollen mit den 400 Millionen Hauszinssteuermitteln 165 000 Wohnungen mit Hauszinssteuerhypotheken von je 2500 RM je Wohnung und Zinsverbilligung für die I B Hypothek. Ferner 50 000 Wohnungen aus dem sichergestellten privaten Baukapital von 400 Millionen RM.

2.

Verstärkte Berücksichtigung der Meliorationen und der ländlichen Siedlung.

3.

Der Mittellandkanal und der Dortmund-Ems-Kanal werden weitergebaut.

IX. Neuregelung der Wohnungswirtschaft.

Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des Wohnungsmangelgesetzes und des Reichsmietengesetzes. Der Entwurf bestimmt:

a)

das Wohnungsmangelgesetz12 tritt am 1.4.1934 außer Kraft;

b)

das Reichsmietengesetz13 und das Mietenschutzgesetz14 treten zum 1. April 1936 außer Kraft.

Voraussetzung ist, daß bis dahin ein soziales Mietrecht durch eine Novelle zum BGB geschaffen ist.

12

Wohnungsmangelgesetz vom 11.4.20, RGBl., S. 949 .

13

Reichsmietengesetz vom 24.3.22, RGBl., S. 273 .

14

Mieterschutzgesetz vom 1.6.30, RGBl. I, S. 353 .

X. Fortführung und Ausbau der Agrargesetzgebung.

1.

Das Osthilfegesetz soll in vollem Umfange in dem ursprünglich vorgesehenen Rahmen durchgeführt werden.

2.

Die Standardisierung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wird gesetzlich geregelt.

3.

Im übrigen sollen weitere Gesetze vorbereitet werden, die den deutschen landwirtschaftlichen Erzeugnissen in verstärktem Maße den Absatz sichern sollen.

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