1.202.4 (bru2p): 4. Stillhalte-Vereinbarung.

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4. Stillhalte-Vereinbarung.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther erläuterte das den Herren Reichsministern vorliegende Protokoll über die Stillhalte-Verhandlungen in Basel8.

Im wesentlichen führte er folgendes aus. Der im Wiggin-Ausschuß unterzeichnete Layton-Bericht gehe von der Voraussetzung aus, daß die Stillhaltevereinbarung zustande gekommen sei. In Wirklichkeit sei das Stillhalte-Agreement noch nicht in Kraft. Es bedürfe noch der Zustimmung der beteiligten Bankiergruppen. Die Zustimmung des Deutschen Bankier-Komitees sei erfolgt. Hervorheben wolle er noch besonders, daß die deutschen Vertreter in einem besonderen Protokoll zur Stillhalte-Konferenz dem Herrn Vorsitzenden Wiggin eine Erklärung mit dem aus der Anlage 2)9 ersichtlichen Inhalt abgegeben haben (vergl. auch Auszug aus dem Bericht des Herrn Schlieper, betr. die Baseler Stillhalte-Konferenz10). Ferner müsse auch das Reichsbankdirektorium[1610] der Stillhalte-Vereinbarung zustimmen. Diese Zustimmung müsse er aber abhängig machen von der Streichung der Rediskont-Klausel. Er glaube zwar nicht, daß die Verlängerung des Rediskont-Kredits durch die Notenbanken nach Ablauf der jetzigen Laufzeit11 praktische Schwierigkeiten machen werde, immerhin wünsche er aber, schon jetzt absolute Klarheit über diesen Punkt zu haben. Er beabsichtige daher, dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Wiggin, zu schreiben, daß die Reichsbank ihre Zustimmung von der Streichung der Rediskont-Klausel abhängig mache12. Bevor er aber einen derartigen Brief an Herrn Wiggin abgehen lasse, müsse er ferner Sicherheit darüber haben, daß auch die Reichsregierung die Stillhalte-Vereinbarung grundsätzlich billige. Theoretisch sei eine derartige Zustimmung der Reichsregierung allerdings nicht erforderlich. Praktisch sei diese Zustimmung jedoch sehr wesentlich, da die Reichsregierung aus dem Abkommen gewisse Folgerungen zu ziehen haben werde zur Ermöglichung der Durchführung der Vereinbarungen. Sie müsse nämlich eine Verordnung erlassen, durch die die Durchführung gewisser Punkte des Abkommens sichergestellt werde. Diese Verordnung müsse der Reichsregierung möglichst weitgehende Ermächtigungen einräumen. Die Einzelheiten des Abkommens seien so kompliziert, daß man jetzt noch gar nicht alle Punkte, die geregelt werden müßten, übersehen könne, insbesondere müsse sichergestellt werden, daß die Golddiskont-Bank die ihr auferlegten Verpflichtungen übernehme, und daß für diese Verpflichtungen der Golddiskont-Bank das auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 8.7.1931 gebildete Garantie-Syndikat13 die Haftung übernehme. Ferner müsse Vorsorge dafür getroffen werden, daß die Übernahme dieser Haftung unabhängig von der vorgenannten Verordnung vom 8. Juli 1931 eintritt. Schließlich sei auch vorzusehen, daß im internen Verhältnis eine von Ziffer 5 des Baseler Protokolls14 abweichende Verteilung der Risiken erfolge. Der Garantieverband habe nämlich mit Recht geltend gemacht, daß in materieller Hinsicht die in Ziffer 5 des Baseler Protokolls vorgesehene Belastung über die Art der Risiken hinausgehe, die bei der Erklärung der Bereitwilligkeit der Wirtschaft zur Übernahme der Garantie im Vordergrund der Erörterung gestanden habe. Daher müsse im Innenverhältnis das Risiko auf eine breitere Basis verteilt werden.

Das Reichskabinett nahm von diesen Ausführungen des Reichsbankpräsidenten Kenntnis.

Auf Grund der anschließenden Aussprache stellte der Reichskanzler die grundsätzliche Zustimmung des Reichskabinetts zum Protokoll über die Stillhalteverhandlungen[1611] in Basel fest. Die zur Durchführung der Stillhaltevereinbarung erforderliche Verordnung der Reichsregierung soll durch die zuständigen Ressorts vorbereitet werden15. Der Gläubigerseite gegenüber soll auf die von den deutschen Vertretern bei der Unterzeichnung des Protokolls über die Stillhalteverhandlungen mündlich erklärten Vorbehalte (vergl. Anl. 2)16 nochmals besonders hingewiesen werden.

Fußnoten

8

Der Text des Protokolls befindet sich in R 43 I /316 , Bl. 110–119; vgl. auch Schultheß 1931, S. 508–509.

9

S. Dok. Nr. 448, Anm. 4.

10

Anläßlich der Diskussion über den § 18 der Stillhalte-Vereinbarung (s. u.) hatte Schlieper Wiggin gegenüber folgende Erklärung abgegeben: „Nach wie vor hätte die deutsche Delegation große Zweifel, ob die Anschauung des Wiggin-Komitees in bezug auf die Folgen einer Regelung der Reichsmarkfrage in dem jetzt besprochenen Sinne, eine Anschauung, welche soviel günstiger sei als unsere eigene, die richtige wäre. Andererseits wollten wir nicht unterschätzen, daß die Mitglieder des Wiggin-Komitees die Situation der deutschen Währung genau so kennen, wie wir selbst. Die Mitglieder des Wiggin-Komitees und Herr Wiggin selbst seien selbstverständlich hervorragende Sachverständige und, wie mehrfach zum Ausdruck gekommen sei, Freunde, die Deutschland helfen wollen. Wenn wir uns also trotz aller Bedenken entschließen wollten, die Proposals mit dem § 18 dem deutschen Komitee zur Annahme zu empfehlen, so sei für uns und für mich persönlich das nur deshalb möglich, weil Herr Wiggin und sein Komitee uns erklärt haben, ‚that they consider the proposition just and that they support it’, denn es sei klar, daß das Komitee damit unsere Verantwortung teile (wogegen niemand etwas sagte)“ (Abschrift in R 43 I /315 , Bl. 402). § 18 der Stillhalte-Vereinbarung bestimmte u. a. über die Reichsmarkguthaben ausländischer Gläubiger, daß 25% des Guthabens jedes Gläubigers an dem Datum freizugeben sei, an welchem der ausländische Bankgläubiger dem betreffenden Schuldner seine Zustimmung zu diesem Abkommen bekanntgebe. Anschließend hieran seien jeden Monat 15% seines ursprünglichen Guthabens freizugeben. Wenn die Rbk der BIZ unter Angabe von Gründen darlege, daß die Zahlung von Reichsmarkguthaben ihre Lage gefährden würde, so würden die ausländischen Gläubiger der Aufschiebung dieser Zahlungen für einen Monat zustimmen. Nach Ablauf dieses Monats könne die Zahlung für je einen weiteren Monat, jedoch nicht über die Dauer dieser Abmachung hinaus, hinausgeschoben werden, solange die Rbk weiterhin der BIZ gegenüber geltend mache, daß die Lage noch die gleiche sei (R 43 I /316 , Bl. 117–118). Zu den dt. Gegenvorschlägen s. Dok. Nr. 448.

11

Es handelt sich um den der Rbk am 25.6.31 zur Verfügung gestellten Rediskontkredit von 100 Mio (Dok. Nr. 361, Anm. 3), der am 13.7.31 um drei Monate verlängert worden war (Dok. Nr. 382, Anm. 1).

12

S. Dok. Nr. 465, P. 3.

13

RGBl. 1931 I, S. 351 .

14

Gemäß P. 5 der Stillhalte-Vereinbarung verpflichtete sich die Golddiskontbank, während der Dauer des Abkommens jederzeit Akzepte oder andere Formen der Verschuldungen auf Wunsch der ausländischen Bankgläubiger zu übernehmen oder zu garantieren. Die Golddiskontbank hatte jedoch das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach Stellung des Antrages die Übernahme oder Garantie irgendwelcher Verpflichtungen eines dt. Kreditnehmers zu verweigern, wenn dieser an dem Tage, an welchem eine solche Weigerung ausgesprochen wurde, als zahlungsunfähig oder bankrott erklärt worden war (R 43 I /316 , Bl. 114).

15

S. Dok. Nr. 465, P. 3.

16

S. Dok. Nr. 448, Anm. 4.

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