1.14 (vpa2p): Nr. 143 Vermerk des Ministerialrats Feßler über einen Empfang von Vertretern der deutschnationalen Landwirte am 16. September 1932 beim Reichskanzler

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Nr. 143
Vermerk des Ministerialrats Feßler über einen Empfang von Vertretern der deutschnationalen Landwirte am 16. September 1932 beim Reichskanzler1

1

Der Vermerk ist datiert vom 21. 9.32.

R 43 I /1275 , Bl. 129–130

[Maßnahmen zur Förderung der deutschen Landwirtschaft]

[588] Der Reichskanzler empfing am 16. d. Mts. Vertreter der deutschnationalen Landwirte in Gegenwart des Ministerialrats Dr. Feßler. Es waren erschienen die Herren von Bismarck, von Arnim, Agena, Haag und Abicht.

Unter Schilderung der Lage in Thüringen, Nordwestdeutschland, im Osten und Württemberg baten sie um Herabsetzung der Zinsen, Erlaß der Umsatzsteuer für die kleinbäuerlichen Betriebe, schärfste Kontingentierungen der landwirtschaftlichen Produkte, insbesondere auch von Butter und Käse, Einführung der Margarinesteuer, Aufhebung der Zuckersteuer, Zölle für Margarinerohstoffe, Vollstreckungsschutz, Klarstellung der Absichten über die Aufhebung des Sicherungsschutzes im Osten, baldigen Erlaß der Richtlinien für die Umschuldung der Pächter, die bereits seit längerer Zeit in Arbeit wären, Kredite zur Sicherung der Siedlungsmaßnahmen, allerdings erst, nachdem die Rentabilität der Landwirtschaft wiederhergestellt sei.

Der Reichskanzler führte hierzu folgendes aus: Sobald es die Lage der Reichsfinanzen gestatten würde, würde die Reichsregierung die bäuerlichen Umsätze unter 5000 RM wieder von der Umsatzsteuer freilassen2. Für den Absatz der Veredlungsprodukte sei die Konsumkraft der Bevölkerung entscheidend; die Vieheinfuhr sei verschwindend gering. Über das Butterkontingent, das auf 55 000 Tonnen bemessen werden sollte gegen eine Gesamteinfuhr von bisher 140 000 Tonnen im Jahre, seien Verhandlungen im Gange3. Führten sie zu keinem Ergebnis, so würde die Regierung das Kontingent autonom festsetzen, obgleich die Handelsverträge hierzu keine rechtlichen Handhabe böten. Gegenmaßnahmen der anderen Länder seien allerdings bereits angekündigt.

2

Die auf Grund der NotVO vom 1.12.30 (RGBl. I, S. 517 , 531, 581) mit Wirkung vom 1.7.31 eingeführte Umsatzsteuerbefreiung aller Unternehmen mit einem Umsatz von jährlich weniger als 5000 RM war duch die NotVO vom 14.6.32 (RGBl. I, S. 273 , 282) aufgehoben worden. Bestimmungen über eine diesbez. Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft wurden während der Amtszeit der Papen-Regierung nicht erlassen.

3

Vgl. dazu Dok. Nr. 95, P. 1.

Die Verelendung der Massen stehe der Einführung einer Margarinesteuer entgegen. Es werde aber erwogen, ob nicht die Verwendung inländischer Fette zu Margarine angeordnet werden soll4.

4

Zur diesbez. Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 107, P. 6, dort auch Anm 29 und 30.

Der Vollstreckungsschutz werde ausgedehnt werden müssen. Es sei unerträglich, wenn Ende September Landbesitz in großem Maße zur Versteigerung käme5.

5

Zur Neuregelung des Vollstreckungsschutzes s. Dok. Nr. 154, P. 2.

Die Praxis der Industrieobligationenbank sei nicht im Sinne der Reichsregierung, sie sei zu langsam, im Übermaße ängstlich. Es werde erwogen, ob die Gelder nicht durch den Staat verwaltet werden sollten. Er werde dafür eintreten, daß die Richtlinien für die Umschuldung der Pächter bald veröffentlicht werden6. Auch er halte Siedlung nur für möglich, wenn die Rentabilität gesichert sei, Land stände im Überfluß zur Verfügung, nicht aber Kapital.

6

Dazu vgl. die Mitteilungen des REM in seiner Münchener Rede vom 26. 9. (Dok. Nr. 156).

Dem Weinbau solle dadurch geholfen werden, daß die Winzerkredite in einen Unterstützungsfonds flössen. Wesentlich für den Konsum sei aber die Stärkung der Kaufkraft.

[589] Es sei beabsichtigt, Gemeindearbeiten mit einer weiteren Milliarde zu finanzieren, dann würden die Gelder, die bisher zurückgehalten seien, zum Vorschein kommen.

Die hohen Zinsen seien für die Landwirtschaft unerträglich, aber sie könnten nicht zwangsweise gesenkt werden. Die Absicht, die Deflation zu beenden, würde dadurch durchkreuzt und das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Geldnehmer untergraben. Der Wert der Anlagepapiere würde gedrückt. Die deutschen Kommunen könnten nicht umgeschuldet werden.

Der Reichsbankdiskont würde gesenkt7, nötigenfalls autonom. Dadurch würden die Zinsen für alle Personalkredite herabgedrückt. Bei den langfristigen Krediten würde für die Wirtschaft eine Sonderaktion eingeleitet und für eine Übergangszeit der Zins geregelt werden8.

7

Zur Senkung des Reichsbankdiskonts (von 5 auf 4%) s. Dok. Nr. 107, dort bes. Anm 5.

8

Zur Durchführung s. Dok. Nr. 154, P. 1.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft werde zur Frage der Kontingentierung und Zinsverbilligung am 26. d. Mts. öffentlich eindeutige Erklärungen abgeben9. Vor allem sei erforderlich, daß der Wirtschaftsplan durchgeführt werde. Der Exportüberschuß stelle sich tatsächlich als ein Zuschuß zu den Löhnen dar und sei für die Aufrechterhaltung der Golddeckung notwendig. Das Bestreben der Regierung gehe dahin, vor allen Dingen die Landwirtschaft rentabel zu gestalten, denn diese sei nach der Auffassung der Reichsregierung die Grundlage des Staats- und Wirtschaftslebens. Der Herr Reichskanzler bat um Verständnis für die Arbeit der Reichsregierung.

9

Dok. Nr. 154.

F[eßler]

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