Brisantes Material in rotem Kunstleder
Der Inhalt erschien den durchsuchenden Staatsanwälten brisant. So ist den Gerichtsakten zu entnehmen, dass es Honeckers mangelnde Vorsicht war, die zum Auffliegen einer tschechischen Kundschafterin und schließlich seiner gesamten Widerstandsgruppe geführt hatte. Die Akten belegen auch, dass Honecker wohl umfassend ausgesagt und dadurch seine mitgefangenen Genossen belastet hatte. Die MfS-interne Analyse der Akten stellt fest, das Honecker "ziemlich ausführliche Angaben" gemacht habe.
Diese Information stand dem öffentlichen Bild Honeckers als geradezu mustergültigem kommunistischem Widerstandskämpfer entgegen. Auch angesichts der harschen Haftbedingungen und der Verhörmethoden der Gestapo wurde von einem solchen erwartet, eisern zu schweigen.
Außerdem enthalten die Akten für Honecker unbequeme Formulierungen, etwa aus zwei Gnadengesuchen, die Honeckers Vater 1939 und 1942 für seinen Sohn gestellt hatte. Darin schreibt der Vater, dass Honecker dem Kommunismus abschwöre. Er sehe "seine Jugendideale im jetzigen Staat verwirklicht" und sei auch bereit, für den NS-Staat zu kämpfen.
Darüber hinaus fanden sich im Koffer private, geradezu zänkische Beschwerdebriefe von Honeckers späterer Ehefrau Margot Feist und seiner ersten Ehefrau Edith Baumann an Walter Ulbricht. Darin versuchen die beiden Frauen, einander bei Ulbricht anzuschwärzen und so die jeweilige Konkurrentin kalt zu stellen. Eine Nachforschung der Stasi über Umbaukosten für einen privaten Bungalow runden den Inhalt des Koffers ab. Der Umbau war aus staatlichen Mitteln finanziert worden, das Haus gehörte pikanterweise einer Liebschaft Honeckers.
Wäre all das bekannt geworden, hätte dies Honeckers Karriere und seinem öffentlichen Bild in der DDR stark geschadet. Die Staatsanwälte vermuteten deshalb 1989, dass Mielke das Material zusammengestellt hatte, um Honecker unter Druck setzen zu können, sollte dies nötig werden. Der Schluss lag nahe: das Zusammenstellen von belastendem Material für Erpressungen, so genanntem "KompromatKompromatKenntnisse und/oder Belege für ein juristisches oder ethisches Fehlverhalten eines Bürgers, das dem...", gehörte zum Handwerkszeug der Stasi.