1.27.3 (bru3p): 3. Ausschüsse des Wirtschaftsbeirats.

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3. Ausschüsse des Wirtschaftsbeirats.

Staatssekretär Dr. Pünder berichtete, daß der Reichsbankkommissar dem Reichskanzler wegen des Direktors Reinhart ein Gutachten unterbreitet habe. Danach treffe diesen kein Verschulden9. Es werde vorgeschlagen, ihn nunmehr wieder zu den Arbeiten des Wirtschaftsbeirats heranzuziehen.

Auch Dr. Solmssen sei als Vertreter des Bank- und Bankier-Gewerbes dafür eingetreten. Der Reichskanzler sei dazu bereit.

Im übrigen seien die Gewerkschaftsvertreter mit der Schaffung der beiden Ausschüsse und der Unterverteilung ihrer Plätze einverstanden10.

Zur Frage der Benennung von Sachverständigen, die zu einzelnen Punkten der Beratungen des Wirtschaftsbeirats zugezogen werden sollen11, erklärte der Reichswirtschaftsminister daß Württemberg sich beschwert hätte, weil es keinen Vertreter im Wirtschaftsbeirat und in der deutsch-französischen Kommission habe. Es habe beantragt, wenigstens württembergische Sachverständige zu den Beratungen zuzuziehen und hierfür die Herren Bosch, Foringer (Maschinenbau), Dr. Minde (Textilindustrie) und Scheufelen (Papierindustrie) wahlweise zuzuziehen. Die Hypothekenbanken möchten durch Geheimrat Hartmann, Geheimrat Scheyrer (München) und Geheimrat Giesler, der Mittelstand nicht nur durch Körner, sondern auch durch einen Vertreter des gastronomischen Gewerbes beteiligt werden.

Der Reichsverkehrsminister machte darauf aufmerksam, daß die Verhandlungen durch die Sachverständigenberatungen keinesfalls verzögert werden dürfen. Die Arbeitslosen werden sonst nicht länger ruhig gehalten werden können.

[1918] Es wurde vereinbart, daß unter Führung des Reichswirtschaftsministers und Beteiligung des Reichsministers der Finanzen Besprechungen mit den zuständigen Reichsministern, insbesondere dem Reichsarbeitsminister und dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, der Reichsbahn, der Reichspost, der Reichsbank die Leitsätze für die Verhandlungen aufgestellt würden.

Zur Frage der Zuziehung des Direktors Reinhart zu den Verhandlungen des Wirtschaftsbeirats führte der Reichsbankkommissar folgendes aus: Wenn eine Bank Geschäfte abschließt, die verlustbringend sind, dann ist das Aufsichtsratsmitglied, das davon Kenntnis hat, verpflichtet, dies im Aufsichtsrat zur Sprache zu bringen. Die Geschäfte, um die es sich handelt, seien von vornherein für die Gesellschaft abträglich gewesen. Allgemein sei damals gefordert worden, daß die Banken beim Absinken der Kurse intervenieren sollten. Die „Frankfurter Zeitung“ habe insbesondere zwei Wochen vor den Käufen diese Forderung nachdrücklich gestellt. Der Kurs der Aktien des Schultheiß-Unternehmens seien von 500 auf 300 gesunken und sollten auf dieser Höhe im Interesse der Gesellschaft gehalten werden, zumal die Angliederung einer größeren nordischen Brauerei in Frage stand.

Der Gedanke der Intervention sei überspannt worden, weil neben der einen noch zwei weitere gelaufen seien; bei der Danat-Bank und durch die Nutria. Wer der Inhaber letzterer Firma sei, sei nicht bekannt geworden. Voraussichtlich sei sie eine Tochtergesellschaft von Schultheiß. Die Firma sei den Vertretern der Commerz- und Privatbank nicht bekannt gewesen. Direktor v. Stauss habe nach längerer Rücksprache erklärt, nach seiner Auffassung habe bei Direktor Reinhart nicht böser Wille vorgelegen. Es handele sich um keine illegale Handlung, lediglich um den berechtigten Vorwurf, daß er der Bildung des neuen Konsortiums zugestimmt habe, obwohl er vom alten gewußt habe. Das sei eine Illoyalität nicht gegenüber Schultheiß, sondern gegenüber den Banken gewesen.

Soweit ihm durch den preußischen Börsenkommissar bekannt sei, sei das strafrechtliche Verfahren der Staatsanwaltschaft nicht auf Reinhart ausgedehnt worden. Seine Vernehmung habe nur zur Information stattgefunden. Strafrechtliche Vorwürfe seien gegen ihn nicht erhoben worden. Die Frage werde aber durch Fühlungnahme mit dem zuständigen Staatsanwalt noch zu klären sein.

Der Reichsverkehrsminister wies auf die Äußerung des Bankdirektors v. Stauss hin, Reinhart und Goldschmidt gehörten vor den Staatsanwalt. Der vorgeschlagene Entschluß sei äußerst gefährlich. Das Kabinett würde in die Diskussion hineingezogen.

Der Reichsbankpräsident schlug vor, daß auf beschleunigte Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft hingewirkt werden möchte. Werde dabei von einer Anklage gegen Reinhart abgesehen, so könnte er im Wirtschaftsbeirat mitwirken. Das Kabinett wäre dann entlastet. Auf das Preuß. Justizministerium möchte hingewirkt werden, daß die Entscheidung äußerst beschleunigt wird, schon wegen der Wirkungen auf den öffentlichen Kredit.

Der Reichsminister der Justiz berichtete von den Verhandlungen, die bereits mit dem Preußischen Justizministerium im Sinne schnellsten und rücksichtslosen Vorgehens geführt worden seien und trat im übrigen dem Vorschlage des Reichsbankpräsidenten bei. Der Staatsanwalt müsse bald Anklage erheben. Würde Reinhart dann in die gerichtliche Voruntersuchung verstrickt, so käme seine Mitwirkung[1919] im Wirtschaftsbeirat nicht in Frage. Bis zu dieser Entscheidung müsse die Beschlußfassung ausgesetzt werden. In diesem Sinne soll die Staatsanwaltschaft ersucht werden, sich darüber zu äußern, ob der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt.

Der Reichsminister des Innern und der Reichsbankpräsident traten diesem vorschlage ausdrücklich bei.

Widerspruch wurde nicht geltend gemacht.

Nach kurzer Aussprache über die Einberufung der beiden Ausschüsse und der Vereinbarung über die Aufstellung von Leitsätzen für ihre Verhandlungen wurde noch kurz auf die Notwendigkeit der Senkung der Tarife der öffentlichen Unternehmungen eingegangen.

Staatssekretär Dr. Sautter äußerte dagegen für die Reichspost Bedenken12. Die Frage, inwieweit die Entlastung der Reichsbahn durch das Hooverjahr auch für die Reichspost Bedeutung habe, müsse geklärt werden. Die Reichspost müsse an die Reichsbahn etwa 90 Millionen zahlen.

Der Reichsverkehrsminister nahm gegen diesen Standpunkt Stellung. Die Entwicklung dürfe nicht von den Ressorts aus gesehen werden. Auch mit dem Generaldirektor der Reichsbahn werde er in diesem Sinne deutlich sprechen. Er werde auch darauf hinarbeiten, daß die Zusammensetzung des Verwaltungsrats sich grundsätzlich ändere13.

Er bitte den Reichskanzler, vor den Besprechungen den Betriebsverwaltungen des Reichs mit aller Deutlichkeit klar zu machen, daß sie sich einer allgemeinen Preissenkung auch bei ihren Tarifen entschieden anschließen müßten. Der Ressort-Partikularismus wirke sich kostspielig aus. Der Kampf mit Preußen um die Wasserstraßenverwaltung hindere eine jährliche Ersparnis von 6 Millionen14. Er werde persönlich mit dem Preußischen Ministerpräsidenten dieserhalb Fühlung nehmen.

Der Reichsfinanzminister fürchtete, daß die Kosten des Verfahrens gegen den Ressort-Partikularismus vom Finanzminister getragen werden müßten.

Der Reichsbankpräsident führte aus, die Stellungnahme des Reichspostministeriums zeige, daß die Lage noch nicht verstanden werde. Die Entwicklung, die England durch die Geldentwertung eingeschlagen habe15, müsse in Deutschland durch einen frontalen Angriff gegen alle volkswirtschaftlichen Aufwendungen durchgeführt werden. Auch gegen die Tarife16. Es sei ein unerhört schwieriges Experiment, ähnlich wie die Ausgabe der Rentenmark, aber wohl noch härter als dieses.

Auch der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft nahm dagegen Stellung, daß die einzelnen Ressorts und Verwaltungen vor einem Defizit Furcht hätten. Es werde sich um einen großen Wurf handeln.

Fußnoten

9

Vgl. hierzu Dok. Nr. 523, Anm. 1.

10

Vgl. Dok. Nr. 531, Anm. 9 und 11.

11

Vgl. den Entw. des Schreibens des StS Rkei vom 5.11.31 in R 43 I /1165 , Bl. 250–252.

12

Zur Tarifsenkung der RP siehe Dok. Nr. 588, P. 3 und Dok. Nr. 594, P. 11.

13

Vgl. hierzu Dok. Nr. 614, P. 7 und Dok. Nr. 616, P. 2.

14

Vgl. Dok. Nr. 612, P. 7.

15

Vgl. Dok. Nr. 483, Anm. 1.

16

Zur Senkung der Tarife siehe Dok. Nr. 571, P. 3 und P. 4.

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