1.79.1 (bru3p): Uniformverbot.

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Uniformverbot.

Der Reichskanzler führte aus, daß ein allgemeines Uniformverbot zum Schutz des inneren Friedens geboten sei. Es sei die Frage, ob man außerdem sämtliche Organisationen auflösen solle. Er halte das allerdings für kaum möglich.

Reichsminister Dr. Groener führte aus, daß er gern bereit sei, ein allgemeines Uniformverbot zu erlassen. Bei der Konferenz der Innenminister der Länder hätten mehrere Länder auch ein derartiges Verbot gewünscht1. Bayern habe allerdings bereits ein allgemeines Uniformverbot von sich aus ausgesprochen und habe dem Reich die rechtliche Befugnis zum Erlaß eines derartigen Verbots bestritten2.

1

Vgl. Dok. Nr. 556.

2

MinDirig. Häntzschel im RIMin. übersandte auf Wunsch des RK am 7.12.31 der Rkei eine Übersicht der bestehenden Uniformverbote. Danach bestanden Uniformverbote für sämtliche politische Organisationen in Bayern (Vo. vom 29.9.31) und Bremen für die Zeit von 17.00–7.00 Uhr (Vo. vom 5.12.31); Uniformverbote für Mitglieder der NSDAP bestanden in Preußen (Erlaß vom 31.3.31), Anhalt (Vo. vom 2.4.31), Mecklenburg-Strelitz (Vo. vom 18.4.31), Schaumburg-Lippe (Vo. vom 25.4.31), Hamburg (Vo. vom 7.7.31), Baden (Vo. vom 11.7.31), Lübeck (Vo. vom 2.9.31), Hessen (Vo. vom 9.9.31); keine allgemeinen Uniformverbote bestanden in Sachsen, Württemberg, Thüringen, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Lippe-Detmold. Häntzschel verwies zur Erläuterung der Rechtslage auf Entscheidungen des 4. Strafsenats des Reichsgerichts, der die Voen für rechtens erklärte. Dagegen habe der 3. Strafsenat des Reichsgerichts zwei Angeklagte mit der Begründung freigesprochen, „daß die Verordnungen nicht rechtsgültig seien, weil es der Wille des Reichspräsidenten gewesen wäre, sämtlichen politischen Organisationen das Uniformtragen zu verbieten, während das Herausgreifen einzelner außerhalb des Willens des Herrn Reichspräsidenten gelegen hätte“ (R 43 I /2701a , Bl. 292–293, Zitat Bl. 292).

Staatssekretär Dr. von Bülow wies darauf hin, daß das Ausland das Tragen von Uniformen bisher kaum beanstandet habe, sondern vor allem die militärische Betätigung.

Der Reichskanzler stellte fest, daß Bedenken gegen ein allgemeines Uniformverbot in diesem Kreise nicht geltend gemacht worden seien. Er bat Staatssekretär Zweigert, die Stellungnahme Preußens zu dieser Frage baldigst festzustellen3.

3

MinDirig. Häntzschel hatte in seinem Schreiben dazu ausgeführt, daß Preußen eine Klärung verlangt habe und durchblicken lasse, es werde allen politischen Organisationen das Uniformtragen verbieten, wenn nicht durch eine NachtragsNotVo. die Rechtslage geklärt würde. „Die Preußische Regierung zögert jedoch vorläufig noch, da sie glaubt, durch ein auch den „Stahlhelm“ treffendes allgemeines Uniformverbot den ausgesprochenen Wünschen des Herrn Reichspräsidenten entgegen zu handeln. Daß die Auslegung durch den 3. Strafsenat des Reichsgerichts unzutreffend ist und daß bei Erlaß der Verordnung nicht beabsichtigt war, allen politischen Organisationen ohne Rücksicht auf die Art ihrer Betätigung das Uniformtragen zu verbieten, dürfte in der Tat außer Zweifel stehen… . Die gegenwärtige Situation dürfte aber nicht lange haltbar sein. Sie gestaltet sich wie folgt: Die Notverordnungen bleiben in Kraft. Wer ihnen zuwiderhandelt, wird polizeilich festgenommen und teilweise sogar der Uniform entkleidet. Im Strafverfahren aber wird er freigesprochen“ (Schreiben MinDirig. Häntzschels vom 7.12.31, R 43 I /2701  a, Bl. 292–293, Zitat Bl. 293).

[2078] Der Reichskanzler erörterte sodann noch einmal die Frage eines Verbots sämtlicher Organisationen.

Der Reichsminister der Justiz führte aus, daß dieses Verbot praktisch nicht durchführbar sei. Man solle infolgedessen auf ein derartiges Verbot verzichten.

Generalleutnant von Schleicher führte aus, daß notfalls der militärische Ausnahmezustand verhängt werden könne. Nach seiner Ansicht solle der Reichskanzler in der geplanten Rundfunkrede diese Möglichkeit klar erwähnen.

Staatssekretär Dr. von Bülow äußerte außenpolitische Bedenken gegen die Erwähnung des militärischen Ausnahmezustandes in der Rundfunkrede des Reichskanzlers. Das Ausland werde dann glauben, daß in Deutschland die Sicherheit völlig erschüttert sei.

Generalleutnant von Schleicher erwiderte, daß sich eine Form finden lassen werde, die derartige Befürchtungen im Ausland nicht aufkommen lasse4.

4

In seiner Rundfunkrede vom 8.12.31 über die 4. NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens sagte der RK u. a.: „Die Reichsreg. darf und wird nicht davor zurückschrecken, einem drohenden Verfall der Volkskräfte mit eiserner Energie entgegenzutreten. Sie duldet keine andere Macht als die verfassungsmäßige. Reichspräs. und Reichsreg. verfügen allein über die Macht. Sie wird mit unerbittlicher Strenge, nötigenfalls auch unter Verhängung des Ausnahmezustandes, gegen alle eingesetzt werden, die sich unterfangen würden, den verfassungsmäßigen Gewalten in den Arm zu fallen“ (Schultheß 1931, S. 264–265, hier S. 265).

Der Reichskanzler erörterte sodann die im „Vorwärts“ vom Sonntag, den 6. Dezember wiedergegebene Rede Strassers5. Er führte aus, daß Äußerungen strafbar sein müßten, wonach eine Partei die Macht legal erwerben wolle, dann aber, kurz ausgedrückt, illegal vorgehen wolle.

5

Vgl. hierzu Dok. Nr. 591, Anm. 12.

Der Reichsminister der Justiz führte aus, daß nach den bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen derartige Äußerungen nicht strafbar seien. Nach seiner Ansicht müßten jedoch die Länder Strasser nach diesen Äußerungen ein Redeverbot auferlegen.

Staatssekretär Zweigert teilte mit, daß er die Württembergische Regierung telephonisch um Übermittlung des authentischen Textes der Rede gebeten habe. Die Antwort stehe noch aus6. Im übrigen könne das Reich nach den bestehenden Vorschriften nicht von sich aus ein Redeverbot gegen Strasser verhängen, sondern nur die Länder ersuchen, Redeverbote auszusprechen.

6

MinR Wienstein notierte handschriftlich: „Die Württembergische Regierung hat inzwischen nach Mitteilung des ORR Erbe geantwortet, daß die Wiedergabe der Strasserschen Rede im „Vorwärts“ irreführend sei. Genauer Text der Rede folgt noch“ (R 43 I /2701  a, Bl. 295).

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.7

7

Zum Fortgang der Beratungen siehe Dok. Nr. 594, P. 12.

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