1.23.2 (bru3p): 1. Ergebnis der Beratungen des Stillhalteausschusses des Wirtschaftsbeirats.

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[1905]1. Ergebnis der Beratungen des Stillhalteausschusses des Wirtschaftsbeirats.

Der Reichskanzler teilte mit, daß der Wirtschaftsausschuß des Reichskabinetts schon mit dem Sonderausschuß des Wirtschaftsbeirats über einen Plan für eine Umschuldung und Tilgung der kurzfristigen deutschen Auslandsschulden verhandelt habe12. Der Plan sei im Entwurf fertiggestellt. Über die Art der Verwendung des Planes sei mit dem Ausschuß nicht verhandelt worden. Die Entscheidung darüber hänge von der Entwicklung der diplomatischen Verhandlungen mit den Gläubigermächten ab.

12

Siehe Dok. Nr. 533, Dok. Nr. 534 und Dok. Nr. 536.

Staatssekretär von Bülow berichtete sodann zunächst über das wesentliche Ergebnis der Besprechung, die der Deutsche Botschafter in Paris mit dem aus Amerika zurückgekehrten Französischen Ministerpräsidenten Laval zur Stillhalte- und Reparationsfrage geführt habe. Das Ergebnis dieser Besprechung ist in dem telegraphischen Bericht des Botschafters von Hoesch vom 3. November Nr. 1183 niedergelegt13.

13

An der Besprechung nahmen neben Laval und Hoesch AM Briand und zeitweise FM Flandin und MinDir. im frz. FMin. Bizot teil. Nach Lavals Darstellung hatte er mit Präs. Hoover darin übereingestimmt, daß in der Reparationsfrage eine neue Zwischenregelung von 1–3 Jahren notwendig sei, da weder an eine Verlängerung des Hoover-Moratoriums noch an eine vollständig neue Reparationsregelung als Ersatz für den Young-Plan zu denken sei. Vielmehr müsse man auf den legalen Boden des Young-Plans zurückkehren; dies bedeute, daß Dtld. baldmöglichst einen Antrag auf Einberufung des Beratenden Sonderausschusses stellen müsse. Sollte der Ausschuß die dt. Zahlungsunfähigkeit feststellen, so würden die USA bereit sein, die Schuldenfrage erneut zu prüfen; dieses Zugeständnis gelte allerdings nur für die Krisenzeit, stelle aber zugleich, wie Laval hervorgehoben hatte, eine sachliche Verbindung zwischen Schulden und Reparationen her. Hoesch hatte unter Hinweis auf den Wiggin-Ausschuß, der die dt. Zahlungsunfähigkeit bereits festgestellt hatte, die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses abgelehnt, Flandin hatte jedoch auf der Rückkehr zu den Bestimmungen des Young-Plans als dt. Konzession für die frz. Öffentlichkeit bestanden. Hoesch hatte schließlich dem Beratenden Sonderausschuß unter der Voraussetzung zugestimmt, daß er mit dem Wiggin-Ausschuß personell identisch sein würde. Den Vorrang der privaten Schulden vor den Reparationen hatte Flandin abgelehnt. Hoesch hatte aus der Besprechung das Resümee gezogen, daß Hoover zu einer Schuldenstreichung nicht bereit sei, lediglich zu einer Aussetzung der Zahlungen für die Dauer der Weltwirtschaftskrise, und Frankreich wolle am Grundsatz der Reparationen unbedingt festhalten; eine Bevorzugung der privaten Gläubiger würde es sehr übelnehmen. Hoesch hatte daher eindringlich die RReg. davor gewarnt, vorzeitig mit einem Tilgungsplan für die Stillhaltegläubiger herauszukommen (Hoeschs Telegramm Nr. 558 vom 3.11.31, R 43 I /316 , Bl. 351–362, mit Sichtparaphe des RK).

Anschließend erläuterte der Reichswirtschaftsminister den wesentlichen Inhalt des von dem Herrn Reichskanzler erwähnten Umschuldungsplanes. Der Text des Planes wurde vorgelegt, danach aber im Interesse der Geheimhaltung wieder eingesammelt.

Der Reichswirtschaftsminister wies insbesondere darauf hin, daß in dem Entwurf die Frage der Höhe der Verzinsung der Schuldzertifikate und die Laufzeit für diese Zertifikate einstweilen noch offengelassen ist.

Der Reichsbankpräsident erklärte, er glaube der Kritik des Auslands an den bekanntgewordenen Absichten der Reichsregierung entnehmen zu können, daß man die Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht höher einschätze als 700 Millionen Jahresleistung. Dabei berücksichtige das Ausland die Rückzahlungsverpflichtung aus dem Rediskontkredit und aus der Lee Higginson-Anleihe, die im Jahre 1932 fällig[1906] werde14. Er empfehle daher dringend, bei allen zukünftigen Verhandlungen mit den Gläubigermächten nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, daß Deutschland über die Maximalleistung von 700 Millionen RM hinausgehen könne. Im übrigen aber habe man im Ausland offenbar noch nicht den springenden Punkt der ganzen Schwierigkeiten erfaßt, daß nämlich die psychologischen Voraussetzungen für die Rückkehr des Vertrauens in die deutsche Leistungsfähigkeit erst dann gegeben seien, wenn in der Frage der Reparationslasten unbedingte endgültige Klarheit geschaffen sei15.

14

Vgl. dazu Dok. Nr. 116, Anm. 9.

15

Hierzu auch Luthers Tagebucheintrag vom 4.11.31, Nachl. Luther  Nr. 366, Bl. 228 ff.

Der Reichskanzler schloß die Aussprache über diesen Punkt mit dem Bemerken, daß das Reichskabinett erst dann zu festen Beschlüssen hinsichtlich des Stillhalteplanes kommen könne, wenn die politische Situation aufgrund der eingeleiteten diplomatischen Verhandlungen weiter geklärt sei16.

16

Siehe Dok. Nr. 548.

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