1.90.2 (bru3p): II. Stillhalteverhandlungen.

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II. Stillhalteverhandlungen.

ReichsbankpräsidentLuther berichtete in großen Zügen über den derzeitigen Stand der in der Reichsbank geführten Stillhalteverhandlungen zwischen der deutschen Bankengruppe einerseits und den ausländischen Bankengruppen andererseits3. Er führte aus, daß zwischen den Engländern und den Amerikanern ein starker Gegensatz hinsichtlich des Zieles der Verhandlungen bestehe. Bei den Engländern herrsche die Absicht vor, die deutsche kurzfristige Auslandsverschuldung möglichst weitgehend als Handelsverschuldung aufzuziehen und dementsprechend zu behandeln. Bei den Amerikanern dagegen herrschte die Absicht vor, einen wesentlichen Teil der deutschen Verschuldung in einen Pool hineinzubringen4.[2101] Dabei sei aber der ursprüngliche deutsche, in den Beratungen in der Reichskanzlei ausgearbeitete Plan völlig aufgegeben, d. h. daß keiner der ausländischen Gläubiger das ursprünglich individuelle Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zu Gunsten einer Förderung in einer neu zu begründenden Treuhandstelle aufgeben wolle, vielmehr gehe man nur auf einen Collateral Trust aus. Dieser Collateral Trust solle die Schaffung von Nebensicherheiten und zusätzlichen Sicherheiten erleichtern. Darüber hinaus sollen die Beziehungen der Gläubiger und Schuldner zum Trust aber nur sehr locker gestaltet werden. Der Wert des Trusts wird erblickt in der Möglichkeit zusätzlicher Sicherheiten und in der Möglichkeit, einen einheitlichen Typ für eine kurz-langfristige Kreditgewährung zu schaffen. Diese Typisierung soll gewisse Erleichterungen für eine vorzeitige Mobilisierung der Auslandsforderungen schaffen. Im übrigen soll der Trust nur eine Zentralstelle für die Einblicknahme in die kurzfristige Gesamtverschuldung5 ermöglichen. Es sei kein Zweifel, daß die Gläubiger das gegenwärtige Stillhalteabkommen verlängern würden mit gewissen Verbesserungen gegenüber dem laufenden Abkommen. Über die Dauer der Verlängerung sei man sich noch nicht einig. Genannt werde zur Zeit eine Frist von sechs Monaten. Strittig sei sodann auch die Frage der Einbeziehung des Lee Higginson-Kredits an das Reich6. Es sei der Vorschlag gemacht worden, das Stillhalteabkommen als erloschen anzusehen, sofern der Lee-Higginson-Kredit am Fälligkeitstage7 nicht verlängert werde. Mit anderen Worten, der Lee-Higginson-Kredit soll genau so behandelt werden wie der Rediskontkredit der Reichsbank beim ersten Stillhalteabkommen8. Einer derartigen Behandlung des Lee-Higginson-Kredites könne die deutsche Seite jedoch unter keinen Umständen zustimmen. Das Bankhaus Lee Higginson habe dem Reich in einer Zeit schwerster finanzieller Bedrängnis geholfen. Es sei unmöglich, von den seinerzeit gemachten Rückzahlungszusagen abzugehen, wenn nicht der Kredit des Reiches unwiederbringlichen Schaden erleiden solle. Darüber, wie eine Verlängerung des Stillhalteabkommens auf die Baseler Verhandlungen wirken werde, könne man sich im gegenwärtigen Augenblick nur schwer ein richtiges Urteil bilden. Es sei denkbar, daß man bei einer nur kurzfristigen Verlängerung sagen werde, Deutschland versteife sich nicht mehr auf eine Endlösung. Man könne aber die Dinge auch so sehen, daß von der Tatsache der nicht endgültigen Bereinigung der kurzfristigen Verschuldung ein verstärkter Druck auf die Lösung des Reparationsproblems ausgehe. Wie dem aber[2102] auch sein möge. Jedenfalls könne man deutscherseits gegen die Absicht, einen Collateral Trust zu bilden, Bedenken wohl nicht geltend machen. Man müsse sogar überlegen, ob man das Zustandekommen eines solchen Trusts durch entgegenkommende Maßnahmen attraktiv machen könne.

3

Die Vertreter der ausländischen Gläubiger und des dt. Schuldner-Komitees waren am 11.12.31 in Berlin zusammengekommen, um über die Verlängerung des Stillhalteabkommens vom 17.9.31 (siehe Dok. Nr. 465, Anm. 17) zu beraten (WTB Nr. 2617 vom 11.12.31, R 43 I /317 , Bl. 104).

4

Nach einem Vermerk des RFMin. vom 19.12.31 legten die amerikanischen Bankenvertreter das Hauptgewicht auf die Sicherheit der dt. Schulden, während die brit. Banken im Interesse der Bilanzierung mehr die Liquiditätsfrage in den Vordergrund stellten, die Engländer wollten unter allen Umständen an der Kurzfristigkeit der dt. Schulden festhalten, ohne dabei jedoch eine baldige Rückzahlung zu verlangen (R 2 /13651 , Bl. 95–98, hier Bl. 95).

5

Nach dem Vorschlag der ausländischen Gläubiger vom 16.12.31 sollten die dt. Bankschuldner ihre ungesicherten Barvorschüsse vom 16.12.31 deklarieren und an die Gläubiger Nebensicherheiten geben. „Die Treuhänder der Gläubiger sollen durch Nebensicherheit gedeckte Treuhandzertifikate (collateral trust certificates) (im folgenden ‚Zertifikate‘ genannt) ausgeben, die das Anerkenntnis der Verschuldung durch den ursprünglichen Schuldner über einen Kapitalbetrag enthalten, der gleich ist dem Gesamtbetrag der erwähnten ungesicherten Barvorschüsse, sie sollen diese Zertifikate bereit halten, um sie von Zeit zu Zeit an ausländische Bankgläubiger, entsprechend den Bestimmungen des Unterabsatzes hierzu, auszugeben. (Englischer Text und dt. Übersetzung in R 2 /13651 , Bl. 99–107, hier Bl. 103). Der Collateral Trust sollte mit 3 Mrd. RM ausgestattet werden (Tagebuch StS Schäffers vom 14.12.31, IfZ ED 93, Bd. 16, Bl. 82).

6

Vgl. Dok. Nr. 131.

7

Der Lee-Higginson-Kredit wurde am 15.11.32 fällig: Dok. Nr. 131, Anm. 6.

8

Vgl. dazu Dok. Nr. 465, P. 3.

Staatssekretär Schäffer führte aus, daß es nach seiner Meinung gar nichts schade, wenn ein Teil der kurzfristigen Verschuldung als kommerzielle Schuld kurzfristig bestehen bleibe und auf diese Weise auf die politischen Schulden drücke. Ferner glaube er auch, daß man nichts dagegen einzuwenden brauche, wenn ein großer Teil der kurzfristigen Schulden durch Hinüberleiten auf den Collateral Trust langfristig fundiert werde.

Der Reichskanzler schloß sich dieser Auffassung an.

Über die Nichteinbeziehung des Lee-Higginson-Kredits in die Stillhalteverhandlungen waren alle Sitzungsteilnehmer einig.

Es wurde hervorgehoben, daß eine Verlängerung dieses Kredits für die Verhandlungen in Basel eine recht unerwünschte Lage schaffen würde, da alsdann in dem Reichshaushaltsplan 1932, der bekanntlich die Zurückzahlung des Kredits vorsehe, vorübergehend ein Überschuß einstehen werden9.

9

Zur Fortsetzung der Verhandlungen über das Stillhalteabkommen siehe Dok. Nr. 618 (Besprechung 5.1.32, 17 Uhr).

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