1.108 (bru3p): Nr. 622 Der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei Hugenberg an den Reichskanzler, 11. Januar 1932

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Nr. 622
Der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei Hugenberg an den Reichskanzler, 11. Januar 1932

Nachl. Pünder Nr. 97, Bl. 266–267

[Betrifft: Wahl des Reichspräsidenten]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Sie legten mir gestern die Frage vor, wie sich die Deutschnationale Volkspartei zu Ihrem Vorschlage der parlamentarischen Verlängerung der Amtszeit des Herrn Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg stelle1. Sie, Herr Reichskanzler, könnten diese Frage nicht aufgerollt haben, wenn Sie dabei nicht des Einverständnisses des Zentrums und der SPD sicher gewesen wären. Es sind das die Parteien, die seinerzeit die Wahl des Reichspräsidenten auf das Schärfste bekämpft[2154] haben2. Mit dem Rückhalte dieser Parteien treten Sie jetzt an uns heran, die wir einst seine Wahl angeregt und durchgesetzt haben. Sie begründen Ihr Vorgehen mit der außenpolitischen Notwendigkeit einer Stärkung der „Stabilität“ der deutschen Regierungsgewalt. Gleichzeitig schwächen Sie aber selbst diese Stabilität empfindlich durch die zähe Aufrechterhaltung einer Regierung im Reich und in Preußen, hinter der keine Mehrheit des Volkes steht. Sie begründen die Notwendigkeit Ihres Schrittes weiter mit der außenpolitischen Wirkung einer einheitlichen Vertrauenskundgebung für den Herrn Reichspräsidenten. Demgegenüber sind wir der Auffassung, daß die außenpolitische Stellung Deutschlands am meisten durch einen Rücktritt der jetzigen Regierung gestärkt würde, deren Vergangenheit es ihr erschwert, dem veränderten Willen des deutschen Volkes dem Auslande gegenüber glaubhaften Ausdruck zu geben.

Sie, Herr Reichskanzler, erstreben die Wiederwahl auf dem Wege der Beschlußfassung des Parlaments. Nach der Verfassung geht die Wahl des Reichspräsidenten unmittelbar vom Volke aus3. Dieses Recht auf den Reichstag zu übertragen, liegt umso weniger Anlaß vor, als der Reichstag der wahren Volksmeinung nicht mehr entspricht.

Als die alten Anhänger des uns nach wie vor verehrungswürdigen Generalfeldmarschalls glauben wir zu der Bemerkung berechtigt zu sein, daß die Art seiner Hineinziehung in parteimäßige und parlamentarische Erörterungen der verfassungsrechtlichen Stellung und dem hohen Ansehen nicht gerecht wird, das der Herr Reichspräsident im deutschen Volke genießt. Diese Tatsache wird durch die öffentliche Behandlung der Angelegenheit bedauerlich verstärkt. Der parlamentarische Wahlakt würde als eine Vertrauenskundgebung weniger für den Herrn Reichspräsidenten als für die von uns bekämpfte Politik und insbesondere Außenpolitik der jetzigen Reichsregierung wirken. Unter diesen Umständen muß ich Ihnen nunmehr endgültig mitteilen, daß eine Billigung oder Unterstützung Ihres Vorgehens für uns nicht in Frage kommen kann4.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebener

Hugenberg

Fußnoten

1

Das Schreiben Hugenbergs ist veröffentlicht in Schultheß 1932, S. 8 und Hubatsch, Hindenburg und der Staat, Dok. Nr. 78. Zu den Verhandlungen des RK mit Hugenberg siehe Dok. Nr. 626.

2

Zur RPräs.-Wahl 1925 vgl. die in der Einleitung zu dieser Edition, Die Kabinette Luther I/II S. XLV zitierten Dokumente.

3

Vgl. Art. 41 RV vom 11.8.19.

4

Vgl. auch das vertrauliche Rundschreiben der Parteileitung der DNVP in Schulz, Staat und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 401 c.

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