1.32.2 (bru3p): Anlage II:

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Anlage II:

I. Allgemeine Grundsätze.

Aufgabe des Wirtschaftsbeirats ist die Aufstellung von Leitsätzen, die die Anpassung aller volkswirtschaftlichen Aufwendungen im weitesten Sinne an die gesunkene Rohstoffbasis und die gesunkene Vermögens- und Einkommenslage in Deutschland gewährleistet, wobei die einzelnen Aufwendungen und Werte aufeinander abzustimmen sind.

Zur Erreichung dieses Ziels ist jegliche Inflation grundsätzlich abzulehnen, sowie alle sonstigen Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar zur Inflation führen würden.

Nur Gesamtmaßnahmen kommen in Betracht, Teilversuche – wie etwa weitere einseitige Lohn- und Gehaltssenkungen – sind abzulehnen, da sie allein den Gesamterfolg nicht gewährleisten und sozial ungerechtfertigt sind.

Im Rahmen dieses Gesamtproblems steht die Notwendigkeit einer Reform der Wohnungswirtschaft. Hierbei ist von folgenden Leitsätzen auszugehen:

1.

Das Hauszinssteuerproblem muß sofort endgültig geregelt werden.

2.

Sofortige vollständige Aufhebung der Hauszinssteuer ist mit Rücksicht auf die Finanzlage der Länder und Gemeinden und mit Rücksicht darauf, daß das Reich bei seiner eigenen Finanzlage den Ländern Entschädigungen nicht gewähren kann, nicht möglich. Überdies sind bekanntlich 12% der Hauszinssteuer vier Jahre lang durch die Umschuldung gebunden.

3.

Die Hauszinssteuer muß daher noch eine bestimmte Anzahl von Jahren forterhoben werden. Jedoch ist ein gestaffelter Abbau wünschenswert. Die Abstaffelung darf aber in den ersten Jahren wegen des starken Rückgangs sonstiger steuerlicher Einnahmen und wegen des für die Umschuldung benötigten Betrags von 450 Millionen nur gering sein.

4.

Um die Besorgnis, die Hauszinssteuer könnte demnächst wieder erhöht werden, ein für alle Mal zu bannen, muß sofort eine Ablösungsmöglichkeit gegeben werden.

In den Jahren 1932 und 1933 besteht ein großes fiskalisches Interesse an der Ablösung. Daher muß ein Anreiz dafür durch Gewährung eines starken Diskonts in diesen beiden Jahren gewährt werden. Dann wird von der Ablösungsmöglichkeit Gebrauch gemacht werden, und zwar einmal aus gehorteten Geldern und außerdem mit Hilfe der Hypothekenbanken und Versicherungsanstalten.

5.

Neben dem Interesse der Hauseigentümer und der allmählichen Aufhebung der Hauszinssteuer zum Zwecke des Wiederrentabelwerdens des Hausbesitzes und neben dem fiskalischen Interesse steht ferner das Problem einer Arbeitsbeschaffung aus Mitteln der Hauszinssteuer.

[1933]Diesbezüglich erscheint eine generelle Überprüfung der Notwendigkeit der Reparaturen nicht durchführbar, wenn der Zweck, schnelle Arbeit zu beschaffen, nicht völlig vereitelt werden soll. Nur die Tatsache der vollzogenen Reparatur muß nachgeprüft werden, gegebenenfalls durch die zuständigen Handwerkskammern. Der Hauseigentümer muß an den Reparaturen dadurch interessiert werden, daß er einen Teilbetrag (etwa 50%) selbst zahlt.

Zweckmäßigerweise würden jährlich 5% der Hauszinssteuer, höchstens aber ein bestimmter Prozentsatz der von den einzelnen zu zahlenden Hauszinssteuer (insgesamt etwa 45 bis 50 Millionen), für nachgewiesene Reparaturen verwendet. Das würde eine Gesamtarbeitsbeschaffung auf diesem Gebiet von 90 bis 100 Millionen ergeben.

6.

Von der Seite der Hauszinssteuer kann eine Senkung der Miete nicht eintreten.

7.

Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft muß sich enger als bisher an die wirkliche Lage auf dem Wohnungsmarkt anschließen. Das gilt nicht nur für neue, sondern auch für bestehende Mietverhältnisse.

Zweckmäßigerweise sollten die Termine für das Ende der Wohnungszwangswirtschaft wesentlich weiter vorgerückt werden, als sie zur Zeit bestehen. Voraussetzung dafür ist die Sicherstellung eines sozialen Mietrechtes, insbesondere für die Inhaber der kleinen und kleinsten Wohnungen.

III. Preise

1.

Unmittelbare gesetzliche oder verwaltungsmäßige Einwirkungen auf das Niveau der freien Preise sollen nicht erfolgen, dagegen wird damit gerechnet, daß Ermäßigungen in den Gestehungskosten, die sich in der Folge ergeben werden, sich auch bei der Berechnung der freien Preise auswirken werden.

2.

Die generelle Aufhebung sämtlicher horizontaler und vertikaler Preisbindungen soll nicht verfügt werden. Auch bei den Tarifen der Löhne und Gehälter kommt eine völlige Aufhebung der Bindungen nicht in Frage. In gleicher Linie liegt die grundsätzliche Aufrechterhaltung des Zollsystems.

Bei den gebundenen Preisen wird keine generelle Senkung herbeizuführen sein, sondern ein Druck auf die Preise lebenswichtiger Güter, die im Verhältnis zum neuen allgemeinen Preisniveau überhöht sind. Die Stärke des Drucks wird vom Ausmaß dieser Überhöhe abhängen.

Mit ähnlichem Ziel wird bei den Löhnen vorgegangen werden müssen. Dabei wird zu beachten sein, daß in zahlreichen Wirtschaftszweigen das reale Einkommen der Arbeiter durch Kurzarbeit sehr erheblich geschmälert ist.

Der Rahmen des Kreditvolumens muß der Wirtschaft angepaßt werden. Art und Maß hängt entscheidend vom Zeitpunkt ab.

II. Ausschuß

1. Zur Senkung der Zinsspanne wird auf die Habenzinsen einzuwirken sein. Sie sind die Basis der Zinsbildung auf der Debetseite.

2. Die Zinszuschläge der Banken werden, möglichst im Wege der Vereinbarung der Bankunternehmungen, herabzudrücken sein.

[1934] 3. Entscheidend hierfür (1. und 2.) ist die Vereinfachung der Bankenorganisation. Die Aufgaben werden schärfer abzugrenzen sein, als bisher. Sparkassen und Girozentralen sollen sich der Finanzierung, Banken der Hereinnahme von Sparguthaben enthalten.

Örtlich muß auf Zusammenlegung der Kassen, insbesondere auch der Filialen im Reich betrauter Großbanken zugekommen werden.

Bei den gewerblichen Genossenschaften wird die Spitze vereinheitlicht werden müssen.

4. Die Ausweitung des Kreditvolumens entsprechend dem Bedarf wird dann notwendig sein, wenn der Tiefstand der Abwärtsentwicklung der Preise erkennbar und mit einem Anstieg zu rechnen ist.

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