1.173.1 (mu22p): 1. Reichsbankgesetz.

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1. Reichsbankgesetz.

Der Reichswirtschaftsminister führte folgendes aus:

Bisher sei der Reingewinn der Reichsbank nach § 37 des Reichsbankgesetzes verteilt worden1. Das Reich habe dabei sehr ungünstig, die Anteilseigner dagegen hätten über Gebühr gut abgeschnitten. Der Gewinn sei so groß gewesen, daß er mit Rücksicht auf die Dividendenpolitik nur hätte zu einem Teile ausgeschüttet werden können, im übrigen aber zu stärkster Reservenbildung verwandt worden sei.

Auf diese Reserven erhöben nunmehr die Anteilseigner Anspruch. Gleichzeitig wolle das Reich im neuen Bankgesetz die Gewinnverteilung so regeln, daß ihm ein wesentlich größerer Anteil am Gewinn zukäme als bisher.

Die Reichsbank beabsichtige, den Anteilseignern auf vier Reichsbankanteilen einen Gratisanteil und zwei2 Gratisaktien3 der Golddiskontbank zuzugestehen, wenn sie sich mit der Neuregelung der Gewinnverteilung einverstanden erklärten und auf weitere Ansprüche verzichteten.

Es sei zu befürchten, daß eine derartige Regelung in der deutschen Öffentlichkeit stark angegriffen werden würde. Andererseits müsse vermieden werden,[1412] durch eine zu ungünstige Behandlung der Anteilseigner den Kredit der Reichsbank im Ausland zu schädigen.

Nach seiner Auffassung wäre der Vorschlag der Reichsbank für die Anteilseigner sehr günstig. Er beabsichtige, wenn das Kabinett einverstanden sei, nochmals mit dem Reichsbankpräsidenten Fühlung zu nehmen und möglicherweise auf eine Änderung des Vorschlages hinzuwirken.

Staatssekretär Dr. Schäffer gab nähere Ausführungen über den bisherigen und den geplanten Verteilungsmodus für den Gewinn. In Zukunft sollten den Anteilseignern von den ersten 24 Millionen Reingewinn 25%, von den weiteren 20 Millionen 10% zukommen. Tatsächlich seien sie Eigentümer des gesamten Reichsbankbesitzes und der Golddiskontbank. Sie erhielten keine neue Zuwendungen, sondern nur einen verhältnismäßig kleinen Teil dessen, was ihnen von diesem Standpunkt aus zustehe. Immerhin würde der Vorschlag bei ihnen einen guten Eindruck erwecken. Es müsse erreicht werden, daß sie den Vorschlag annehmen, denn an sich könne während der Geltungsdauer des Notenprivilegs die Gewinnverteilung nach internationaler Rechtsauffassung nicht geändert werden. Die internationale Finanzpresse befasse sich lebhaft mit diesen Fragen. Würde eine noch ungünstigere Regelung vorgesehen, so würde sie Widerspruch erheben und den Kredit der Reichsbank schädigen.

In ähnlichem Sinne sprach sich Staatssekretär Dr. Trendelenburg aus. Bei einem Kurse von 300 sei die effektive Verzinsung etwa 6%, bei 350 5%, also mäßig. Bei 70 Millionen Reingewinn würden den Anteilseignern nur 13,7 Millionen zukommen. Ein gewisser Anreiz für den Vorschlag läge darin, daß möglicherweise die Golddiskontbank-Dividenden in Zukunft etwas erhöht würden. Das würde aber nicht ausreichen, um den gegenwärtigen Kurs der Anteile wesentlich zu erhöhen; voraussichtlich würde er sich aber auch nicht ermäßigen. Jedoch sei die Kursentwicklung nicht zu übersehen.

Die Frage, welches Recht den Anteilseignern an den Reserven der Reichsbank zusteht, sei juristisch außerordentlich schwierig zu entscheiden. Im Kommentar von Schacht sei die Ansicht geäußert, daß die Gewinnverteilung in etwa 50 Jahren nicht geändert würde. Es müsse vermieden werden, daß eine ernstliche Opposition ausgelöst würde; über Außenseiter als Opponenten lasse sich hinweggehen.

Auf eine Frage des Reichskanzlers erklärte Staatssekretär Dr. Trendelenburg, die Reichsbankanteile seien, soweit sich feststellen lasse, überwiegend in deutschem Besitz, teilweise seien allerdings Ausländer vorgeschoben4. An sich sei die Regierung nur zuständig für die Entscheidung über eine Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels, aber die Maßnahmen der Reichsbank hinsichtlich der Gratisanteile ständen damit in engstem innerem Zusammenhang.

Ministerialdirektor Dr. Ritter erklärte, die Einzelheiten des Vorschlags seien ihm bisher nicht bekannt geworden. Sie würden aber in den Vereinigten Staaten[1413] mit größter Spannung erwartet. Der deutsche Botschafter in Washington und der Generalkonsul in New York hätten mehrfach darauf hingewiesen, daß eine ungünstige Regelung der Entschädigungsfrage der Anteilseigner den deutschen Kredit gefährden müsse. Die Amerikaner hielten es für rechtlich nicht zulässig, in die Gewinnverteilung zum Schaden der Anteilseigner einzugreifen, wenn diese nicht zustimmten. Bedenklich sei es, nur einen guten Eindruck zu erwecken, der sich dann bei genauerer Prüfung der Regelung ins Gegenteil umkehre. Die angesehenen Banken der Vereinigten Staaten hätten ihrer Kundschaft gegenüber die Reichsbankanteile als günstiges Anleihepapier empfohlen. Würden die Erwartungen der Eigentümer schwer enttäuscht, so würden Vorwürfe an die Banken Rückschläge in den Beziehungen zu Deutschland zur Folge haben.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß alle Einzelheiten der Aussprache absolut vertraulich behandelt werden müssen. Die Herausgabe von Gratisanteilen müsse mit den Anteilseignern geregelt werden. Die Regierung habe nur über die zukünftige Gewinnverteilung zu entscheiden.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete schloß sich den Ausführungen des Ministerialdirektors Ritter an.

Der Reichsarbeitsminister berechnete die Gewinnverteilung nach dem neuen Vorschlage. Bei einem Reingewinn der Reichsbank von 80 Millionen würden ihnen danach 17,2, dem Reiche 62,8 Millionen zustehen. Nach der bisherigen Gewinnverteilung hätten die Anteilseigner 32,5 und das Reich 47,5 Millionen zu erhalten. Den Anteilseignern entstehe ein Verlust von rund 45%.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt einen Rechtsanspruch der Anteilseigner auf die Rückstellungen ebenso wenig gegeben wie bei anderen Gesellschaften des bürgerlichen Rechts. Die zuständigen Organisationen der Reichsbank hätten die Zahlung der Dividenden und die Verteilung des Reingewinns beschlossen. Damit müßten sich die Anteilseigner abfinden. Tatsächlich aber sei die Regelung eine Frage der kapitalistischen Machtverhältnisse. Die Reichsregierung habe darauf keinen entscheidenden Einfluß nehmen können. Die weiteren Beziehungen des internationalen Kapitals und seine Einflußnahme bei der Reichsbank seien dem Auslande wichtiger als die Gewinnverteilungsfrage. Die internationale Erregung werde nicht so groß sein, wie vielleicht gefürchtet werde.

Die Zustimmung der Anteilseigner zu dem Vorschlage müsse durch die Gratisanteile erkauft werden. Mit einer Steigerung des gegenwärtigen Kurses der Anteile werde kaum zu rechnen sein.

Ministerialdirektor Dr. Ritter wies noch darauf hin, daß die Anteilseigner sich bisher mit der Gewinnverteilung nicht ohne Protest abgefunden hätten. Die Vertreter der internationalen Finanzpresse hätten regelmäßig gegen die übermäßige Ansammlung von Reserven der Reichsbank Stellung genommen. Der riesige Grundbesitz der Reichsbank sei auf 0 abgeschrieben. Außerdem sei noch eine Reserve von 36 Millionen für zukünftige Bauten geschaffen. International würden die Reserven als Eigentum der Anteilseigner betrachtet, das ihnen zu unrecht vorenthalten würde.

[1414] Die Kurse hätten sich normal bis zu 350 entwickelt. Als dann der Reichsbankpräsident in einer Rede erklärt habe, die Kursentwicklung gebe noch kein Recht darauf, mit einer entsprechenden Regelung der Entschädigungsfrage zu rechnen, sei der Kurs bis auf etwa 240 gefallen. Erst als dann Beruhigung eingetreten sei, sei er wieder gestiegen, in den letzten Tagen allerdings etwas überstürzt. Von einer normalen Kursentwicklung könne bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden.

Staatssekretär Dr. Weismann hielt ebenfalls eine Steigerung des Kurses der Reichsbankanteile nicht für wahrscheinlich. Die Verzinsung des Anlagekapitals sei gering, eine Steigerung sei nicht zu erwarten.

Der Reichsminister der Finanzen sprach sich für die Annahme des Vorschlages aus.

Der Reichskanzler stellte fest, daß dem Kabinett nichts anderes übrig bleibe, als den Vorschlägen zuzustimmen. Nötigenfalls werde die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge aufgeklärt werden müssen5.

Fußnoten

1

Nach § 37 des Rbk-Gesetzes sollten 20% des Reingewinns der Bank dem Reservefonds zugeführt werden, solange er weniger als 12% des Notenumlaufs der Bank betrage. Die Anteilseigner hatten einen Anspruch auf eine jährliche Dividende von 8%. Der Restbetrag war dergestalt aufzuteilen, daß von den ersten 50 Mio RM Reich und Anteilseigner je die Hälfte bekamen, von den zweiten 50 Mio RM das Reich ¾ und die Anteilseigner ¼, vom Rest das Reich 9/10 und die Anteilseigner 1/10. Die Beträge der Anteilseigner sollten der Dividende oder einem Fonds für gleichmäßige Dividendenausschüttung zugeführt werden (RGBl. 1924 II, S. 243  f.).

2

Darüber mit Bleistift: „1“.

3

Darüber mit Bleistift: „à 10“.

4

Im Jahr 1929 besaßen 10 016 Deutsche insgesamt 1 003 340 Rbk-Anteile und 223 148 Anteile waren in der Hand von 1288 Ausländern. Im folgenden Jahr lagen bei 10 193 Deutschen 1 004 733 Anteile und 224 541 bei 1282 Ausländern (Verwaltungsbericht der Rbk für 1930, S. 19). Nach § 5 des Rbk-Gesetzes wurden die auf 100 RM lautenden Anteile auf den Namen ausgestellt (RGBl. 1924 II, S. 236 ).

5

Das Rbk-Direktorium erteilte am 15. 2. „die Zustimmung […] zu der von der RReg. beabsichtigten Änderung des Bankgesetzes einschließlich der Änderung der Vorschriften über die Gewinnverteilung“ (Rbk-Direktorium an den RK, 17. 2.; R 43 I /637 , Bl. 97, hier: Bl. 97). Zum Fortgang siehe Dok. Nr. 451, P. 4.

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