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RTF

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Berlin, den 21. September 1932

Kann Deutschland Einfuhrverbote erlassen, ohne seine Handelsverträge

zu verletzen?

Bei der Beratung der Kontingentierungsvorschläge ist der Standpunkt vertreten worden, daß das Recht jedes Staates, im Falle einer Katastrophe Ein- und Ausfuhrverbote zu erlassen, international als eine Selbstverständlichkeit anerkannt sei.

Zur Begründung ist folgendes ausgeführt worden:

Eine Reihe von Handelsverträgen (England, Finnland, Schweden usw.) enthielte zwar die Bestimmung, daß „beide Teile sich verpflichten, den gegenseitigen Verkehr durch keinerlei Ausfuhr- oder Einfuhrverbote zu verhindern“, wobei gewisse Fälle (öffentliche Sicherheit, Gesundheitswesen, Waffen-, Munition-, Monopolwaren) ausgenommen worden seien1. Der deutsch-französische Handelsvertrag indessen enthielte zwar die gleichen Bestimmungen, im Schlußprotokoll sei aber festgestellt, daß das Recht unberührt bleibe, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um außergewöhnlichen Umständen entgegenzutreten2. Eine ähnliche Formulierung enthielte auch der Entwurf einer internationalen[622] Vereinbarung zur Aufhebung der Ein- und Ausfuhrverbote vom Jahre 19253. Man könne hieraus und namentlich aus dem Umstande, daß die Katastrophenklausel nicht als eine Ausnahme von den Verboten der Einfuhrbeschränkung aufgenommen, sondern gesondert behandelt sei, schließen, daß das Recht, im Falle einer Katastrophe Ein- und Ausfuhrverbote zu erlassen, als eine Selbstverständlichkeit anerkannt worden sei. Aus der Tatsache, daß dieses Recht in vielen Handelsverträgen nicht erwähnt sei, sei darum nicht zu schließen, daß es nicht bestände.

1

In den Handelsverträgen Deutschlands mit Finnland vom 26.6.26 (RGBl. II, S. 557 ), mit Litauen vom 30.8.28 (RGBl. 1929 II, S. 103 ) und mit Estland vom 7.12.28 (RGBl. 1929 II, S. 509 ) hieß es gleichlautend: „Die vertragsschließenden Teile verpflichten sich, den gegenseitigen Verkehr durch keinerlei Einfuhr- und Ausfuhrverbote zu behindern. Ausnahmen hiervon können, soweit sie auf alle Länder oder auf die Länder anwendbar sind, bei denen die gleichen Voraussetzungen zutreffen“, u. a. „aus Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit“ und „aus Rücksicht auf die Gesundheitspolizei oder zum Schutze von Tieren oder Nutzpflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge“ stattfinden.

2

Die betr. Formulierung im „Zeichnungsprotokoll“ zum Handelsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich vom 17.8.27 (RGBl. II, S. 523 , 856 f.) wörtlich: „Das gegenwärtige Abkommen berührt in keiner Weise das Recht, für die Ein- und Ausfuhr alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um außergewöhnlichen und anormalen Verhältnissen entgegenzutreten und den Schutz der wirtschaftlichen und finanziellen lebenswichtigen Interessen des Landes zu sichern. – Wegen der schweren Unzuträglichkeiten im Gefolge der Verbote und Beschränkungen dürfen solche Maßnahmen nur im Fall einer außerordentlichen Zwangslage ergriffen werden und keinesfalls ein willkürliches Mittel bilden, um die Landesproduktion zu schützen oder eine Diskriminierung zum Nachteil des anderen vertragschließenden Teiles hervorzurufen. Ihre Dauer muß auf das Fortbestehen der Gründe oder der Verhältnisse beschränkt sein, um derentwillen sie getroffen sind.“

3

Nicht ermittelt.

Gegenüber diesem Standpunkt ist folgendes zu sagen:

Deutschland hat bei Abschluß seiner Handelsverträge stets darauf gedrungen, das Recht der Vertragsgegner auf Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten auf äußerste zu beschränken, um den deutschen Handelsverkehr mit dem Ausland möglichst stabil zu gestalten und vor Überraschungen zu sichern. Bei fast allen Handelsvertragsverhandlungen und – was besonders hervorzuheben ist – auch nach Aufstellung des Entwurfs einer internatinalen Vereinbarung zur Aufhebung der Ein- und Ausfuhrverbote vom Jahre 1925 ist dieser Gesichtspunkt von deutscher Seite mit großem Nachdruck vertreten und auch in dem über die Verhandlungen geführten Protokoll, insbesondere von den Vertragsgegnern, festgelegt worden.

Aus dieser Sachlage ergibt sich, daß Deutschland bislang niemals die Auffassung vertreten hat, daß für den Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten eine Katastrophenklausel bestehe. Auch ist nicht bekannt, daß irgendein ausländischer Staat diese Auffassung bei den Verhandlungen jemals vorgebracht hat. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, daß die Auffassung falsch ist, daß eine Katastrophenklausel international allgemein anerkannt sei.

Wenn Deutschland jetzt plötzlich den gegenteiligen Standpunkt vertreten wollte, so würden ihm bei den Schiedsverfahren, die in den meisten deutschen Handelsverträgen vorgesehen sind, seine eigenen bei den Verhandlungen abgegebenen Erklärungen entgegengehalten werden, und es würde sicherlich unterliegen.

Die Auffassung, daß eine internationale Katatrophenklausel bestehe, ist also weder rechtlich noch tatsächlich haltbar.

Die Rechtslage ist vielmehr folgende: In den Handelsverträgen z. B. mit England, Estland, Finnland, Jugoslawien, Litauen, Südafrika ist der gegenseitige Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten strikte untersagt.

Um einen Rechtsbruch dieser Handelsverträge zu vermeiden, der die Stellung Deutschlands als handelspolitischer Vertragspartner in aller Welt aufs schwerste erschüttern würde, müßte mit allen genannten Ländern verhandelt[623] und vereinbart werden, daß der Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten künftig zulässig ist4.

4

Hierzu vgl. auch die Stellungnahme des RWiM in der Ministerbesprechung am 23. 9. (Dok. Nr. 153, P. 1).

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