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[1130] Nr. 359
Vermerk des Ministerialrats Feßler über einen Empfang von Vertretern des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins beim Reichskanzler am 30. November 1927
[Notlage der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein.]
Am 30. November 1927 empfing der Reichskanzler den Vorsitzenden des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins, Stamerjohann-Eichenhof, den Geschäftsführer Dr. Thyssen und den Abgeordneten Crone-Münzebrock. Der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins schilderte die Notlage der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein1 und bat um Prüfung der Frage, wie der Landwirtschaft geholfen werden könne durch das Kabinett. Die Zollpolitik sei nach seiner Auffassung verfehlt, weil sie dem Bauern nicht das Gefühl lasse, daß er rentabel arbeiten könne. Die Steuern würden übermäßig hart beigetrieben und möchten gesenkt werden. Die Kreditsorgen der Landwirtschaft seien so groß, daß mit dem Zusammenbruch zahlreicher Existenzen gerechnet werden müsse.
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Vgl. dazu: Stoltenberg, Politische Strömungen im schleswig-holsteinischen Landvolk 1918–1933, S. 107 ff.
In der Bauernversammlung, die am 21. November in der Rendsburger Stadthalle stattgefunden habe, sei es ihm als dem Vorsitzenden nur mit Mühe gelungen, Ausbrüche der Verzweiflung und der tiefsten Mißstimmung hintan zu halten2. Wenn nichts geschehe, sei die weitere Entwicklung äußerst bedenklich.
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Zur Vertreterversammlung des Bauernvereins am 21.11.27 in Rendsburg vgl. Stoltenberg, a.a.O., S. 108.
Der Reichskanzler wies darauf hin, daß aus fast allen deutschen Gegenden über die Lage der Landwirtschaft außerordentlich ungünstige Berichte einliefen und daß sich das Kabinett mit der Notlage dieser Kreise mehrfach befaßt habe. Was im Rahmen des Möglichen liege, solle geschehen.
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt für das dringendste Problem die Lösung der Kreditfrage. Die Überschuldung der Landwirtschaft fordere dringend Abhilfe. Die Vorarbeiten für Vorschläge hierzu seien in seinem Ministerium soweit gefördert, daß noch vor Weihnachten positive Vorschläge an das Kabinett gelangen würden3.
Der Abgeordnete Crone-Münzebrock wies darauf hin, daß die Rentabilität der Betriebe für die Belastung und ihre Existenzfähigkeit ausschlaggebend sei. Durch Zinsverbilligung und Steuernachlässe könne eine gewisse Schonzeit und Übergangszeit geschaffen werden, die aber nur noch Betrieben Vorteile bringen könne, die im Grunde genommen lebensfähig und nicht im Übermaße verschuldet seien.
[1131] Der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins dankte dem Reichskanzler sodann für den Empfang. Er überreichte Pressestimmen zur Rendsburger Vertreterversammlung4.
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Das hier überreichte Aktenheft mit Pressestimmen zur Rendsburger Vertreterversammlung übersandte die Rkei am 3. 12. an den REM (R 43 I/386, Bl. 108).
Über die Besprechung soll der Presse eine Mitteilung übergeben werden5. […]