Text
[1006] Nr. 321
Der Bayerische Ministerpräsident an den Reichskanzler. München, 19. Oktober 1927
[Besoldungserhöhung und Finanzausgleich.]
Hochverehrter Herr Reichskanzler!
Der Reichsrat hat mit erheblicher Stimmenmehrheit beschlossen, daß zur teilweisen Deckung der den Ländern durch die Besoldungserhöhung erwachsenden Mehrausgaben der Anteil der Länder an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftssteuer von 75 auf 80 v.H. erhöht werden soll.
Die Reichsregierung hat jedoch geglaubt, diese Änderung des Finanzausgleiches ablehnen zu müssen und hat deshalb den Entwurf eines Beamtenbesoldungsgesetzes dem Reichstag in Gestalt einer Doppelvorlage unterbreitet1.
Die Bayerische Regierung bedauert dieses Vorgehen der Reichsregierung aufs lebhafteste und erblickt darin eine schwere Belastung des Verhältnisses zwischen dem Reich und den Ländern und eine Gefahr für den Fortbestand der Koalition im Reiche. Als verantwortlicher Leiter der Geschicke Bayerns fühle ich mich verpflichtet, Euer Hochwohlgeboren auf diese schwerwiegenden Bedenken gegen die Haltung der Reichsregierung in dieser Frage nochmals ausdrücklich aufmerksam zu machen. Ich verbinde damit die dringende Bitte, sich[1007] im weiteren Verlauf der Dinge für eine Lösung einzusetzen, die den Lebensnotwendigkeiten der Länder Rechnung trägt und damit auch das Reich vor neuen Erschütterungen zu bewahren2.
Mit der erneuten Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung und verehrungsvollen Grüßen bin ich
Ihr ergebenster
Dr. Held