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Nr. 119
Der Staatssekretär im Reichswehrministerium an den Reichskanzler. 28. Mai 1920
[Betrifft: Neuorganisation des Reichswehrministeriums.]
Durch die Presse und heute im Amt durch Umlauf der Befehle erfahre ich von der Umorganisierung des Reichswehrministeriums1. Obwohl ich Vorschläge zu dieser Umorganisation gemacht hatte, habe ich an der Beratung über die Organisation nicht teilgenommen, da ich nicht zugezogen wurde. Ich halte die Art der Organisation vom geschäftlichen und noch mehr vom politischen Standpunkt aus für einen großen Fehler.
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Über WTB war der Presse zur Neugliederung des RWeMin. mitgeteilt worden: „Dem RWeM unmittelbar unterstellt ist seine Adjutantur, die Nachrichtenstelle und ein Hauptbüro. Im übrigen wird das Ministerium in drei Gruppen gegliedert, an deren Spitze gleichgeordnet für das Heer der ‚Chef der Heeresleitung‘ und der ‚Generalquartiermeister‘, für die Marine der ‚Chef der Admiralität‘ stehen. – Dem Chef der Heeresleitung unterstehen das Personalamt, das Truppenamt, das Wehramt und die Inspekteure, einschließlich der Inspektionen für Waffen und Gerät und der Waffenschulen. Dem Generalquartiermeister unterstehen eine Zentralabteilung, das Verwaltungsamt, das bisherige Ausrüstungsamt, jetzt Waffenamt genannt, die Sanitäts- und die Veterinärinspektion, die Rechtsabteilung und die Justitiare. An der bisherigen Organisation der Admiralität hat sich nichts geändert. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte als Chef der Heeresleitung ist Generalmajor v. Seeckt, als Generalquartiermeister Generalmajor v. Feldmann, als Chef der Admiralität Konteradmiral Michaelis beauftragt. – Der dem RWeM auf Wunsch der NatVers. kommissarisch zugeteilte parlamentarische Staatssekretär leitet gesondert die gesamte Untersuchung sämtlicher mit den Märzereignissen zusammenhängender Vorgänge“ (Voss. Zeitung Nr. 263 vom 26.5.20). Kritisch bemerkte am 29. 5. RKom. Grzesinski vom Reichsabwicklungsamt hierzu in einem Schreiben an den RK, daß das Amt des Generalquartiermeisters im RWeMin. eine völlig neue Einrichtung sei, die, obwohl noch nicht bewilligt, bereits in einer Übersicht über den Personalstand des RWeMin. im Nachrichtenblatt der Heeresleitung vom 26. 5. geführt werde. v. Feldmann habe auf Seeckts Befehl sein Amt bereits angetreten, „damit am 1. Juni die Neueinrichtung fix und fertig ist.“ Ferner bemängelte Grzesinski: „In Übereinstimmung mit der bereits erwähnten Publikation vom 26. 5. wird der parlamentarische StS, unser Genosse Stock, als kommissarisch bezeichnet, obwohl darüber kein Zweifel sein kann, daß die Einrichtung des StS im RWeMin. als eine dauernde angesehen und vom Kabinett auch als solche in Aussicht genommen worden ist“ (R 43 I/951, Bl. 31 f.).
Die Verwaltungsangelegenheiten müssen den Offizieren entzogen und Verwaltungsbeamten übertragen werden. Unter Verwaltung kämen die Verpflegung, Besoldung, Bekleidung, Bewaffnung, Sanitätswesen, Fürsorgewesen und Unterkunftsangelegenheiten in Betracht. Diese Trennung dachte ich mir durch das ganze Heer hindurch bis zu den Bataillonen.
[296] Die Intendanturbeamten, Zahlmeister usw. sollten in das Verhältnis von Beamten treten. In Beamtenstellen können durchaus frühere Offiziere tätig sein, aber als Beamte.
Finanziell und geschäftlich wird eine derartige Maßnahme von großem Wert sein. Politisch ist es eine direkte Notwendigkeit bei der Erziehung unserer Offiziere, ihnen die materielle Macht bei einem eventuellen Putsch zu nehmen2.
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Hierzu stellte Grzesinski fest (s. o. Anm. 1): „Die Neuorganisation, sollte sie wirklich die Sanktion des Kabinetts, des RR und der NatVers. finden, muß als eine Verewigung der Allmacht der Offiziere, und insbesondere der absolut militaristisch denkenden Offiziere des alten Generalstabs angesehen werden. Sie ist ein Schlag ins Gesicht gegenüber denjenigen und, wie mir scheint, auch unserer eigenen Partei, die die Entmilitarisierung Deutschlands und seiner demokratisch republikanischen Entwicklung fordern. Die Stelle des Generalquartiermeisters ist als eine Nachbildung der Einrichtung im Großen Generalstab während des Krieges anzusehen, und sie hat uns im Kriege Milliarden gekostet. Das Bestreben ist dabei, den den Offizieren lästigen Beamten, nämlich den Intendanten, auszuschalten und an die Wand zu drücken.“ Gegen die Etatbestimmungen seien wieder Offiziere mit reinen Verwaltungsaufgaben betraut worden.
Für diese Vorschläge habe ich mich eingesetzt. Sie sind nicht akzeptiert. Wie mir aber bekannt, hat das Reichsfinanzministerium Widerspruch erhoben und will die Sache im Kabinett zur Sprache gebracht haben. Zu diesem Zweck meine Information3.
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