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1. Finanzlage des Reichs und des Reichshaushalts 1927.
Der Reichsminister der Finanzen legte die beiliegende Übersicht über „Voraussichtliche Mehrausgaben gegenüber dem Haushaltsentwurf für 1927 und ihre voraussichtliche Deckung“1 vor und erläuterte die einzelnen Positionen der Übersicht.
Als Zweck der Aussprache bezeichnete er, den Regierungsparteien darzulegen, wie sich der Haushalt durch die bisherigen Beschlüsse des Reichstags nach seiner Vorlage durch die Regierung bereits gestaltet habe und wie er sich bis zu seiner Verabschiedung zwangsläufig weiter ausgestalten werde, wenn man den Verhandlungen über schwebende Angelegenheiten ihren freien Lauf und nach den bisherigen Abmachungen mit den Parteien sich weiter entwickeln lasse. Danach werde sich selbst für den Fall, daß die letzten verfügbaren Reserven in die Einnahmeseite des Haushalts eingestellt würden, ein Defizit von rund 450 Millionen Mark ergeben. Bei diesem Ergebnis sei ferner zu berücksichtigen, daß weitere unvermeidbare Mehrausgaben z. B. für die Beamtenbesoldungsreform und die Aufbesserung der Kriegsbeschädigtenfürsorge bei dem Fehlbetrag noch nicht in Rechnung gestellt seien. Ein derartiger Abschluß könne von der Reichsregierung nicht verantwortet werden. Es folgte eine eingehende Aussprache, in welcher von den Regierungsparteien anerkannt wurde, daß ein Defizithaushalt grundsätzlich vermieden werden müsse. Der Reichsminister der Finanzen wurde gefragt, ob er in der Lage sei, bestimmte Vorschläge zur Ausgleichung des Defizits zu machen. Dies wurde von dem Reichsminister der Finanzen bejaht.
Er führte aus, daß bei den bereits bewilligten Beträgen wesentliche Streichungen vorgenommen werden müßten und daß auch bei den in der Schwebe befindlichen Angelegenheiten starke Beschränkungen eintreten müßten.
[639] Der Reichskanzler erklärte, daß das Kabinett unverzüglich über Vorschläge beraten2 und sie binnen kürzester Frist den Parteien vorlegen werde. Er stellte die grundsätzliche Bereitwilligkeit der Parteien fest, über solche Vorschläge mit der Reichsregierung in Verhandlungen einzutreten.