Text
[1] Nr. 1
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über eine Unterredung mit v. Papen zur Frage der Belassung Luthers im Amt des Reichsbankpräsidenten. 1. Juni 1932
Der präsumtive künftige Reichskanzler, Herr von Papen1, hatte heute morgen mit mir eine längere politische Aussprache, in der er unter anderem auch die Sprache auf die Weiterbelassung des Herrn Reichsbankpräsidenten Dr. Luther auf seinem jetzigen Posten brachte. Auf Wunsch erzählte ich Herrn von Papen, daß Herr Präsident Luther gestern abend dem Herrn Reichskanzler2 und mir folgendes berichtet hätte: In der City von Berlin und weit darüber hinaus in Bankier- und anderen interessierten Kreisen ginge das Gerücht um, daß die neue Reichsregierung von Papen ihn von seinem Posten als Präsident der Reichsbank zu entfernen und durch seinen Vorgänger Dr. Schacht zu ersetzen wünsche3. Nicht weil er etwa am Amte klebe, sondern aus Gründen der absoluten Sicherhaltung der Währung werde er solchen etwaigen Plänen seinen äußersten Widerstand entgegensetzen. Nicht umsonst sei die Berufung und Absetzung des Reichsbankpräsidenten durch die besondere gesetzliche Regelung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die gerade der Sicherung der Währung gelten4. Er würde daher allen Versuchen, auf andere Weise ihn von seinem Posten zu entfernen, äußersten Widerstand entgegensetzen und könne nur empfehlen, auch keinerlei Versuche zu machen, ihn etwa durch Einschaltung der Person des Herrn Reichspräsidenten anderen Sinnes zu machen.
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Zur Vorgeschichte der Berufung Papens (1.6.32, vgl. Anm. 1 zu Dok. Nr. 2) und über die Verhandlungen des RPräs. mit Vertretern der Parteien zur Regierungsbildung (30./31. 5.) befinden sich – außer einigen Zeitungsausschnitten (R 43 I/1309) – keine Unterlagen bei den Akten der Rkei. Einen kurzen Überblick über den Verlauf der Verhandlungen Hindenburgs gibt Pünders Tagebuch (Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 129 ff.); vgl. auch Papen, Der Wahrheit eine Gasse, S. 182 ff.; Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP, S. 203 ff. und 458 ff.; Hubatsch, Hindenburg und der Staat, Dok. Nr. 84; Morsey, Zentrumsprotokolle, Dok. Nr. 700–702; Ursachen und Folgen, Bd. VIII, Dok. Nr. 1844 ff.
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Brüning.
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Der „Berliner Local-Anzeiger“ am 1. 6. u. a.: „Der frühere Reichsbankpräsident Dr. Schacht, der im Zusammenhang mit der zweiten Haager Konferenz im Januar 1930 durch Dr. Luther ersetzt wurde, wird auch für das Reichsfinanzministerium genannt. Es ist aber möglich, daß Dr. Schacht sich für eine andere Aufgabe zur Verfügung hält, wobei Gerüchte auftauchen, daß ein Wechsel in der Leitung der Reichsbank nach einiger Zeit von maßgebenden Persönlichkeiten in dem kommenden Kabinett für notwendig gehalten wird.“ – In diesem Zusammenhang bemerkte die „Frankfurter Zeitung“ am gleichen Tage: „Eine Änderung in der Reichsbankleitung könnte große Beunruhigung im Inlande wie im Auslande hervorrufen und außerordentlichen Schaden stiften. Wie ernst die Gefahr psychologischer Erschütterungen genommen werden muß, das zeigt die Entwicklung an der heutigen Börse, wo die plötzlich aufgetauchte Inflationsfurcht zu einer Aktienhausse und zu einem starken Angebot auf dem Markt der festverzinslichen Papiere führte.“ (Ausschnitte in NL Luther 342).
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Nach den Bestimmungen des Bankgesetzes von 1924 (RGBl. II, S. 235) in der Fassung vom 13.3.30 (RGBl. II, S. 359) konnte die Abberufung des RbkPräs. nur durch den Generalrat der Rbk erfolgen, und zwar nur dann, wenn von den Mitgliedern des Generalrats (seit 1930: zehn) mindestens sieben der Abberufung zustimmten. Sie bedurfte außerdem der Bestätigung durch den RPräs.
[2] Herr von Papen erwiderte mir gegenüber sofort, daß er solchen Plänen vollkommen fern stünde, er habe in keiner Weise beabsichtigt, sich von Herrn Reichsbankpräsidenten Dr. Luther zu trennen. Wenn vielleicht aufgefallen sei, daß er heute nachmittag den früheren Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht empfangen werde, so hänge dies lediglich damit zusammen, daß dieser sich bei ihm zur Erörterung der gesamten politischen Lage angemeldet hätte und er deshalb dieser Aussprache nicht hätte ausweichen können. Wenn Herr Präsident Luther in so mannhafter Weise die Währung verteidige und auch in Zukunft verteidigen wolle, so könne er, falls er der künftige Reichskanzler wirklich sein sollte, sich zu dieser Mitarbeit Dr. Luthers nur beglückwünschen5. Herr von Papen bat mich um den Freundschaftsdienst, angesichts meiner engen Beziehungen zu Herrn Präsidenten Dr. Luther, dies in seinem ausdrücklichen Auftrage diesem sofort zu eröffnen, da er größten Wert darauf lege, daß nach dieser Richtung keinerlei Zweifel aufkämen.
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Pünder in seinem Tagebuch hierzu u. a.: „Anschließend besprachen wir [d. h. Pünder und Papen] dann noch den Fall Luther. Planck hatte mir in der vergangenen Nacht mitgeteilt, daß Papen und Schleicher ganz vor allem auch die Beseitigung von Luther beabsichtigten, der keine Basis im Ausland habe und durch Schacht ersetzt werden müsse. Er werde morgen zum Reichspräsidenten bestellt und ‚am Portepée gefaßt‘ werden. […] Luther hatte mir am späten Abend noch gesagt, ich solle doch darauf hinwirken, daß sein Empfang bei Hindenburg nicht stattfinde, da er dem Reichspräsidenten gerne eine peinliche Stunde ersparen wolle. Diesen Antrag hatte ich gern ausgeführt. Mit eigentümlichem Erfolg: Herr von Papen erklärte mir in unserer denkwürdigen [d. h. der obigen] Besprechung, daß er nicht daran gedacht habe, Herrn Luther zu entfernen! […] Nachher fragte ich Planck, woher dieser Gesinnungswandel und diese völlig andere Darstellung [komme]. Planck war etwas betreten und erklärte, daß Papen aufgrund meiner Hinweise und aufgrund seines Vortrages entsprechend umgefallen sei und die Sache jetzt anders darstelle!“ (Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 135).
Ich erklärte mich zur Übernahme dieses Auftrages gern bereit und habe im Anschluß an diese Besprechung fernmündlich Herrn Präsidenten Dr. Luther sofort dementsprechend orientiert. Dr. Luther nahm diese Mitteilungen des Herrn von Papen mit großer Erleichterung und Dankbarkeit auf und erklärte sie im Hinblick auf die Sicherung der Währung und der Ermöglichung des Entgegentretens gegen alle Inflationsgerüchte für äußerst bedeutsam6.
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Am 2. 6. kam es in der Rkei zu einer längeren Unterredung zwischen Papen und Luther, in der, wie dieser in einer Aufzeichnung vom gleichen Tage (NL Luther 342) vermerkte, unter anderem „die Währungsgefährdung infolge der jetzt umlaufenden Gerüchte“ besprochen und die Veröffentlichung einer beruhigenden Presseerklärung vereinbart wurde. Ihr Wortlaut nach WTB vom 2. 6.: „Der Reichskanzler empfing heute nachmittag den Reichsbankpräsidenten zu einer eingehenden Aussprache. Dabei wurden sämtliche Probleme behandelt, die für die der Reichsbank obliegenden Aufgaben von Bedeutung sind. Es ergab sich völlige Übereinstimmung insbesondere darüber, daß keinerlei Währungsexperimente und überhaupt auf dem Währungs- und Kreditgebiete keine Maßnahmen in Frage kommen, aus welchen sich eine Gefahr für den Bestand der Währung ergeben könnte.“ (WTB-Ausschnitt in R 43 I/2438, Bl. 156).
Pünder