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[343] Nr. 94
Der persönliche Referent des Reichsministers des Innern, v. Steinrück, an Staatssekretär Planck. 2. August 1932
R 43 I/678, Bl. 2101
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Am Kopf des Schreibens Sichtvermerke Plancks (2. 8.) und Papens (8. 8.).
[Politische Stimmung in Bayern]
Im Auftrage des Herrn Ministers übersende ich Ihnen nachstehend einen ihm zugegangen Bericht aus Bayern v. 30. 7.
„Die Stimmung bei den regierenden Personen und der Bayerischen Volkspartei ist wie verwandelt. Wenn man alles, was mit dem Wahlkampf zusammenhängt, abzieht, bleibt beinahe ein Wohlwollen. Indirekte persönliche Anfrage gleich nach Stuttgart2 bei Held selbst bestätigte diese sehr befriedigte Auffassung. Einige Tage später waren allerdings schon wieder einige kleine Bedenken, so daß ich eine authentische Äußerung von H. verzeichnen kann dahin, „ob der augenblickliche Kurs des Kabinetts auch durchgehalten werden könnte“. Dann trat große Verstimmung wegen des Rundfunks ein. Die Regie hat hier anfangs unbedingt schlecht geklappt – daher Helds Rede in Köln3.
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Gemeint: Stuttgarter Besprechung der RReg. mit den Staats- und Ministerpräsidenten der Länder am 23. 7. (Dok. Nr. 83).
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Held in einer Kölner Wahlrede am 27. 7. u. a.: „Der Sturz Brünings habe die Fundamente der Ordnung und Sicherheit in Deutschland erschüttert. Heute werde eine Revolution gepredigt, die der Aufrichtung eines Parteistaates diene. Die Stimmen, die für Hindenburg abgegeben worden seien, gälten nicht nur der Person des Reichspräsidenten, sondern auch vor allem Brünings Aufbaupolitik, aber nicht jener Politik, die Hitler und seine Freunde einschlagen wollten. Die Zusammensetzung des Reichskabinetts mache den Eindruck, als ob das deutsche Volk aus Großagrariern, Schwerindustriellen und Intelligenzschulzen bestände. Das Signum des Kabinetts Papen sei ‚Wortföderalismus und Tatunitarismus‘.“ (Schultheß 1932, S. 132).
Seitdem aber ist geradezu glänzend operiert worden. Die Veröffentlichung der Leitsätze, die sofort hier bearbeitet wurden, haben gestern abend in der Bayerischen Staatszeitung durch den Referenten des Ministeriums des Innern einen Kommentar gefunden, der nach allen vorhergegangenen als ganz großer[344] Erfolg für v. G.4 gebucht werden kann, indem „diese Leitsätze als Grundlage einer Einigung zwischen Reich und Ländern“ bezeichnet werden5. Vorzüglich aufgenommen – gerade im richtigen Moment – das Eingreifen des Reichspräsidenten im Sinne Stuttgarts6.
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RIM v. Gayl.
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Hierbei handelt es sich um die neuen „Rundfunkleitsätze“ des RIMin., die von den „Vereinigten Ausschüssen“ des RR nach verschiedenen Änderungen am 27. 7. gebilligt worden waren. Vgl. Anm. 4 und 5 zu Dok. Nr. 63.
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Betrifft die VO des RPräs. „zur Sicherung des inneren Friedens“ (auch kurz „Burgfriedensverordnung“) vom 29.7.32 (RGBl. I, S. 389), die vom RIM bei der Besprechung in Stuttgart am 23. 7. (vgl. oben Anm. 2) angekündigt und von der RReg. am 28. 7. verabschiedet worden war. Vgl. dazu Dok. Nr. 89, P. 5.
Die Absicht, nach dem 31. einen politischen Burgfrieden zu bestimmen, wird unbedingt bei den genannten Kreisen eine weitere Stärkung der Stelle des Kabinetts bringen. Es bewahrheitet sich überall meine Behauptung, daß automatisch mit einer Abkehr von den Nazis Terrain auf der anderen Seite, also vor allem in Süddeutschland, gewonnen wird. Immerhin bedarf das Tempo dieser Abkehr der entsprechenden Überlegung nach der anderen Seite. Ich komme auf diese Seite gesondert zurück, da mir noch einige Unterlagen fehlen.“7
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Weitere Berichte dieser Art nicht bei den Akten der Rkei.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener
v. Steinrück