Text
[126] Nr. 25
Kabinettssitzung vom 27. August 1923, 18 Uhr
Anwesend: Stresemann, Schmidt, Sollmann, Hilferding, von Raumer, Radbruch, Oeser, Fuchs; StS von Rheinbaben, Stieler, Teucke, Trendelenburg, Weismann, Zapf; MinDir. Meissner, Heukamp, Ritter, von Schubert; Vortr.LegR von Stohrer; MinR Kempner; Protokoll: RegR Wienstein.
Vor Eintritt in die Tagesordnung macht der Reichskanzler Mitteilungen über seine Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Dr. v. Knilling1. Er hebt hervor, daß die Anregung zu der Besprechung von dem Bayerischen Ministerpräsidenten ausgegangen sei2. Hauptsächlich hätten Fragen der neuen Politik, der neuen Steuergesetzgebung und die außenpolitische Lage den Gegenstand der Unterhaltung gebildet3.
- 1
RK Stresemann war vom 24.–27.8.23 nach München gefahren; s. dazu Vermächtnis I, S. 99 f.
- 2
S. demgegenüber Dok. Nr. 11.
- 3
In „Aufzeichnungen für die Reise des Kanzlers nach Bayern“ hatte MinR Kempner am 24.8.23 16 Punkte z. T. mit Kommentaren versehen angeführt, die entweder von den bayerischen Ministern oder vom RK zu behandeln seien: 1. VORReg vom 10. 8. über die Presse, 2. VO Bayerns vom 11.5.23 über Vorschubleistungen zugunsten der Einbruchsmächte, 3. Bayer. GesEntw. über Volksbegehren und -entscheid, 4. Volksgerichte, 5. Fechenbach, 6. bayer. Kraftwerke, 7. Reichsbahn, 8. Vaterländische Verbände, 9. Bayer. Kabinett über RReg., 10. Schulgesetz, 11. Klagen des RIM über verspätete oder unterbleibende Antworten der bayer. Regierung, 12. Reichseinkommenssteuerstatistik, 13. Reichskriminalpolizei, 14. bayer. Presse, 15. Staatsautorität nach links, 16. Länderfinanzhoheit (R 43 I/2218, Bl. 36–38). Vgl. hierzu auch Dok. Nr. 21.
Zusammenfassend könne er bemerken, daß man nach mehrstündiger Unterredung zu einem Einverständnis in allen Fragen gekommen sei4.
- 4
Zu dem Ergebnis des Besuchs berichtete StS von Haniel aus München zunächst am 28.8.23: „Wenn man die bayerischen Pressestimmen vor und nach dem Kanzlerbesuch vergleicht, so wird man darin unverkennbar eine wesentlich freundlichere Einstellung gegenüber der Person des Reichskanzlers feststellen können.“ Von keiner Seite sei länger beabsichtigt, dem Kanzler in den Arm zu fallen, sondern vielmehr „die Taten seiner Regierung“ abzuwarten. Seit dem Gespräch Stresemanns und von Knillings in Mittenwald seien in der Presse weder höhnische noch unfreundliche Artikel erschienen (R 43 I/2233, S. 113–115). In einem Pressereferat vom 30.8.23, das Äußerungen aus BVP-Organen enthielt, gelangte Haniel zu dem Schluß, offizielle Auffassung der BVP sei, daß zwar keine Haltung gegen die RReg. eingenommen werde, doch dürfe Stresemann auch nicht auf eine voraussetzungslose Gefolgschaft Bayerns rechnen. „Im übrigen glaubt bekanntlich der bayerische Löwe leicht, daß er einen um so stärkeren Eindruck macht, je lauter er brüllt“ (R 43 I/2233, S. 135–138).