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[64] Nr. 16
Exposé der Reichsbank zur Frage des Goldkredits und der Goldkonten. 22. August 1923
R 43 I/666, Bl. 38–45 Durchschrift1
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Aus dem Anschreiben des RbkPräs. Havenstein geht hervor, daß mit diesem Exposé eine „vorläufige Unterrichtung über das, was hier beabsichtigt ist“, gegeben werden sollte. Das Exposé entstand wahrscheinlich nach der Unterredung die der RK am Vortage mit Havenstein und dessen Stellvertreter von Glasenapp geführt hatte (s. dazu Dok. Nr. 19); denn Havenstein bezieht sich in seinem Schreiben auf diese Unterredung und erklärt, „daß bei der Kürze der Zeit eine sorgfältigere redaktionelle Durcharbeitung nicht möglich war“. Dem Schreiben hatte Havenstein außerdem zwei Rundverfügungen an die Reichsbankanstalten und Darlehenskassen zur Behandlung von Lombarddarlehen beigefügt. „Weitere Maßnahmen sind in Aussicht genommen, insbesondere steht die Einrichtung von Festmark-Girokonten unmittelbar bevor“ (R 43 I/666, Bl. 37). S. hierzu A. Lansburgh, Die Politik der Reichsbank, S. 49.
Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und die Entwertung der Mark haben im ganzen Volke die immer leidenschaftlichere Forderung hervorgerufen nach durchgreifenden Maßnahmen auf dem Bank- und Währungsgebiete. Alle Welt glaubt, in dem Begriff „Goldkredite“ und „Goldkonten“ das Allheilmittel gefunden zu haben, obwohl sich jeder selbst sagen müßte, daß eine wirkliche Besserung viel allgemeinere, viel tiefer und viel breiter ansetzende Maßnahmen verlangt. Obwohl die Reichsbank hiervon2 durchdrungen ist, vor allem davon, daß ohne durchgreifende Änderung der Finanzgebarung des Reiches, Herstellung unserer Grenzen, Herstellung unserer Handels- und Zahlungsbilanz und Wiederkehr wirtschaftlicher Vernunft in unserer inneren, zurzeit mehr verzehrenden als produzierenden Wirtschaft alle Sondermaßnahmen3, nur bescheidenen Erfolg haben werden, hat sie sich dennoch den Gedankengang zu eigen gemacht und ist <angesichts des Vordringens des wertbeständigen Verkehrs und zur möglichst vollständigen Verhütung unbilliger Ausnutzung der Papiermark-Kredite der Reichsbank4>5 bereit und im Begriff, entsprechende Versuche zu machen. Freilich so, wie sich die Welt es bisher vorgestellt hat, geht es einfach nicht, sonst läuft die Bank gefahr, sich selbst zu ruinieren. Die Bank kann reine Goldkredite nur geben, solange sie, und zwar in hinreichend elastischer Weise Goldnoten ausgeben kann, wie sie auch andererseits solche Noten nur ausgeben kann gegen reine Goldkredite, die aber auch nicht ausreichen, vielmehr eine kräftige Seitenstütze durch Gold- und vielleicht Golddevisen6 bestände haben müssen. Die Bank kann aber auch Golddepositen unbeschränkt annehmen nur, wenn sie genügend Goldaktiva (Goldkreditforderungen)7 von größter Flüssigkeit dagegen zur Verfügung hat, aber auch das kann sie wegen der zeitlichen Inkongruenz der Fälligkeiten auf beiden Seiten[65] wiederum8 nur, wenn sie zum Ausgleich die Möglichkeit hat, Noten auszugeben, die ihrem Charakter nach zu den Golddepositen stimmen, nämlich Goldnoten. Solange die Reichsbank solche Noten nicht ausgibt, solange sie Papier-9 marknoten emittieren muß, solange sie also den Bruch zwischen Gold- und Papiermark in sich zu tragen hat mit seinen Risiken, kann sie die in der letzten Zeit an sie gestellten Ansprüche, so wie10 sie gestellt sind, einfach nicht erfüllen11.
Es erscheint nicht überflüssig zu betonen, daß es grundfalsch ist, zu glauben, mit der Schaffung von Goldkonten und Goldkrediten, selbst in reiner Form, sei und werde nun alles gut. Was aus den Goldkonten und Krediten wird, welchen Erfolg sie haben werden, ist schwer zu sagen, und es ist ein gewisses Wagnis, das unternommen wird – seitens der Reichsbank insbesondere auch in verwaltungstechnischer Beziehung; wir wollen nicht verhehlen, daß es mit der Arbeitsbelastung eines großen Teils unserer Beamtenschaft sehr übel bestellt ist.
Dennoch wollen wir es wagen. Allerdings mußten die Goldkredite, damit die Verlustgefahr für die Reichsbank ausgeschlossen werde, mit der Sicherung des hingegebenen Papiermarkbetrages belastet werden; <da der Schuldner meistens, auch bei sich bessernder Mark, zu zahlen hat, wodurch eben der Kredit den Charakter des eigentlichen, reinen Goldkredits verliert>12 einen Ausgleich sehen wir einmal darin, daß das Entwertungsrisiko für die Kreditnehmer auf 4/5 beschränkt und die Zinsen nur von dem Ausgangs-Markbetrag, <nicht auch von der Entwertung>13 erhoben werden, auch ist beabsichtigt, sobald gewisse rechtliche Bedenken beseitigt sind, was in Kürze der Fall sein dürfte, für diese Kredite einen wesentlich niedrigeren Zinsfuß einzuführen. Die Frage der Goldkonten steht vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Schaffung wertbeständiger14 Anlagen möglichst für kurze Fristen und Ersparung von Devisen als Zahlungs- und Anlagemittel. Daher haben wir uns entschlossen, einen Goldgiroverkehr einzuführen, der sich auf Einzahlung von Devisen gründet und innerhalb des Kreises der Beteiligten selber uneingeschränkt auf Gold beruht. Nur die endgültigen Abhebungen aus den Konten geschehen – zum Tageskurs – in Papiermark. Um aber gewisse Anreize zu bieten, sollen Einzahler von Devisen 25% davon zusätzlich in Papiermark auf diese Konten einzahlen können und außerdem bei Zuteilung von Devisen im Bedarfsfalle von der Reichsbank bevorzugt werden. Für die 100% der Devisen in ihrem jeweiligen Bestande muß und wird die Reichsbank volle Gegendeckung in Devisen15 unterhalten, während sie für die 25% Ersatzdeckung suchen muß, bereit, die auch in dieser Ersatzdeckung noch erheblichen, aber immerhin begrenzten Risiken auf sich zu nehmen.
[66] Ein weiterer Schritt – unter dem Gesichtspunkt, in tunlichst weitem Umfange dem Publikum wertbeständige Anlagen zu ermöglichen – ist geplant, indem16 die Reichsbank ihr Portefeuille an Goldkrediten zu einem größeren Prozentsatz der Allgemeinheit durch Rediskont zur Verfügung stellen wird, in der Weise, daß sie nach Maßgabe der Fälligkeiten dieses Portefeuilles Zertifikate17 ausstellt und begibt, in ähnlicher Weise wie dies jetzt mit den Reichsschatzanweisungen geschieht. Hierzu bedarf die Reichsbank aber einer eventuellen Änderung des Bankgesetzes.
Nun wird man vielleicht die Frage aufwerfen, warum die Reichsbank erst jetzt mit diesen Dingen herauskommt. Darauf ist zu erwidern, daß so, wie die aufgestellten Forderungen lauteten, sie geradezu unmöglich waren. Die Entgegennahme von Papiermark zur Gutschrift auf Goldkonto würde nichts anderes bedeutet haben, als das gesamte Risiko der Markverschlechterung von der Wirtschaft auf die Reichsbank abzuladen, welche nicht in der Lage ist, ihre Deckungsanschaffungen und -abgaben rasch genug den Zugangs- und Abhebungsbewegungen auf den Goldkonten so anzupassen, daß Verluste vermieden werden können. Genau das gleiche gilt von den Goldkrediten, bei denen die Reichsbank das umgekehrte Risiko eingehen würde. Eine Kompensation beider Risiken aber findet nicht statt, da die Bewegungen beider Seiten nicht gleich – sondern auseinanderlaufen, und zwar um so mehr, je stärker die Wertschwankungen der Mark nach18 oben und unten sind.
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Danach zunächst: „beiden Seiten hin“.
In19 voller20 Erkenntnis dieser Sachlage und der Tatsache, daß die übrigens keineswegs mit voller Klarheit gemachten Vorschläge nicht21 brauchbar waren, mußte die Reichsbank ihrerseits ganz neue Wege suchen, um das Problem so zu lösen, daß sie selbst ohne allzu große Gefährdung davonkam. Daß dies nicht von heute auf morgen geht, liegt auf der Hand, besonders wenn man sich klar macht, daß auf diesem äußerst heiklen Gebiet gerade die Versuche, praktisch weiter zu kommen, namentlich auch bei den Einzelheiten, vorher nicht geahnte Schwierigkeiten zutage bringen, an denen mitunter das Ganze zu scheitern droht. Größte Vorsicht war zudem umsomehr am Platze, je weniger sich die Wirkung im ganzen abschätzen läßt – wir sind heute noch nicht klar über die Folgen für die Wirtschaft – und je mehr die Reichsbank für alle Maßnahmen auf diesem Gebiet verantwortlich gemacht wird22. Die Nützlichkeit der Goldrechnung unter heutigen Verhältnissen ist noch keineswegs erwiesen, und es ist ebenso wenig abzusehen, ob und wie weit die Wirtschaft eine Verschuldung in Goldmark tragen kann, ohne daß zahlreiche Existenzen gefährdet werden.
Dazu kam, daß in den gemachten Vorschlägen nicht immer völlige Klarheit bestand. Der Vorschlag des Reichswirtschaftsministeriums, der unseres Wissens noch jetzt dem Kabinett vorliegt, ging aus von dem Gedanken der[67] Erfassung der Exportdevisen für Importzwecke23. Das Wesen dieses Planes verlangt rasches Erfassen der Devisen auf der einen und rasche Hergabe auf der anderen [!] zum Zweck der Sicherung notwendiger Importe. Das Wesen des Goldkontos verlangt Deckung und zwar, da eine andere Deckung nun einmal nicht ausreicht, mindestens zum allergrößten Teil in Devisen; diese Deckung aber darf nicht abgehoben werden, sie muß bleiben, solange sie nötig ist, das heißt solange die Goldkontoverpflichtung besteht. Die Devisen aus dem Export, die für den Import bestimmt sind, müssen greifbar bleiben. Darum können für die Deckung der Goldkonten Devisen dieser Herkunft nicht in Betracht kommen, vielmehr nur solche Devisen, die bisher vom Verkehr als wertbeständige Vermögensobjekte gehalten wurden. Der Gedanke des Reichswirtschaftsministeriums24, insofern er mit der Devisendeckung der Goldkonten25 als solches operiert, ist an sich richtig und konnte von uns akzeptiert werden, erschien uns jedoch nicht in der Form brauchbar, wie er gegeben war, und es mußten, um den Entwurf des Reichswirtschaftsministeriums wenigstens einigermaßen zu berücksichtigen, anderweit Mittel und Wege gesucht und gefunden werden; daß hierin, wie auch in dem Gedanken, gleichzeitig einen Devisen sparenden Goldgiroverkehr auf diesen Goldkonten aufzubauen, Schwierigkeiten liegen, die doch erst überwunden werden mußten, liegt auf der Hand.
Auch der Gedanke, das Diskontgeschäft der Reichsbank auf Gold einzustellen, war und ist zunächst nicht brauchbar. Es bedarf hierzu erst der Änderung der Wechselordnung26. Ganz ähnliches gilt von der Frage der Diskontpolitik. Es ist ganz richtig, auf grundsätzlich verschiedene Zinssätze für wertbeständige und für Papiermarkkredite hinzuarbeiten. Aber auch hier stand und steht zunächst das Bankgesetz entgegen. Entwürfe zur Abänderung sowohl der Wechselordnung wie des Bankgesetzes liegen dem Kabinett zurzeit vor27.
Um sogenannte Goldkredite überhaupt zu ermöglichen, hat daher die Reichsbank den Weg beschritten, vorläufig diese Kredite als wertbeständige Lombardkredite zu geben, bei denen sie glaubt, auch in Kürze schon einen wesentlich niedrigeren Zinsfuß in Ansatz bringen zu können.
Die Forderung, die Reichsbank möge fortan ausschließlich Goldmarkkredit gewähren, ist nicht durchführbar. Sie geht mit davon aus, daß eine einigermaßen brauchbare Abgrenzung, der Papiermark- und der Goldmarkkredite nicht möglich ist, was unbedingt28 als richtig zugegeben werden muß29. Aber die Reichsbank kann und darf auf diesem gefährlichen Gebiete nicht die Führung übernehmen30, sondern kann sich höchstens der Entwicklung anpassen und ihr folgen; zum mindesten muß sie, wenn sie den Verkehr in der angegebenen31[68] Richtung beeinflußt, <was bereits geschieht>32, dies sehr vorsichtig und nur allmählich tun. Würde sie eine sofortige, plötzliche allgemeine Umstellung der Wirtschaft herbeiführen, so würde sie damit bewirken, daß die Preisrevolution noch weit schneller und heftiger vor sich ginge und daß durch die Schwierigkeiten der Kalkulation große Kreise der Wirtschaft ernstlich gefährdet würden33, ganz abgesehen davon, daß damit auch eine ungeheuerliche Steigerung des Papiergeldumlaufes verursacht würde34; daß hiermit auch sehr gefährliche Stockungen in der Zahlungsmittelversorgung des Verkehrs unvermeidlich einhergehen müssen35, haben die Vorgänge der letzten Zeit genugsam erwiesen.
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Danach zunächst: „zugestanden“.
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Am Rand in der Handschrift Grävells: „Wenn man Goldmarkkredit geben wird, ist eine Abgrenzung nicht nötig.“
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Dieser Satzteil lautete zunächst: „Aber einmal kann und darf die Reichsbank auf diesem gefährlichen Gebiet nicht die Führung übernehmen“.
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Hs. eingefügt.
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Hs. eingefügt.
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Dazu am Rand von Grävell: „Wie ist es jetzt?“
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Dazu am Rande von Grävell notiert: „Das ist doch dann unbedenklich!“
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Dazu Grävell am Rand: „Weil die Reichsbank nicht genügend gerüstet war.“ Vgl. dazu Anm. 6 zu Dok. Nr. 10.
Die Reichsbank versucht also auf den verschiedenen Gebieten neue Wege zu gehen:
Da sie das Risiko reiner Goldkredite solange nicht eingehen kann, als sie lediglich auf Papiermarkemission angewiesen ist, war sie gezwungen, die Summe der hingegebenen Papiermark sich garantieren zu lassen, wogegen sie gewisse Äquivalente glaubte bieten zu müssen.
Da der Goldmarkdiskont vorläufig aus verschiedenen Gründen sich verbot, mußte der36 schwierigere und kompliziertere Weg der Lombardierung betreten werden.
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Danach zunächst „schwierige komplizierte“.
Da für die Goldmarkkonten andere ausreichende Deckung, wie oben dargelegt, nicht zu beschaffen war, mußte volle Devisendeckung und deren Einzahlung zur Bedingung gemacht, dem Bedürfnis nach auch kurzfristiger wertbeständiger Anlage in anderer Weise Rechnung getragen werden, daher die Zulassung der 25% zusätzlicher Papiermarkzahlung und ferner der Gedanke der Zertifikate, der augenblicklich noch im Stadium der Erwägungen begriffen ist.