Text
Nr. 96
Das Reichsbankdirektorium an den Reichskanzler, 30. September 1923
[Betrifft: Zurückhaltung von Gold der Reichsbank in Bayern1.]
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Am Kopf des Schreibens vermerkte Kempner am 2.10.23: „Die Sache wird durch die Rbk geregelt.“ Vgl. u. Anm. 4.
<Um die Belieferung der bayerischen Bezirke mit Bargeld reibungslos durchzuführen, haben wir 7 große bayerische Druckereien mit der Herstellung von Banknoten beauftragt. Diese Druckereien stellen täglich insgesamt nahezu 100 Billionen Mark her. Für die Aufnahme dieser gewaltigen Geldmassen sind die Tresore unserer in Bayern gelegenen Bankanstalten zu klein geworden. Insbesondere waren in Nürnberg durch den Zufluß an Noten unhaltbare Zustände geschaffen worden. Wir haben uns deshalb und zwar bereits am 17. September d. Js. entschlossen, dem Ansuchen der Reichsbankhauptstelle Nürnberg auf Freimachung einzelner Tresorteile stattzugeben und haben, nachdem am gleichen Tage eine örtliche Besichtigung durch den Dezernenten für Geldwesen in Nürnberg stattgefunden hatte, die in dem Nürnberger Tresor ruhenden Goldbestände hierher abgerufen. Maßgebend für diese Abrufung war außerdem die Tatsache, daß die Nürnberger Bestände ausschließlich aus Münzgold, während die Berliner Goldbestände in der Hauptsache aus Barren bestehen, die zur Durchführung valutarischer Bewegungen weniger geeignet sind als Münzen.
Der von uns abgerufene Goldtransport ist am Freitag früh in Nürnberg verladen worden und sollte mit dem Zuge 10.32 früh abgehen. Um ½10 Uhr vormittags erteilte die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth als ausführendes Organ des Bayerischen Generalstaatskommissars telefonisch der Reichsbankhauptstelle die Weisung, das Gold in Nürnberg zu lassen. Dieser telefonisch gegebene Befehl wurde um 6 Uhr abends schriftlich bestätigt2. Abschrift dieser Bestätigung beehren wir uns beizufügen3.>
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Der Befehl lautete: „Unter Bezugnahme auf die heutigen fernmündlich und mündlich geführten Rücksprachen bestätige und wiederhole ich die dorthin übermittelte Weisung des Herrn Generalstaatskommissars für Bayern, wonach Goldtransporte der Reichsbank, die heute oder in den folgenden Tagen von dort abgehen sollten, bis auf weiteres zurückzuhalten sind. – Ich ersuche, die Bestände bis zum Eintreffen anderweitiger Anordnungen in den dortigen Tresors zu verwahren. gez. Gareis“ (R 43 I/2288, Bl. 113 u. 155).
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Bis hierher stimmt das Schreiben wörtlich mit dem überein, das die Rbk am 1. 10. an den Generalstaatskommissar sandte und der Rkei abschriftlich zuleitete. Der Text an Kahr lautete weiter: „Wir können nur annehmen, daß die Zurückhaltung des Goldes auf einem Mißverständnis beruht. Aber auch wenn Befürchtungen in bezug auf die Sicherheit des Transportes bestimmend gewesen sein sollten, erachten wir die Zurückhaltung des Transportes nicht für angängig. Die Belieferung der bayerischen Anstalten mit Geld muß mit Rücksicht auf die andauernd zunehmende Markentwertung in so reichlichem Maße in den nächsten Tagen erfolgen, daß wir auf die Tresore der bayerischen Bankanstalten in vollem Umfange angewiesen sind. Im Interesse der ungehemmten Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs in Bayern müssen wir deshalb dringend bitten, die Freigabe dieses Transportes unverzüglich anzuordnen und uns von der Anordnung telegrafisch in Kenntnis setzen zu wollen“. Abschriften seien dem Bayer. MinPräs. und dem RK zugesandt worden (R 43 I/2218, Bl. 154–154 a).
[417] Von der Reichsbankhauptstelle Nürnberg wurde Protest gegen die Zurückhaltung des Goldes erhoben, jedoch ohne Erfolg. In der Zurückweisung des Protestes wurde ohne Angabe von Gründen gesagt, daß es bei dem ersten Befehle zu verbleiben habe. Das Gold ist infolgedessen wieder in die Tresore der Reichsbankhauptstelle Nürnberg zurückgeführt worden4.
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Zu Überlegungen, die Reichswehr zur Freigabe des Goldes einzusetzen, s. Anhang Nr. 1. Vor der SPD-Fraktion erklärte ihr Vorsitzender H. Müller diese Maßnahme als einen Versuch Bayerns, sich „langsam auf Absperrung“ einzustellen, „wenngleich von den 100 Millionen in der Nürnberger R-Bankfiliale 80 nach Berlin verbracht sein sollen“ (31.10.23; Arch. soz. Dem.: NL Keil 24). Ein Vertreter der Rbk (Vocke) habe mit Kahr verhandelt, der seine Zustimmung zum Abtransport gegeben habe, vermerkte RegR Wienstein am 30.10.23. Kahrs Wunsch gehe dahin, „jedesmal benachrichtigt zu werden, wenn Reichsbankgold aus Bayern abtransportiert werden soll“ (R 43 I/2218, Bl. 156). S. dazu E. Deuerlein, Der Hitlerputsch, Dok. Nr. 25, 35, 38; W. Vocke, Memoiren, S. 81 ff. mit falscher Datierung auf das Jahr 1920.
Reichsbankdirektorium
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