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Nr. 13
Weisung des Reichspräsidenten für den Reichswehrminister. 6. April 19201
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Möglicherweise steht diese Weisung in Zusammenhang mit einer Kabinettssitzung, die am 6.4.20 um 11 h stattgefunden hat, für die aber keine Niederschrift zu ermitteln war (R 43 I/1345, Bl. 64). Koch-Weser notierte für sein Tagebuch über diese Sitzung, deren Beginn er mit 11.30 h angibt: „Heftiger Gegensatz. Angriffe Davids und Bauers gegen Geßler. Es geht ihnen zu langsam. Geßler will sein Instrument nicht zerschlagen lassen und reagiert nicht ohne weiteres auf Telegramme, sondern prüft. Presse versteht das nicht und beeinflußt auch das Ausland gegen uns ‚Militaristen‘. Beim Bürgertum wieder Klagen über zu zögerndes Vorgehen. Man sieht, wie die einen die Richtung gegen den Bolschewismus nehmen, die andern gegen die Reaktion. Fallen wir wirklich auseinander, so gibt es den Kampf zwischen roter und weißer Armee. – Dahin gehört auch, daß, wie der Kanzler mitteilt, die Einwohnerwehr gemäß Machtspruch der Entente zum 10. 4. aufgelöst werden soll. Das ist im Osten gegenüber den reaktionären Wehren dringend erwünscht. Überall sonst aber bedeutet es die Wehrlosmachung der Bevölkerung gegenüber den Kommunisten, die noch Waffen haben. Ich erkläre, daß ich auf Grund dieser Mitteilung noch nichts veranlasse“ (BA: Nachlaß Koch-Weser 27).
[Betrifft: Militärpolitische Maßnahmen nach dem Kapp-Putsch.]
Dem
Herrn Reichswehrminister
übergebe ich nachstehende Punkte mit der Bitte um Berücksichtigung:
1. | Übermittlung einer Liste der bisher ernannten Reichskommissare2. |
2. | Alle Berichte der Reichskommissare sind mit Stellungnahme des Herrn Reichswehrministers zu den Vorschlägen der Kommissare mir unverzüglich vorzulegen. |
3. | Rasche Erledigung der Berichte, die ich vom R.Wehrm. erbitte. |
4. | Entlassung aller Offiziere im R[eichs] W[ehr] M[inisterium], die beim Staatsstreich ihre verfassungsmäßigen Pflichten verletzt haben. |
5. | Entlassung aller Offiziere der Admiralität, die beim Staatsstreich sich den Befehlen von Trothas unterstellt haben. |
6. | Alle Offiziere der Truppe, die beim Staatsstreich ihre verfassungsmäßigen Pflichten verletzt haben, sind zu entlassen3. |
7. | Die Marinebrigade <Ehrhardt>* ist schnellstens aufzulösen. |
8. | Alle dem RWM bekannten Fälle von Verletzungen verfassungsmäßiger Pflichten durch Offiziere sind dem Oberreichsanwalt zur weiteren Veranlassung zu übergeben. |
9. | Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die beim Staatsstreich ihren verfassungsmäßigen Pflichten treu blieben, dürfen in keiner Weise benachteiligt oder behelligt werden. Sie verdienen Anerkennung. Ein entsprechender Befehl des Herrn Reichswehrministers sollte sofort der Truppe gegeben werden. |
10. | Die Einwohnerwehren und die Zeitfreiwilligen-Verbände sind baldigst aufzulösen4. |
11. | Die Bevölkerung ist aufzufordern, über ihr bekannte versteckte Waffenlager Anzeige zu machen5. |
12. | Alle versteckten Waffenlager in Stadt und Land sind zu beschlagnahmen. |
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Zur Ernennung von RKom. s. Dok. Nr. 14.
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Die Schwierigkeiten bei der Säuberung der Reichswehr von Kapp-Anhängern werden deutlich in der Arbeit von Caro-Oehme, Schleichers Aufstieg, 1933, S. 111–115; s. dazu auch Noskes Äußerung auf der Reichskonferenz der SPD am 5.5.20 (O. Schüddekopf, Heer und Republik, 1955, S. 113 f.) und F. L. Carsten, Reichswehr und Politik, 1964, S. 104 ff. Vgl. hierzu auch den Erlaß des RPräs. an den RWeM vom 1.4.20 bei E. R. Huber, Dokumente Bd. III, S. 223.
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In der Druckfassung; „Erhardt“; Anm. der Online-Edition.
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S. zur Auflösung der Einwohnerwehren o. Anm. 1 und Dok. Nr. 20. Zum Verhalten gegenüber den Zeitfreiwilligen s. Dok. Nr. 26 und 79.
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Zur Entwaffnung s. Dok. Nr. 65.
Berlin, den 6. April 1920
Ebert