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Nr. 83
Der Reichsfinanzminister an den Reichsernährungsminister. 7. Mai 1920
R 43 I/351, Bl. 44 Abschrift1
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Das Schreiben wurde in der Rkei bekannt durch eine Beschwerde des REM wegen seiner Nichtbeteiligung an der Besprechung vom 29. 4. (19.5.20; R 43 I/351, Bl. 42 f.).
[Betrifft: Verbilligung von Nahrungsmitteln in Oberschlesien.]
Sowohl gelegentlich der am 29. April abgehaltenen Chefbesprechung im Reichstagsgebäude, als auch in der Ostkonferenz am 30. April 19202 wurde die Frage der Verbilligung der Lebensmittel für Oberschlesien mit dem Chef der Propaganda, Landrat Lukaschek in Breslau, eingehend besprochen. Hierbei äußerte Landrat Lukaschek seine Ansicht dahin, daß eine generelle Verbilligung bestimmter Nahrungsmittel in Oberschlesien vom Gesichtspunkt der Propaganda aus durchaus wirkungslos verpuffen würde, es müßten denn Hunderte von Millionen für diesen Zweck aufgewendet werden, was bei der finanziellen Lage des Reiches ausgeschlossen ist3. Landrat Lukascheck hat die ganze Aktion, die in der am 28. April 1920 im Reichsministerium für Ernährung und[200] Landwirtschaft stattgehabten Besprechung zur Frage stand, für unnötig und voraussichtlich wenig wirkungsvoll erklärt4.
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Zur Chefbesprechung vom 29. 4. s. Dok. Nr. 72.
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Ein ausführliches Protokoll dieser Besprechung befindet sich in R 43 I/351, Bl. 9-22. In seiner Beschwerde vom 19. 5. ging der REM auf diese Besprechung ein und erklärte, daß sie im wesentlichen auf das Bestreben der Rkei zustande gekommen sei. „Das Ergebnis dieser Erörterung war dahin zusammenzufassen, daß in einzelnen, zu Propagandazwecken besonders geeigneten Fällen die Bereitstellung von Geldmitteln zur Verbilligung landwirtschaftlicher Bedarfsartikel und Lebensmittel über den Rahmen der allgemeinen Verbilligungsaktion hinaus von Fall zu Fall zu prüfen sei und das Nähere in einer weiteren Besprechung vereinbart werden sollte.“ Zunächst habe er in Übereinstimmung mit dem PrIM 20 Mio M zur Verbilligung von Kondensmilch für Oberschlesien beantragt. „Dem Vernehmen nach sollen dem Landrat Lukascheck als Leiter des Schlesischen Ausschusses monatlich 5 Mio M für Propagandazwecke zur Verfügung gestellt sein. Dieser Betrag dürfte im wesentlichen durch Ausgaben für andere Propagandamittel erschöpft werden und, wie bereits der Antrag auf Bereitstellung von 20 Mio M zur Milchverbilligung erweist, für die hier in Frage kommenden Sonderaktionen auf dem Gebiete der Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung im allgemeinen keinen Raum lassen“ (R 43 I/351, Bl. 42 f., hier: Bl. 42). Ähnlich urteilte auch die Reichszentrale für Heimatdienst, die wie das PrIMin. die Ansicht vertrat, „daß deutscherseits eine Aktion unternommen werden muß, die in dem Oberschlesier das Empfinden wachruft, daß Deutschland mindestens ebenso warm für ihn fühlt wie Polen. Gerade bei dem weichherzigen Oberschlesier ist es vom propagandistischen Standpunkt aus betrachtet von ausschlaggebender Bedeutung, wenn von deutscher Seite die Versorgung mit Milch für die Kinder tatkräftig in die Hand genommen wird, […]“ (12.5.20; R 43 I/2504, Bl. 222 f., hier: Bl. 223).
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Demgegenüber wurde von der Reichszentrale für Heimatdienst die Ansicht vertreten: „Bei geschickt geleiteter Propaganda ist auch eine Belieferung in gleicher Höhe, wie von der Seite des Feindes, nicht nötig. Unsere Lieferungen brauchen nur einen Bruchteil der polnischen auszumachen. Sie müssen aber fortlaufend sein und alle die Gebiete erfassen, welche von der polnischen Belieferung erfaßt werden“ (12.5.20; R 43 I/2504, Bl. 222 f., hier: Bl. 223).
Der Erkenntnis, daß in propagandistischer Hinsicht in Oberschlesien mehr geschehen muß, als dies bisher der Fall war, verschließe ich mich nicht. Ich habe mich daher auch bereit erklärt, dem Landrat Lukascheck für Propagandazwecke sehr erhebliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie werden so bemessen sein, daß die Möglichkeit besteht, auch verbilligte Lebensmittel dort, wo es in propagandistisch wirkungsvoller Weise erfolgen kann, zur Verteilung zu bringen. Ich bin daher zu meinem Bedauern nicht in der Lage, daneben noch besondere Mittel bereit zu stellen5.
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In einer Ressortbesprechung am 28.5.20 wurde erneut die Frage der Lebensmittelpropaganda in Oberschlesien und insbesondere die Verbilligung von Kondensmilch behandelt, und diesmal trat auch das RFMin. der Forderung bei, die Mittel für die Propaganda zu erhöhen (RFM an den PrFM, 3.6.20; R 43 I/2504, Bl. 286 f.). Der REM orientierte darüber den PrFM: „In der Besprechung ist von den Vertretern aller politischen Reich- und Staatsressorts die Notwendigkeit dieser Verbilligungsaktion, sowie die Bereitstellung eines Dispositionsfonds von 100 Mio M zur Verbilligung von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln und Lebensmitteln gegenüber der immer stärker in Erscheinung tretenden polnischen Propagandatätigkeit auf diesem Gebiet übereinstimmend anerkannt worden.“ Weiter stellte der REM fest, der Dispositionsfonds solle von ihm verwaltet werden, „da der Zweck ausschließlich Gegenstände meines Geschäftsbereichs betrifft und bei der Verbilligung in jedem einzelnen Falle die allgemeine Preispolitik auf diesem Gebiet mitzuberücksichtigen ist.“ Eine Verwaltung durch Landrat Lukascheck oder das PrIMin. würde zu Verzögerungen bei der Verwendung führen. „Dagegen wird selbstverständlich die Vorbereitung der einzelnen Verbilligungsanträge im engsten Einvernehmen zwischen dem diesseitigen Kommissar in Oppeln und dem Landrat Lukascheck erfolgen müssen und meine Entscheidung in laufender Fühlungnahme mit den politischen Reichs- und Staatsressorts zu fällen sein“ (7.6.20; R 43 I/2504, Bl. 284 f.).
In Vertretung
gez. Schroeder