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Nr. 18
Die Preußische Gesandtschaft München an das Auswärtige Amt. 6. April 1920
[Betrifft: Separatistische Strömungen in Bayern.]
Der Separatismus nimmt allmählich eine geradezu erschreckende Ausdehnung an. All die zahlreichen Teile des Landes, die mit der Reichsorientierung einverstanden sind, geraten mehr und mehr in Oppositionsstellung zu Berlin. Sie realisieren, daß der neue Kurs in Bayern nicht sehr viel praktische Bedeutung[42] haben wird1, da der Schwerpunkt der politischen Begebenheiten ja nicht in München, sondern in Berlin liegt. Aus dieser Feststellung folgt zwangsläufig der Wunsch, die Berliner Vorherrschaft abzuschütteln. Redensarten wie „Wir haben keine Lust, uns weiter von Berliner Juden und Bolschewisten regieren zu lassen“ oder „Wir sind zwar reichstreu, wenn es aber so weitergeht, könnte Bayern schon aus Selbsterhaltungstrieb gezwungen werden, sich vom Reiche zu trennen“, sind heute allenthalben an der Tagesordnung. Jedes vermeintliche Entgegenkommen Berlins gegenüber dem Radikalismus wird genau verfolgt und dazu ausgenutzt, einen Widerspruch zwischen Nord und Süd zu konstruieren. Der sich immer schärfer akzentuierende Gegensatz der ländlichen und bürgerlich-städtischen Bevölkerung gegen alles, was mit der Industrie zusammenhängt, der ins politische übertragen, sich als Gegensatz zwischen Föderalismus und Zentralismus, zwischen Separatismus und Reichstreue darstellt, ist eine der stärksten und am schwersten ausrottbaren Wurzeln der Opposition Bayerns gegen den Norden.
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Das bayer. Kabinett Hoffmann war am 14.3.20 zurückgetreten, nachdem in der Nacht vom 13. zum 14. 3. General von Möhl begleitet von einer Offiziersdeputation dem Ministerpräsidenten mitgeteilt hatte, er könne angesichts der Haltung der Offiziere die Sicherheit der Regierung nicht garantieren. Die Regierungsgewalt müsse dem Generalkommando übertragen werden. Bei nachfolgenden Verhandlungen über die Regierungsbildung beschloß die SPD, sich an einem Koalitionskabinett mit bürgerlichen Parteien nicht zu beteiligen. Das neue Kabinett wurde am 16.3.20 unter dem Regierungspräsidenten von Oberbayern Staatsrat v. Kahr gebildet (Schultheß 1920, S. 58 ff.).
Während bisher der Separatismus in den Kreisen des städtischen Bürgertums nur wenig Boden gefunden hatte, werden neuerdings auch diese Kreise von der Krankheit ergriffen. Der bayerische Ordnungsblock2, ein rein bürgerliches, von schwerindustriellem Geld finanziertes Gebilde hat zwar die München-Augsburger Abendzeitung gezwungen, den im Zusammenhang mit der Publikation seines Aufrufes gebrauchten Ausdruck von der neuen Mainlinie wieder zurückzunehmen. Gleichzeitig hat er aber einen neuen Aufruf plakatieren lassen, in dem die gleichen Vorwürfe gegen die Reichsregierung nur in noch schärferer Form wiederholt werden3. Ähnliche Plakate sollen, wie ich aus der Vorstandschaft des Ordnungsblockes höre, in naher Zukunft folgen. Auch der Bayernbund – nicht zu verwechseln mit dem Bayernbund für Deutschlands Neubau – ein Ableger des Deutschen Bundes, hat kürzlich Handzettel verteilen lassen, in denen die Maßnahmen der Reichsregierung wegen ihres angeblichen Entgegenkommens gegen die äußerste Linke scharf kritisiert werden. Dieses ständige gehässige Mäkeln an allem, was von Berlin aus geschieht, ist ein äußerst gefährliches Spiel mit dem Feuer. Die Verbindung zwischen Nord und Süd wird gelockert und eine Atmosphäre geschaffen, die die vernunftgemäße Überlegung immer mehr zurückdrängt.
gez. Zech