1.183.9 (bru3p): 9. Außerhalb der Tagesordnung: Plan für die Haushaltsführung im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1932.

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9. Außerhalb der Tagesordnung: Plan für die Haushaltsführung im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1932.

Der Reichsminister der Finanzen trug den wesentlichen Inhalt des in der Sitzung zur Verteilung gelangenden Entwurfs einer Verordnung des Reichspräsidenten über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs für die Zeit vom 1. April 1932 bis zum 30. Juni 1932 vor33.

33

Der RFM hatte mit Schreiben vom 12.3.32 den NotVoEntw. über die Haushaltsführung im 1. Quartal des Haushaltsjahres 1932 vorgelegt. Es war u.. a. vorgesehen, den Gemeinden zur Erleichterung der Wohlfahrtslasten monatlich bis zu 25 MioRM zur Verfügung zu stellen; für ländliche Siedlungsmaßnahmen 7 MioRM auszugeben; § 2 des Entw. ermächtigte den RFM, zur Abdeckung der Fehlbeträge der Rechnungsjahre 1930 und 1931 Kredite in Höhe von 1,2 Mrd. RM aufzunehmen (R 43 I /882 , Bl. 186–188).

Auf Veranlassung des Reichsarbeitsministers äußerte Ministerialrat Hellbach (Reichsarbeitsministerium) Bedenken, ob der im Entwurf vorgesehene Betrag für die Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden ausreichend hoch bemessen sei. Er gab ferner zu bedenken, ob die Fassung des § 5 des Entwurfs ausreichend sei34, um die Finanzierung der Siedlungsaufgaben des Reichsarbeitsministeriums sicherzustellen.

34

§ 5 des Entw. verlängerte die bestehenden Garantieermächtigungen des RFM (R 43 I /882 , Bl. 188).

Der Reichswirtschaftsminister gab die Erklärung ab, daß er den Entwurf erst in der Sitzung selbst erhalten habe und daß er in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich prüfen könne, ob und inwieweit seinen wiederholt geäußerten grundsätzlichen Forderungen für die Aufstellung des neuen Reichshaushaltsplans Rechnung getragen worden sei. Er könne sich daher an einer Beschlußfassung zur Sache nicht beteiligen und müsse an dieser Erklärung auch für den Fall festhalten, daß die endgültige Verabschiedung des Entwurfs bis zum kommenden Tage verschoben werde. Er halte es für unerläßlich, daß vor der Verabschiedung des Notetats eine eingehende Aussprache im Kabinett über seine grundsätzlichen Anregungen für die zukünftige Finanzgebarung des Reichs stattfinde35. Die im Augenblick[2378] für eine solche Aussprache verfügbare Zeit sei unzulänglich. Er behalte sich daher vor, eine formulierte Erklärung zu Protokoll zu geben zur Begründung seiner Nichtbeteiligung bei der Abstimmung.

35

Vgl. Dok. Nr. 644.

Der Reichskanzler erwiderte, daß es sich bei dem vorliegenden Entwurf nur um die allernotwendigsten Maßnahmen zur Überbrückung des I. Quartals des neuen Rechnungsjahres handele und daß durch diese unumgängliche Notmaßnahme dem endgültigen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1932 in keiner Weise vorgegriffen werden. Die Zeit, über die Anregungen des Reichswirtschaftsministers zu verhandeln, werde erst gekommen sein, wenn der endgültige Etat 1932 im Kabinett zur Erörterung komme.

Der Reichsarbeitsminister glaubte befürchten zu müssen, daß schon durch den Notetat so weitgehend über die verfügbaren Reichsmittel verfügt werde, daß möglicherweise hinterher für die notwendigsten Aufgaben des Reichsarbeitsministeriums, insbesondere auf dem Gebiet der Siedlung ausreichende Mittel nicht mehr vorhanden sein würden.

Der Reichskanzler brach daraufhin die Aussprache zur Sache ab, um sie anschließend in einem engeren Ministerrat, ohne Zuziehung von Sachbearbeitern, fortzusetzen.

In diesem Ministerrat richtete der Reichskanzler die dringende Mahnung an die Herren Reichsminister, bei der Äußerung pessimistischer Betrachtungen über die Möglichkeiten des Durchhaltens der Reichsfinanzen im neuen Rechnungsjahr äußerste Vorsicht zu üben und insbesondere dahinzielende Erörterungen in Gegenwart eines größeren Personenkreises zu vermeiden. Die in einem größeren Personenkreis gemachten Äußerungen würden leicht mißverstanden, und erfahrungsgemäß sei es unmöglich zu verhindern, die in einem größeren Kreis gemachten Äußerungen einzelner Reichsminister nach außen geheim zu halten. Die andeutungsweise und bruchstückhafte Wiedergabe von Auffassungen einzelner Reichsminister an außenstehende Persönlichkeiten, mit der man unbedingt rechnen müsse, sei besonders gefährlich, da auf diese Weise die bedenklichsten Gerüchte zur Entstehung gelangten. Er wolle nur darauf hinweisen, daß der kürzliche Besuch des Leiters der englischen Treasury Leith-Ross in Berlin36 nur den Zweck verfolgt habe, festzustellen, ob Deutschland in der Lage sei, mit den Finanzen der öffentlichen Hand über den 1. Juni d. Js. durchzuhalten. Zu derartigen pessimistischen Befürchtungen, die sich offenbar hier und da in bedenklichster Weise einzunisten begännen, läge keinerlei tatsächliche Veranlassung vor. So wie die Dinge lägen, brauche man mindestens bis zum Herbst keine ernstlichen Befürchtungen zu haben37. Erfreulicherweise sei es ihm gelungen, die Befürchtungen von Leith-Ross zu zerstreuen und damit die notwendige Voraussetzung für die Durchhaltung des deutschen Standpunktes auf der bevorstehenden Lausanner Konferenz wieder herzustellen. An den[2379] Herrn Reichswirtschaftsminister müsse er daher die dringende Bitte richten, seinen zuvor geäußerten Standpunkt über seine Beteiligung an der Verabschiedung des Notetats fallen zu lassen. An sich enthalte der Notetat im übrigen nichts Neues. Die Reichsregierung habe die Maßnahme ja schon in der Dritten Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 grundsätzlich beschlossen. Im Dritten Teil Kapitel VI dieser Verordnung sei vorgesehen, daß die Reichsregierung ermächtigt sei, einen Plan aufzustellen, nach dem die Einnahmen und Ausgaben des Reichs für das erste Quartal 1932 zu verwalten sind38. Um diesen Plan handele es sich in dem vorliegenden Verordnungsentwurf. An sich sei eine neue Notverordnung für diesen Plan nicht erforderlich. Es genüge eine Regierungsverordnung39.

36

Sir Frederick Leith-Ross hatte vom 9.–12.3.32 Berlin besucht (Nachl. Pünder  Nr. 44, Bl. 82; Tagebuch Hans Schäffers vom 12.3.32, IfZ ED 93, Bd. 19, Bl. 358). Vgl. auch den Aktenvermerk Schäffers vom 12.3.32, abgedruckt in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 443.

37

Wesentlich pessimistischer sah StS Schäffer die Haushaltslage; in seinem Schreiben an den RK vom 19.3.32, in dem er seinen Rücktritt vom Posten des StS im RFMin. ankündigte, glaubte er, daß das Reich längstens bis August 1932 durchhalten könne: Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 448.

38

Vgl. RGBl. 1931 I, S. 537 , hier S. 551.

39

Vgl. auch die Bemerkung des RK in Dok. Nr. 715, P. 1.

Ministerialrat Dr. Olscher, der zur weiteren Besprechung wieder zugezogen wurde, führte aus, daß die Form der Notverordnung nur deshalb gewählt worden sei, weil im § 2 des Entwurfs Anleiheermächtigungen vorgesehen seien40. Nach der Auffassung der Reichsschuldenverwaltung, mit der der Reichsminister der Finanzen zu rechnen habe, könne eine Anleiheermächtigung nur durch formelles Gesetz erteilt werden, nicht aber durch eine Regierungsverordnung. Die Schuldenverwaltung gehe sogar so weit, nicht einmal eine Notverordnung des Reichspräsidenten für ausreichend anzusehen. Diese Meinungsverschiedenheit sei noch nicht restlos bereinigt. In der weiteren Aussprache wurden Zweifel darüber geäußert, ob die im § 2 des Entwurfs vorgesehene Anleiheermächtigung ausreichend sei. Insbesondere wurde erörtert, ob nicht die zur Sanierung der Groß-Schiffahrts-Gesellschaften erforderlichen Reichskredite in die Notverordnung mitaufzunehmen seien.

40

Vgl. Anm. 33.

Zur näheren Prüfung dieser Frage wurde die Weiterberatung vertagt auf den 18. März 193241.

41

Vgl. Dok. Nr. 699, P. 9.

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