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RTF

[Anlage]

R 43 I /331  Durchschrift

Sehr geehrter Herr Dr. Melchior!

Nachstehend gebe ich Ihnen die Richtlinien, welche der Regierung als eine zweckmäßige Grundlage für die Verhandlungen in Basel erscheinen würden. Selbstverständlich sind diese Richtlinien nicht als eine Instruktion anzusehen, da Sie ebenso wie die Sachverständigen der anderen Länder als unabhängiger Sachverständiger zu fungieren haben.

1. Es wird sich empfehlen, die Tätigkeit und den Bericht des Ausschusses im wesentlichen auf die Feststellung von Tatsachen zu beschränken. Darüber hinaus wäre zu Schlußfolgerungen nur dann zu schreiten, wenn sicher ist, daß diese zu den von uns gewünschten Ergebnissen führen.

[2048] Als von uns gewünschtes Ergebnis der bevorstehenden Sachverständigen- und Regierungskonferenzen sehe ich eine endgültige Regelung an, die Deutschland auch für die Zukunft von Reparationsleistungen freistellt. Nur wenn solche Schlußfolgerungen sich als erreichbar erweisen, wäre darauf zu drängen, daß der Beratende Sonderausschuß sie ausspricht.

2. Die Feststellungen auf tatsächlichen Gebieten werden sowohl den Einfluß der Reparationen auf die gesamte Weltkrise wie auch ihren Einfluß auf die deutsche Wirtschaftslage erkennen lassen müssen. Dabei wird dem Ziel einer uns günstigen Endlösung am besten entsprochen, wenn in Erscheinung tritt, daß eine Erholung der Weltwirtschaft von dieser Krise nur dann möglich ist, wenn sie sich durch künftige Reparationsleistungen nicht weiter bedrückt fühlt. Wenn es möglich ist, die in dieser Hinsicht im Layton-Bericht5 enthaltenen Anfänge weiter auszubauen, so wäre es sehr zu begrüßen.

5

Layton-Bericht vom 18.3.31 (Schultheß 1931, S. 509–514). Vgl. auch Dok. Nr. 445.

3. Es muß vermieden werden, daß der Bericht zu Feststellungen kommt, die Ausführungen über deutsche Verschwendung oder eine sonstige Schuld der deutschen öffentlichen Gewalten an dem gegenwärtigen Zustand der deutschen Wirtschaft enthalten. – Die Versuche der anderen Seite, ein solches Verschulden zu konstruieren, werden sich mit dem von Parker Gilbert selbst ausgesprochenen Gedanken, daß unter fremder Überwachung die notwendigen Ersparnismaßnahmen nicht durchzuführen wären, widerlegen lassen, wobei besonders darauf hinzuweisen ist, daß seit dem Fortgang Parker Gilberts weitgehendste Ersparnismaßnahmen in fortschreitender Schärfe getroffen worden sind6.

6

Vgl. Dok. Nr. 127.

Ein Eingehen auf die deutsche Etatsgebarung wird sich nicht vermeiden lassen, doch empfiehlt es sich, den Schwerpunkt auf die weltwirtschaftliche Seite der Dinge zu legen.

Soweit Einzelheiten der Etats in Frage kommen, werden die Herren Ministerialdirektoren Graf Schwerin von Krosigk für den Reichshaushalt und Dr. Brecht für den preußischen Haushalt zur Verfügung stehen.

Im ganzen ist, schon im Interesse der zeitlichen Beschleunigung, eine zu breite Erörterung dieser Fragen nicht erwünscht.

Sollte ein einheitlicher Bericht nicht zustande kommen, sondern sich mehrere Sonderberichte verschiedener Gruppen als erforderlich erweisen, so wäre eine Verständigung mit Berlin über die alsdann einzunehmende Haltung notwendig.

4. Hinsichtlich der Zuwahl von Sachverständigen empfiehlt es sich, in erster Linie an dem bisher vertretenen Standpunkt festzuhalten. Sollten unter englischer oder italienischer Führung darauf hingewirkt werden, die Zuziehung weiterer Mitglieder zu unterlassen, so ist es nicht ratsam, hieraus einen Kampfpunkt erster Ordnung zu machen. Sollte die Zuziehung anderer als der in Aussicht genommenen Länder oder Persönlichkeiten in Frage stehen, so ist eine Fühlungnahme mit Berlin am Platze.

5. In der Präsidentenfrage würden wir uns mit einer Lösung, die dem Amerikaner den Vorsitz gibt, abfinden.

[2049] 6. Wenn neben Layton eine andere Persönlichkeit der Gläubigerseite die Ausarbeitung des Berichts anvertraut bekommt, ist eine Beteiligung Deutschlands nötig.

7. Die Berichterstattung erfolgt schriftlich oder durch Fernschreiber.

Die telefonische Verbindung wird über das Reichsfinanzministerium aufrecht erhalten.

Wichtige Entscheidungen bitte ich unmittelbar mit mir vorzubesprechen.

8. Es wird bei den Stillhalteverhandlungen seitens der deutschen Unterhändler versucht werden müssen, möglichst rasch zu einer Feststellung dahin zu kommen, daß nur, wenn der Druck der Reparationen von Deutschland genommen ist, eine auch die Gläubiger befriedigende langfristige Lösung der Stillhaltefragen zu erwarten ist. (Vergl. Layton-Bericht.)

9. Zur Erzielung einer Einwirkung der Stillhalteverhandlungen auf den Gang der Beratungen im Sonderausschuß wird, zum mindesten zeitweise, eine örtliche Verbindung beider Verhandlungen in Aussicht genommen werden müssen. Ob diese zweckmäßig durch eine Einladung des Sonder-Ausschusses nach Berlin oder durch eine Verlegung der Beratungen des Stillhalte-Ausschusses nach Basel erfolgt, muß der Gang der Beratungen in beiden Gremien ergeben.

10. Über die Unterrichtung der Presse wird der Ausschuß voraussichtlich selbst Beschlüsse fassen. Da nach den bisherigen Erfahrungen seitens mancher Länder Indiskretionen niemals vermieden werden können, und diejenigen, die sich an den Beschluß des Stillschweigens halten, damit in der Weltöffentlichkeit ins Hintertreffen kommen und die eigene Presse benachteiligen, wird es sich empfehlen, den einzelnen Delegationen die Information ihrer Presse freizugeben.

Die Information der Presse erfolgt, soweit Berichterstatter in Basel sind, von dort aus. Spätestens gleichzeitig ist es notwendig, die Reichspressestelle ins Bild zu setzen.

Eine pressemäßige Beeinflussung der öffentlichen Meinung der fremden Länder wird ausschließlich Berlin vorbehalten.

11. Sie haben den Wunsch ausgesprochen, daß ein führender Mann des deutschen Wirtschaftslebens sich der deutschen Delegation in Basel anschließt, damit Sie sich mit ihm beraten können und damit er Sie für den Fall Ihrer Erkrankung oder sonstiger Verhinderung in Kenntnis der in Basel zu führenden Verhandlungen vertreten kann.

In Verfolg dieses Wunsches habe ich mit Herrn Geheimrat Schmitz Fühlung genommen und behalte mir weitere Mitteilung vor.

Mit der Versicherung meiner aufrichtigen Wertschätzung bin ich

Ihr sehr ergebener

[…]

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