1.157.1 (bru2p): [Dresdner Bank und Danatbank]

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[Dresdner Bank und Danatbank]

Der Reichsminister der Finanzen machte Ausführungen über die Lage bei der Dresdner Bank2. Er stellte zur Erörterung, ob für sie neues Gesellschaftskapital geschaffen und das alte zusammengelegt werden solle. Die Bank sei eine Stütze von etwa 1300 Genossenschaften und am Länder- und Kommunalkredit stark beteiligt. Von den 170 Millionen Forderungen gegen öffentliche Körperschaften3 habe das Reich 50 Millionen übernommen, für den Rest seien ihr weitere Schatzanweisungen zur Verfügung gestellt worden.

2

Die Dresdner Bank hatte am 14.7.31 ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt: s. Dok. Nr. 385.

3

Vgl. dagegen die Angaben in Dok. Nr. 387.

Der Kredit der Bank sei stark erschüttert, es habe sich seit längerer Zeit herumgesprochen. Die Angaben der Bankleiter der Reichsregierung gegenüber hätten stark geschwankt. Die Leiter seien bereit, sofort zurückzutreten4. Die Reserven der Bank müßten abgebucht werden. Es seien bei der Dresdner Bank 130 Millionen.

4

Vgl. Dok. Nr. 423, Anm. 13.

Bei der Danatbank seien die Beträge, die zurückgezogen werden könnten, nicht übermäßig groß. Vom Aktienkapital befänden sich 35 Millionen in den Händen der Bank, davon seien 6,5 im Besitz des Aufsichtsrats und persönlich haftender Gesellschafter. Diese seien bereit, die Aktien unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die westliche Schwerindustrie, die mit der Danatbank in enger Verbindung stehe, berate, ob sie die 35 Millionen zum Kurse von 150 hereinnehmen soll5. Kämen die Dresdner Bank und die Danatbank zum Stillstande, so sei mit einer Steigerung der Arbeitslosigkeit um 1 Million und also mit einer Erhöhung der Unterstützungen um rund 800 Millionen im Jahre zu rechnen. Die Steuerausfälle würden etwa den gleichen Betrag ausmachen, außerdem werde durch die Erschütterung des Kredits weiterer schwerer Schaden entstehen.

5

S. dazu Dok. Nr. 413.

Dagegen werde der Wert der Aktiven beider Banken in dem Maß steigen, in dem die Wirtschaft wieder in Gang käme.

[1427] Die Reichsbank werde sich auf einen großen Notenbedarf gefaßt machen müssen. Die Noten würden aber bei einem Diskontsatz von 15%6 sehr bald wieder in ihre Kasse zurückfließen. Es sei damit zu rechnen, daß sowohl von der Dresdner wie von der Danatbank etwa mindestens je 350 Millionen abgezogen würden, wenn sie ihre Schalter wieder öffneten.

6

Die Rbk erhöhte am 31.7.31 den Diskontsatz von 10% auf 15% (Schultheß 1931, S. 168).

Garantieleistung des Staates werde mit einer Aufsicht über die Banken verbunden sein müssen. Diese werde an die Grenze der Privatwirtschaft herangehen.

Die Deflation werde nicht viel weiter gesteigert werden können. Es sei zu erwägen, ob nicht der innere Wert des Geldes etwas gelockert werden müsse. Nur so sei es bei einer Verschuldung des Staates möglich, durchgreifend zu helfen.

Der Reichsbankpräsident hielt es ebenfalls für notwendig, den Betrieb beider Banken wieder zu eröffnen, nur dann könne ein geordneter Zahlungs- und Überweisungsverkehr wieder in die Wege geleitet werden. Bei den Überweisungen mache sich deutlich eine Abkehr von der Dresdner zu anderen Banken geltend. Der Status der Bank sei noch keineswegs genau zu übersehen. Verluste müßten nötigenfalls realisiert werden. Das gelte für die gesamte Wirtschaft. Es sei deswegen notwendig, die Gläubiger der Bank zu einem teilweisen Stillhalten zu veranlassen. Es bestände die Gefahr, daß sich die Abziehungen über die beiden genannten Banken auf andere erstrecken würden. Die Möglichkeit, durch Wechselziehungen der Kundschaft für die Reichsbank Kreditunterlagen zu schaffen, stehe bei beiden Banken nur noch in geringem Umfange.

Er halte es für geboten, die Dresdner Bank mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft zu vereinigen7. Damit werde das Vertrauen zu ihr wiederhergestellt werden. Die Reichs-Kredit-Gesellschaft sträube sich dagegen, weil die Vereinigung weder nach der Höhe ihres Geschäftskapitals (40 Millionen) noch nach ihrem Aufbau und der Art ihrer Geschäfte möglich sei. Eine Verbindung der Dresdner und der Danatbank komme nicht in Frage8.

7

Diesen Vorschlag hatte der RbkPräs. dem RFM am 24.7.31 als Vorschlag des gesamten RbkDirektoriums unterbreitet (Nachl. Luther Nr. 365, Bl. 101; Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 25.7.31, IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 436).

8

Diese Verbindung war von den Großbanken (Dok. Nr. 379) angeregt worden. Auch MinDir. Zarden hatte am 23.7.31 gegenüber Luther den Plan abgelehnt (Nachl. Luther Nr. 365, Bl. 100; vgl. auch das Tagebuch Schäffers vom 25.7.31, IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 436).

Allgemein sei die Überkapitalisierung nicht allein durch äußere Mittel zu bewältigen. Die Situation werde sich klären, wenn daraus die nötigen Folgerungen gezogen würden.

Das Bankwesen sei übersetzt und zum Teil nicht mehr lebensfähig. Die nötigen Folgerungen würden aber nicht gezogen. S. blieb es bei dem ungesunden Zustande. Der Glaube des Auslandes an die deutsche Wirtschaft werde nicht dadurch gestärkt, daß lediglich das Reich den schwachen Banken zu Hilfe komme. Beide haben den wirtschaftlichen Verhältnissen und Entwicklungen[1428] nicht ausreichend Rechnung getragen. Ihre Bilanzen seien im Verhältnis zu ihrer Kapitalbasis viel zu stark angeschwollen.

Die Reichsbank sei zur Erhöhung der Zahlungsmittel bereit, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür gegeben seien.

Eine Verbindung der Dresdner Bank mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft könne in der Weise erfolgen, daß die Gläubiger der Dresdner Bank mit 75– 80% ihrer Guthaben zur Reichs-Kredit-Gesellschaft übertreten und für den Rest stillhalten müßten. Die Mehrzahl würde davon Gebrauch machen, die kleinsten Gläubiger wären nicht einzubeziehen. Für die Gläubiger könnte ein Pfleger bestellt werden.

Wenn die Schwierigkeiten mit den beiden Banken ausgeräumt seien, dann könnten die Banken in der Haftungsgemeinschaft9 über den gegenwärtigen Betrag von 100 000 RM hinausgehen. Sie könnten ein Bankgeld ausgeben, das zur Auszahlung benutzt werden könnte, sobald ein gewisser Prozentsatz in Banknoten gezahlt worden sei. Diese Bankschatzanweisungen müßten kurzfristig sein.

9

Vgl. Dok. Nr. 396, Anm. 14.

Würde die Haftsumme der Bank in unbegrenzter Höhe festgesetzt, so müßte die Reichsgarantie dahinter stehen. Sie würde dann allen Banken zugute kommen. Hinsichtlich der Bankaufsicht schloß er sich den Ausführungen des Reichsministers der Finanzen an.

Im Überweisungsverkehr seien die Commerz- und Privatbank und die Handelsgesellschaft im Gleichgewicht. Die Reichs-Kredit-Gesellschaft zöge Gelder an sich, auch die Preußische Staatsbank.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer trat den Ausführungen des Reichsbankpräsidenten entgegen. Die Dresdner Bank müsse wieder in vollem Umfange zu Auszahlungen befähigt werden, sonst würden auch die anderen Banken in das allgemeine Mißtrauen einbezogen und dem Ansturm nicht gewachsen sein. Der Wert der Aktien und der Forderungen der Banken würde steigen, wenn wieder Kapital nach Deutschland einströme. Es sei notwendig, das Vertrauen zum gesamten deutschen Kreditwesen wiederherzustellen, deswegen müsse auch die Danatbank wieder arbeiten.

Der Zahlungsmittelumlauf werde für wenige Tage um etwa 1200 Millionen gesteigert werden müssen. Sobald das Geld zurückströme, könne der Diskontsatz ermäßigt werden.

Bei der Danatbank müsse die Eröffnung der Schalter mit einer Rekonstruktion verbunden sein. Bei der Dresdner Bank dürfe zunächst keine Änderung vorgenommen werden.

Der Gedanke eines Bankgeldes dürfe nicht verwirklicht werden. Jede neue Einrichtung würde Mißtrauen erregen.

Der Reichskanzler hielt es für nötig, daß Kapitalzusammenlegungen auf der ganzen Linie erfolgen. Die Entwicklung dürfe aber nicht überstürzt werden. Die fortgesetzte Ausgabe von Notverordnungen lasse sich nur noch einige Tage durchführen, dann müsse ein Gesamtplan aufgestellt werden, der eine[1429] Konsolidierung des Wirtschaftslebens herbeiführen müsse. Die Wirtschaft sei überkapitalisiert, die technisch besten Werke teilweise in besonderem Maße. Die Wahrheit der Bilanzen müsse durchgesetzt werden.

Die Maßnahmen dürften nicht zunächst bei der Dresdner Bank ansetzen, sonst käme der Glaube an die Zuverlässigkeit aller Banken ins Wanken. Ein Eingriff des Staates zugunsten der Dresdner Bank rechtfertige sich, weil sie mit kurzfristigen Schulden von Ländern und Gemeinden in Höhe von 170 Millionen belastet sei und weil von ihr etwa 1300 Genossenschaftsbanken abhingen. In Bayern sei eine der wichtigsten Genossenschaftsbanken zusammengebrochen10. Weitere würden folgen, soweit sie nicht durch scharfe Maßnahmen der Preußenkasse bereits saniert seien. Die Bankensanierung müsse mit durchgreifendem Personalwechsel unter Aufgabe unrentabeler Einrichtungen und Depositenkassen verbunden sein.

10

Es war nicht zu ermitteln, welche Bank die Schalter schließen mußte.

Es sei schwierig, von den Bankleitern einigermaßen zuverlässige Auskünfte zu erhalten. Bei kleineren Firmen sei die Liquidation möglich, bei großen nicht ohne schwerste Erschütterung des ganzen Kreditsystems. Es gehe auf die Dauer nicht an, daß der Staat private Gewinne zuließe und bei Verlusten eintreten müsse.

Geheimrat SchmitzSchmitz wollte vor endgültiger Stellungnahme mit maßgebenden Leitern der Banken Fühlung nehmen und dann feststellen, welche Summen die Reichsbank zur Verfügung stellen könne. Er verlas einen Vorschlag für die Bankensanierung, der von dritter Seite aufgestellt war11, und hielt es für erforderlich, ihn mit verantwortlichen Bankleitern zu besprechen.

11

Der Plan sah die Einführung einer Bankenaufsicht und die Trennung von Depositen- und Finanzierungsbanken vor (Tagebuch Schäffers vom 27.7.31, IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 453).

Zur Erhöhung des Goldbestandes schlug er vor, daß deutsche Exportindustrien und beteiligte Firmen an die Golddiskontbank trassieren und daß diese die Wechsel an die Reichsbank als Unterlage für weitere Notenausgabe abführe.

Der Reichsbankpräsident widersprach diesem Vorschlage, weil er mit dem Bankgesetze nicht in Einklang zu bringen sei.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg wies darauf hin, daß die Garantie für die Danatbank notwendig geworden sei, weil der ursprüngliche Plan einer Garantierung der Salden in den Überweisungsverkehr damals zurückgestellt wurde12. Die Entwicklung habe zu dem Sturm auf die Sparkassen geführt.

12

TrendelenburgTrendelenburg: Am Donnerstag [9. 7.] vor dem Zusammenbruch der Danat sind wir auf das Schema gekommen, daß man die Salden im Überweisungsverkehr garantiert. Wir sind von diesem Schema nur dadurch abgekommen, weil keine Zahlungsmittel zur Verfügung standen und weil die Restriktionen fortgesetzt werden mußten. Wir haben dann die Danatgarantie gegeben, damit kein run käme“ (Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 27.7.31, IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 454).

Nun müsse die Garantie für die Salden durch den Staat unter Mitwirkung des verantwortlichen Kapitals aller beteiligten Banken sichergestellt sein.

Es sei unrichtig und schädlich, die Gläubiger zum Stillhalten und zur Mithaftung heranzuziehen, dadurch werde das Mißtrauen auch gegen die anderen Banken geweckt.

[1430] Die Reichsbank müsse die Aufsicht über die Privatbanken führen. Würde ein Bankkommissar bestellt, so müsse er in engster Verbindung mit der Reichsbank arbeiten. Ihm müsse das Recht zustehen, unbeschränkt Auskunft zu erlangen, auch von jedem Angestellten, und alle Bücher einzusehen. An sämtlichen Sitzungen der Organe der Bank müsse er teilnehmen. Er werde dann Vorschläge über die Reorganisierung des gesamten Bankwesens zu machen haben. Er schlage vor

1.

eine unbeschränkte Garantie für die Salden in dem Überweisungsverkehr,

2.

Vorbereitungen für volle Auszahlungen, nötigenfalls müsse Bankengeld von vornherein in Aussicht genommen werden.

Jede Menge von Reichsbanknoten werde von der Wirtschaft aufgenommen werden, ohne daß Inflationsvorstellungen geschaffen würden. Jedes zusätzliche Zahlungsmittel würde die Gefahr inflationistischer Wirkung in sich bergen. Die Notenreserve müsse so groß wie möglich gehalten werden.

Dr. MelchiorMelchior erklärte, die Auszahlungen bei den Banken müßten allgemein erfolgen. Würden sie auf bestimmte Banken beschränkt, so würde das Mißtrauen gegen die anderen geweckt. Nötigenfalls dürfe der Zahlungsverkehr nur in Höhe von 75–80% der Guthaben zugelassen werden. Käme die Dresdner Bank offensichtlich in Schwierigkeiten, so wäre ein Auslandsmoratorium unvermeidlich.

Der Reichsminister der Finanzen faßte das vorläufige Ergebnis der Besprechungen dahin zusammen, daß eine Aufsicht über die Banken beschlossen werden müsse. Der Kommissar sei von der Reichsregierung zu bestellen. Kurzfristige ausländische Verschuldungen müßten kontrolliert werden. Die Dresdner Bank und die Danatbank seien wieder in Gang zu setzen. Die Danatbank in Verbindung mit der Industrie, die Dresdner durch Zuführung neuen Kapitals in Höhe von 100–150 Millionen RM.

Die Verhandlungen sollen am 28. Juli 1931 vormittags fortgesetzt werden13.

13

S. Dok. Nr. 413.

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