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Nr. 198
Vermerk des Ministerialrats Vogels über eine Reparationsbesprechung am 15. Dezember 1930, 16.30 Uhr
Außer dem Reichskanzler nahmen teil: die Reichsminister Dietrich und Curtius, die Staatssekretäre Pünder, Trendelenburg, v. Bülow und Schäffer, die Ministerialdirektoren v. Hagenow, Gaus und Ritter, die Ministerialräte Berger und Vogels, Legationsrat Valette.
Die Besprechung diente einer ersten Aussprache über die Revision des Reparationsproblems. Die übereinstimmende Grundauffassung ging dahin, daß Deutschland von der Erklärung eines Transfer-Aufschubes keinen Erfolg erwarten könne1. Für das geeignetste Mittel, zu einer Revision zu gelangen,[729] wurde die Anrufung des Beratenden Sonderausschusses angesehen2. Diese Aktion allein würde kaum zu dem angestrebten Ziele führen. Sie muß vielmehr in den Rahmen einer ganz großen, umfassenden politischen Aktion gestellt werden. Gedacht wird dabei daran, mit Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika die Frage der Weltabrüstung in Gang zu bringen und in diese Aktion die Bereinigung des Reparationsproblems mit einzubeziehen3.
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Gegen ein Transfermoratorium hatte sich vor allem die Brit. Reg. gewandt, wie aus einer Aufzeichnung des RAM über ein Gespräch mit dem engl. Botschafter Rumbold am 10.12.30 hervorgeht. Unter Bezug auf seine letzte Unterredung mit dem RAM am 27.10.30, in der Curtius gefordert hatte, zur Entlastung der dt. Wirtschaft die Maßnahmen des Young-Plans zu ergreifen, da die Sanierungsbemühungen der RReg. möglicherweise nicht ausreichten (vgl. den Bericht Rumbolds vom 27.10.30 in Documents on British Foreign Policy 1919 bis 1939, Second Series, Vol. I, Doc. No. 333, p. 525–527) verlas der brit. Botschafter eine Instruktion seiner Reg. vom 2.12.30 (Documents on British Foreign Policy 1919–1939, Second Series, Vol. I, Doc. No. 338, p. 535–539): nach Ansicht der Engl. Reg. rechtfertige Dtlds finanzielle und wirtschaftliche Lage weder die Erklärung eines Moratoriums noch die Berufung des Gutachterausschusses gemäß dem Young-Plan. Ein solcher Schritt der dt. Reg. würde schwere wirtschaftliche und politische Folgen zeitigen. Der Young-Plan enthalte weder die Goldklausel noch den Wohlfahrtsindex des Dawesplans, es könnten daher weder die Goldklausel [gemeint ist das Steigen des Goldpreises] noch der Prosperitätsindex geltend gemacht werden. Die Kapitalflucht und die Kreditentziehung sowie andere Krisenerscheinungen, unter denen Dtld leide, seien nicht auf die Reparationslasten zurückzuführen, sondern auf die Befürchtungen, die das Auftreten der NSDAP ausgelöst hätte. Eine von Dtld beantragte Neuprüfung der gesamten Fragen würde voraussichtlich nur zu neuen Forderungen nach einer Finanzkontrolle über Dtld führen und nicht zu einer Herabsetzung der Reparationszahlungen. Die Einberufung des Young-Ausschusses mit Erklärung eines Moratoriums könne keinerlei Unterstützung oder Sympathie seitens der Brit. Reg. erwarten (Abschrift einer Aufzeichnung des RAM vom 11.12.30 in R 43 I/310, Bl. 74–83; Bericht Rumbolds über diese Unterredung in Documents on British Foreign Policy 1919–1939, Second Series, Vol. I, Doc. No. 340, p. 540–542).
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S. dazu Dok. Nr. 134, Anm. 4.
- 3
Botschafter v. Prittwitz hatte am 1.11.30 aus Washington berichtet, daß die US-Reg. sehr stark an der Tagung der Vorbereitenden Abrüstungskommission (s. Dok. Nr. 205) interessiert sei. „Angesichts innenpolitischer hiesiger Lage wäre erfolgreiche Förderung Abrüstungsproblems durch Vereinigte Staaten von Amerika großes Atout für Wahlkampagne 1932“ (Telegramm Nr. 452 vom 1.11.30 in R 43 I/517, Bl. 236–237).
Es wurde vereinbart, die Besprechung am 12. Januar fortzusetzen und zu vertiefen. Zu dieser Besprechung wird die Reichskanzlei einladen4.
Vogels 25. 12.