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Der 17. Juni 1953

Eine virtuelle Ausstellung mit Dokumenten, Fotos und Plakaten aus dem Bundesarchiv

  • DDR (1949-1990)

Hintergrundinformationen

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Die DDR erlebt 1953 eine schwere Krise. Der Unmut in der Bevölkerung wegen der schlechten Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs nimmt ständig zu. Um die wirtschaftliche Situation zu verbessern, sehen Partei und Regierung nur einen Ansatzpunkt: Es muss mehr produziert werden bei geringeren Kosten. Am 14. Mai beschließt das Zentralkomitee der SED die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent. Mit einer ungewöhnlich langen Verzögerung von 14 Tagen übernimmt der Ministerrat am 28. Mai diese "Empfehlung". Die Normen heraufzusetzen bedeutet faktisch eine Lohnkürzung: In der gleichen Zeit muss mehr geleistet werden. Gegen diese Entscheidung wächst der Widerstand in den Betrieben. Es kommt zu ersten Arbeitsniederlegungen.

Auf außerordentlichen Sitzungen am 5. und 6. Juni werden die "Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage" im Politbüro diskutiert. Am 9. Juni entscheidet sich die SED-Führungsspitze für eine radikale Kurskorrektur im Sinne der Vorgaben aus Moskau: Nicht mehr die Schwerindustrie soll vorrangig gefördert werden, stattdessen wird nun die bessere Versorgung der Bevökerung an erster Stelle stehen. Bürger und Parteimitglieder sind völlig überrascht, als sie das am 11. Juni im "Neuen Deutschland" lesen.

Dieser Kurswechsel macht Hoffnung auf substanzielle Veränderungen, doch den Arbeitern bringt er nichts, denn die Erhöhung der Arbeitsnormen bleibt bestehen. Am 16. Juni erscheint in der Gewerkschaftszeitung "Tribüne" ein Kommentar, in dem nochmals gerechtfertigt wird, dass die Normen heraufgesetzt werden.

Mehr als eine Million Menschen streiken und demonstrieren am 17. Juni in Berlin und in etwa 700 Städten im gesamten Land. Sie verlangen soziale Verbesserungen und politische Veränderungen. Im Rückblick sind typische Verlaufsformen zu erkennen: Die Aktionen beginnen mit Arbeitsniederlegungen und disziplinierten Demonstrationszügen ganzer Belegschaften, oft mit Streikführern an der Spitze. Wer in dieses Amt gewählt wird, hängt vom Zufall ab. Ziel ist meistens ein großerer Platz im Stadtzentrum für eine Kundgebung. Auf dem Weg dorthin reihen sich Schaulustige und Passanten ein.

Die Sicherheitskräfte der DDR sind überfordert. Sie können Angriffe auf Parteigebäude und Gewalt gegen Funktionäre ebenso wenig verhindern wie die Befreiung von Gefangenen. Nur mit Hilfe sowjetischer Panzer gelingt es SED und Regierung, die Kontrolle über das Geschehen wieder zu erlangen.

Bis Anfang Juli werden etwa 10.000 Personen verhaftet. Viele kommen rasch wieder frei, doch eine große Zahl wird mit teilweise langen Haftstrafen bestraft, dreimal ergeht das Urteil lebenslänglich, zwei Angeklagte werden zum Tod verurteilt. Wer aus dem Gefängnis entlassen wird, muss sich vorher verpflichten, über seine Erlebnisse zu schweigen: Die Erinnerung an den 17. Juni 1953 soll ausgelöscht werden.

Etwa 120 Menschen werden bei den Unruhen getötet, mehrere hundert verletzt. Trotzdem gibt es auch am 18. Juni noch Streiks und Demonstrationen. Und Mitte Juli werden erneut Arbeitsniederlegungen, vor allem von Großbetrieben in Jena und Bitterfeld, gemeldet.

Der Aufstand scheitert, doch die Demonstranten erreichen einige wichtige Ziele: Die Erhöhung der Normen, der äußere Anlass des Protests, wird zurückgenommen. Die verantwortlichen Politiker geben zu, dass sie einen falschen Weg eingeschlagen haben. Sie wollen ihren "neuen Kurs" fortsetzen und die Versorgung verbessern. Doch vieles bleibt Absicht, nur wenige Vorschläge werden Wirklichkeit. Nachhaltig wird der Freiheitsimpuls des Volksaufstands unterdrückt.

Das Wissen um gefährliche Risiken für das Ost-West-Verhältnis verbietet der Bundesregierung, auf die Ereignisse unmittelbar einzuwirken. Was bleibt, ist die Trauer um die Opfer und der Respekt vor ihrem Mut. Gedenkveranstaltungen in Berlin und Bonn erinnern an diejenigen, die sich gegen Staat und SED gestellt haben.