Samoa nimmt unter den früheren deutschen Kolonien eine besondere Stellung ein. Einerseits war die letzte und abgelegenste Erwerbung des Deutschen Reiches zugleich auch die - unter militärischen und wirtschaftlichen Aspekten - unwichtigste, andererseits fand sich dort eine der fortschrittlichsten und humansten Kolonial-verwaltungen der damaligen Zeit. Die deutsche Geschichte auf Samoa begann in den 1850er Jahren, als hanseatische Kaufleute den pazifischen Raum für Handel- und Rohstoffgewinnung entdeckten. Es gelang ihnen, sich gegenüber der britischen, australischen und amerikanischen Konkurrenz durchzusetzen und innerhalb weniger Jahre eine Monopolstellung zu erarbeiten. Es dauerte nicht lange, bis den führenden Vertretern der deutschen Firmen im Pazifik auch diplomatische Aufgaben übertragen wurden. So wurde beispielsweise Theodor Weber, der Vertreter des Handelshauses Godeffroy & Sohn, Anfang der 1870er Jahre zum deutschen Konsul in der samoanischen Hauptstadt Apia ernannt, welche 1879 im Verbund mit Großbritannien und den USA den ersten Handelsvertrag mit Samoa unterzeichnete. Zugleich wurde Apia und das die Stadt umgebende Gebiet zum neutralen Territorium unter gemeinsamer Verwaltung der drei Mächte erklärt.

Nur zehn Jahre später war das Nebeneinander deutscher, britische und amerikanischer Kräfte jedoch abrupt beendet: An Samoa entzündete sich ein Streit, der in einen offenen Krieg zu münden drohte. Alle Parteien meldeten ihren Anspruch auf die Inseln an und auch in der Öffentlichkeit der jeweiligen Staaten wurde die Diskussion der kolonialen Interessen sehr emotional geführt. Ein wichtiger Faktor war dabei die innenpolitische Struktur Samoas: Die Wahl des Oberhäuptlings (samoanisch: Tupu) bot den Anhängern der Kandidaten immer wieder Grund zu Auseinandersetzungen, in die sich nun auch die Kolonialmächte einmischten. Ein Jahre andauernder Konflikt zwischen dem anglo-amerikanischen Favoriten Malietoa und dem vom Deutschen Reich bevorzugten Tamasese führte schließlich zur Ansammlung mehrerer Kriegsschiffe aller Parteien vor Samoa. Es ist wahrscheinlich, dass es in dieser gespannten Situation zu Kämpfen gekommen wäre, wenn nicht am 16. März 1889 ein Zyklon mehrere Schiffe zerstört und über 150 Deutsche und Amerikaner das Leben gekostet hätte.

Wahrscheinlich von britischer Seite erreichte Wilhelm Solf dann im Jahr 1899 der Vorschlag, sich auf den Posten des Munizipalpräsidenten zu bewerben. Er war international kein Unbekannter: Solf - geboren am 5. Oktober 1862 in Berlin - studierte Indologie, Jura und Philosophie, arbeitete für das Auswärtige Amt in London und Indien, beherrschte exotische Sprachen, wie Hindi, Urdu, Farsi und Hindustani, und war seit 1897 Richter in Daressalam, der Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas. Dabei stand er immer in engem Kontakt zu britischen Diplomatenkreisen, welche ihn für geeignet ansahen, nicht nur die deutschen, sondern auch anglo-amerikanische Interessen auf Samoa zu vertreten.

Als Solf im Herbst 1899 auf den Inseln eintraf, fand er sich inmitten eines erneuten Konkurrenzkampfes. Der Grund war wieder die Wahl des Tupu: Mataafa Josefo, der sich nach der Wahl Malietoas gegen dessen Herrschaft aufgelehnt hatte, wurde 1890 in die Verbannung geschickt. Als Malietoa jedoch 1898 starb, brachte ihn ein deutsches Kriegsschiff nach Samoa zurück, wo ihn die Samoaner - mit Unterstützung der Deutschen - zum Tupu ausriefen. Die anglo-amerikanische Partei wollte dies jedoch nicht zulassen, ließ daraufhin die neutrale Zone besetzen und attackierte Anhänger Mataafas mit Schiffsgeschützen. Trotzdem konnte in einer Schlacht zwischen Anhängern Tamaseses II. und Mataafas letzterer den Sieg erringen.

Solf hatte für seine Anreise den Weg über London und die USA gewählt, um die Situation im Voraus zu sondieren. Dementsprechend hatte er bei seiner Ankunft ein ungefähres Bild der Lage und setzte umgehend auf Deeskalation, indem er den persönlichen Kontakt mit den militärischen und diplomatischen Entscheidungsträgern suchte. Dies sorgte zusammen mit dem Prinzip, nationale Ansprüche nicht um jeden Preis durchzusetzen, für einen Ausgleich der Spannungen, welche durch Rivalitäten in anderen Erdteilen nach Samoa "importiert" worden waren. Beispielsweise schlug Solf bei der Abwesenheit des Oberrichters einen Briten als Stellvertreter vor, obwohl er als ausgebildeter Jurist durchaus selber das Amt an sich nehmen und somit Verwaltung und Judikative in deutsche Hand hätte bringen können.

Ein weiterer Beweis für Solfs Deeskalationspolitik ist eine Episode, welche sich im Winter 1899 zutrug: Kapitän Emsmann, der Kommandant der S.M.S. Cormoran, beschuldigte einen Amerikaner des Waffenschmuggels sowie die britischen Beamten der Mitwisserschaft. Solf hinterfragte diese Beschuldigungen jedoch und zog bei seinen britischen Kontakten Informationen ein. Als Emsmann sich sogar mit einer Petition an den Kaiser wandte, in dem er einen großen Unterstützer fand, schrieb Solf direkt an Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst. Um die Internationalität und Koexistenz der Samoaner sowie der Kolonialmächte zu gewährleisten, scheute Solf also auch keine internen Auseinandersetzungen. Dieser Einstellung ist es zu verdanken, dass die Kaiserliche Marine, anders als zum Beispiel in Kiautschou, nicht in zivile Belange eingreifen und Samoa ohne Schutztruppe und Marinehafen bleiben konnte.

Zur selben Zeit konnte Solf einen weiteren Erfolg verbuchen: Der Streit um Besitzansprüche wurde im so genannten Samoa-Vertrag vom 14. November 1899 endgültig geklärt. Großbritannien zog sich auf Grund des im Oktober 1899 ausgebrochenen Burenkriegs aus Samoa zurück, sodass Ost-Samoa (Tutuila, Manué-Inseln, Swains Island, Rose-Atoll) amerikanischer Besitz wurde (und bis heute ist), während West-Samoa (Upolu mit der Hauptstadt Apia und Savai'i) an das Deutsche Reich fiel. Am 1. März 1900 wurde als Zeichen der Inbesitznahme die Reichsflagge in Apia gehisst.

Wilhelm Solf, nun Gouverneur der Kolonie Deutsch-Samoa, sah sich jetzt vor die Aufgabe gestellt, die inneren Verhältnisse Samoas neu zu ordnen. Einerseits musste er seine nun ausschließlich deutsche Kolonialregierung bei den Eingeborenen populär machen, zum anderen die im Samoa-Vertrag beschlossene Abschaffung des Amtes des Oberhäuptlings (samoanisch: Tupu) durchsetzen, die in den vergangenen 20 Jahren immer wieder für Streit gesorgt hatte. Solf, der sich in kurzer Zeit das Samoanische angeeignet hatte, verhandelte persönlich mit den Häuptlingen, die er letztlich auch für sich gewinnen konnte. Da eine schlichte Abschaffung des Tupu mit den samoanischen Traditionen jedoch unvereinbar war, fand Solf einen Kompromiss: Mataafa, der frühere Anwärter auf den Titel des Tupu, erhielt den Titel eines "Höchsten Häuptlings" (samoanisch: Alii Sili), welcher als Mittler zwischen Gouverneur und Bevölkerung dienen sollte. Außerdem gliederte Solf die beiden Inseln in elf Distrikte, denen je ein Häuptling sowie ein Richter vorstand. Die Häuptlinge bildeten außerdem einen Rat (samoanisch: Faipule), der den Alii Sili unterstützen sollte. Auf einer traditionellen Versammlung (samoanisch: Fono) wurden Mataafa sowie die Distrikthäuptlinge als deutsche Beamte vereidigt.

Die Samoaner waren also Teil des deutschen kolonialen Verwaltungsapparates, regelten jedoch interne Angelegenheiten vollkommen eigenständig. Auch die im Jahr 1901 zum ersten Mal erhobene Kopfsteuer (für die Samoaner eine ungekannte Neuerung) wurde vollständig für die Belange der Eingeborenen verwendet und auch von diesen verwaltet. In einem Brief formuliert Solf den Kern seiner Politik: "Alle Radikalmittel sind von Übel, Zeit und Güte und Gerechtigkeit sind die besten Regierungsmittel in Samoa." (Brief an Ernst Schmidt-Dargitz, 25.11.1901).

Trotz der allgemein sehr friedlichen und freiheitlichen Kolonialherrschaft kam es bisweilen zu Auseinandersetzungen der Samoaner mit den Deutschen. Solf war darum auch darauf bedacht, die traditionellen politischen Strukturen Samoas zu beseitigen, welche nach innen und außen, also gegenüber der Kolonialmacht, zu Konflikten führte. Auf diese Weise konnte er den selbstgestellten Anspruch einer "sanften" Kolonialpolitik umsetzen und zugleich für Frieden in der Kolonie sorgen, ohne zu Druckmitteln greifen zu müssen.

Als Solf 1908 nach einem längeren Heimaturlaub wieder nach Samoa zurückkehrte, befand sich die Insel in Unruhe. Lauati, der ranghöchste Häuptling von Savai'i, rief die Distrikthäuptlinge zum Marsch auf Apia. Da die Kolonialverwaltung über keine Schutztruppe verfügte, Solf aber sowieso auf eine friedliche Lösung setzte, reiste er umgehend nach Savai'i, um mit Lauati einen Disput in Samoanisch zu führen, welcher jedoch ohne Lösung endete. Es stellte sich heraus, dass Lauati in der Tat eine große Anzahl an Kämpfern um sich scharte, welche gegen die ausländischen Siedler vorgehen konnten. Jedoch war dies nur ein Vorwand für die Einberufung eines Aufgebotes, welches nicht gegen die Kolonialmacht, sondern gegen samoanische Konkurrenten eingesetzt werden sollte. Da aber auch solch ein Konflikt der wirtschaftlichen und politischen Lage Samoas abträglich gewesen wäre, versuchte Solf durch eine Reihe von Verhandlungen Lauati von seinen Plänen abzubringen.

Es zeigt sich, dass der innere Friede Samoas immer von den internen Zuständen der Eingeborenen abhing. Wilhelm Solf erkannte, dass das traditionelle Herrschaftssystem in seiner Struktur auf Konkurrenz ausgelegt war, und unternahm jeden Versuch, dieses zu Gunsten einer europäisch beeinflussten, mit samoanischen Elementen durchsetzten Selbstverwaltung abzuschaffen. Einerseits entschärfte dies die inneren Spannungen, andererseits gelang es der Kolonialverwaltung auf diese Weise, in sehr geringem Umfang in die samoanische Tagespolitik eingreifen zu müssen. Dieser friedlichen Regierungsführung war es auch zu verdanken, dass Samoa im Jahr 1904, also vier Jahre nach Gründung der Kolonie, ohne Zuschüsse aus dem Deutschen Reich existieren konnte. Dies gelang außer Togo keiner anderen Kolonie.

In der Erinnerung der Samoaner bleibt jedoch "z.T. bis heute" das Bild einer gerechten und friedlichen deutschen Kolonialherrschaft präsent, was vor allem an den negativen Ereignissen während der neuseeländischen Treuhandverwaltung liegt: Dies ist zum einen die Einschleppung der Spanischen Grippe durch ein neuseeländisches Schiff, welches die Quarantäne gebrochen hatte. Bis Anfang 1919 kostete die Seuche mehr als ein Viertel der samoanischen Bevölkerung das Leben. Zum anderen blieb der so genannte "Schwarze Samstag", der 28. Dezember 1929 in Erinnerung, als eine friedliche Demonstration der samoanischen Unabhängigkeitsbewegung von neuseeländischen Polizeikräften blutig niedergeschlagen wurde. In diesem Licht erscheint den Samoanern die Zeit der deutschen Herrschaft geradezu segensreich. Und auch wenn diese Zeit in der Erinnerung verklärt wird, lässt sich sagen, dass das Solfiche System der Selbstverwaltung, sowie der unbedingte Wille zur friedlichen Koexistenz von Eingeborenen und deutschen Siedlern im Kern erfolgreich und Anfang des 20. Jahrhunderts einmalig war.