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Ein unbequemer Augenzeuge: DDR-Korrespondent Lothar Loewe

Vor 40 Jahren, am 12. Dezember 1974, wird Lothar Loewe erster Korrespondent der ARD in Berlin (Ost). Wegen kritischer Fernsehberichte verweist ihn die DDR-Führung des Landes nach nur zwei Jahren Tätigkeit.

  • BRD (ab 1949)

Hintergrundinformationen

Im Dezember 1974 wird Lothar Loewe (1929 – 2010) als Ständiger Korrespondent der ARD in der DDR akkreditiert; vom 12. Dezember 1974 an ist er der erste Leiter des ARD-Studios in Berlin (Ost). Er zählt zu den Journalisten aus der Bundesrepublik Deutschland, die sich nach Abschluss des Grundlagenvertrags am 21. Dezember 1972, zu dem auch ein Briefwechsel über die Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten gehört, in der DDR dauerhaft akkreditieren ließen. Die Aussicht auf verbesserte Arbeitsbedingungen bringt die Fernsehanstalten ARD und ZDF, mehrere Rundfunksender sowie Zeitungen und Agenturen dazu, Mitarbeiter nach Berlin (Ost) zu entsenden. Allein bis April 1973 gibt es 25 Anträge. Allerdings ist der Andrang nicht ganz so groß, wie es die DDR-Führung erwartet hatte.

Mit der Zulassung der Fernsehberichterstattung von Korrespondenten, die in der DDR arbeiten, geht die DDR ein erhebliches Risiko ein, zumal das Verbot, Westfernsehen zu schauen, schon 1972 von Honecker aufgehoben wurde. Abgesehen von einigen Regionen im Osten der DDR (dem „Tal der Ahnungslosen“) können die Bewohner der DDR nun angeblich ungestraft sehen, was Korrespondenten bundesdeutscher Medien aus der DDR berichten, nicht mehr nur von außen über die DDR.

Loewe ist ein erfahrener Korrespondent, der für die ARD bisher auf prestigeträchtigen Posten gearbeitet hatte, unter anderem in Washington und Moskau, wo er allerdings aus nicht ganz geklärten Gründen seine Koffer packen musste. Angeblich hatte er ein Gespräch zwischen den Außenministern Walter Scheel und Andrej Gromyko zu belauschen versucht. Mit Loewe und seinen Kollegen beginnt die vor Ort recherchierte Berichterstattung über die DDR in der Bundesrepublik Deutschland. Zwei Ziele stehen dabei nebeneinander: Den westdeutschen Fernsehzuschauern zeigen, wie die Deutschen im anderen Teil Deutschlands leben, und den DDR-Bürgern eine Alternative zur staatlich gelenkten Berichterstattung zugänglich zu machen, mit weitreichenden Konsequenzen: Durch Loewes Berichterstattung wird im Sommer 1976 die Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz in Zeitz aus Protest gegen die Schul- und Jugendpolitik der SED überhaupt erst in der DDR bekannt. Spätestens von diesem Zeitpunkt ist Loewe für die Führung in Berlin (Ost) persona non grata. Vor einer Ausweisung schreckt man aber offenbar noch zurück. Die Verantwortung dafür will die DDR-Führung lieber anderen in die Schuhe schieben. Bemühungen, die ARD dazu zu bewegen, Loewe unauffällig aus Berlin (Ost) abzuziehen, bleiben aber erfolglos, ebenso Versuche, dies auf politischem Wege zu erreichen. Loewes Berichterstattung über die Ausbürgerung Biermanns und den Hausarrest Havemanns im Herbst 1976 tragen nicht zu einer Entspannung der Lage bei.

Mit der Zurückhaltung der DDR-Führung ist es vorbei, als Loewe am 21. Dezember 1976 in einem Kommentar den Satz sagt: "Hier in der DDR weiß jedes Kind, dass die Grenztruppen den strikten Befehl haben, auf Menschen wie auf Hasen zu schießen." Am nächsten Tag wird ihm mitgeteilt, dass ihm die Akkreditierung entzogen sei und er innerhalb von 48 Stunden die DDR zu verlassen habe. Pflichtschuldige Bemühungen der Bundesregierung, die DDR zur Rücknahme zu bewegen, bleiben ergebnislos. Am 24. Dezember 1976 verlässt Loewe die DDR. Ebenso wie das Jahr 1975, als der Spiegel-Korrespondent Jörg Mettke wegen der Berichte des Nachrichtenmagazins über Zwangsadoptionen in der DDR ausgewiesen wurde, endet auch das Jahr 1976 mit einem journalistischen Zwischenfall, der die Beziehungen zwischen Bonn und Berlin (Ost) vorübergehend erheblich belastete. Weitere sollten fast im Jahrestakt folgen: Anfang 1978 wird das Büro des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" in Berlin (Ost) geschlossen, im Frühjahr 1979 ZDF-Korrespondent Peter van Loyen ausgewiesen.

Die Galerie führt erstmals z.T. bislang unveröffentlichte Dokumente verschiedener Bestände des Bundesarchivs aus den Abteilungen Bundesrepublik Deutschland und Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) zusammen.

Prof. Dr. Hans Heinrich Jansen, Anke Straßenburg