
Depeche Mode, 7. März 1988, Berlin, Quelle: BArch, Bild 183-1988-0308-019 / Senft, Gabriele
Rock- und Popstars im Bestand Bild 183 – Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst-Zentralbild
Die nachfolgende Galerie präsentiert die Konzerthighlights der späten 1980er Jahre in der DDR
Im Bestand „Bild 183 Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild“ (ADN) sind ca. 5,1 Millionen Fotos aus der Bildabteilung der ehemaligen staatlichen Nachrichtenagentur der DDR überliefert. Inhaltlich gesehen spiegelt dieser Bildbestand das politische und gesellschaftliche Geschehen dieser Zeit aus der offiziellen Sichtweise wider.
Neben den typischen Aufnahmen von LPG, Brigaden und VEB enthält der Bestand auch unerwartete Motive. Der Klassifikationspunkt „K V v2“ (aufgeschlüsselt: K = Kunst, V = Musik, v2 = ausländische Solisten u. Ensembles im Gastland) beinhaltet zahlreiche Konzertaufnahmen zeitgenössischer Rock- und Popstars. Bemerkenswert daran ist, dass diese Konzerte von Musikern und Bands aus dem sogenannten „kapitalistischen Ausland“ erst ab 1987 in der DDR stattfanden. In den Jahren davor traten zumeist, neben den Künstlern aus der DDR selbst, Ensembles aus kommunistischen Brüderländern auf.
Zwar wurden vor 1987 vereinzelt auch mal westliche Bands zu Konzerten in die DDR eingeladen – allerdings nur dann, wenn durch vorausgegangene Prüfung des Repertoires durch die Behörden sichergestellt werden konnte, dass diese Künstler entweder „harmlos“ in Bezug auf mögliche politische Äußerungen waren oder ihrem Heimatland kritisch gegenüberstanden. Davon versprachen sich die Genossen einen Propagandaerfolg.
Die Einladung populärer Musiker in den späten 1980er Jahren markierte eine Öffnung nach Westen vonseiten der DDR-Obrigkeit. Dies geschah nicht freiwillig. Um den Einfluss auf die Jugend gewährleisten zu können, war die FDJ gezwungen, auf die Lebenswirklichkeit und die Wünsche der Heranwachsenden zu reagieren.
Unter der Jugend herrschte zu dieser Zeit eine große Verdrossenheit gegenüber dem staatlich reglementierten DDR-Rock. Die Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst stellte 1986 fest, „dass die Wirksamkeit unserer Rockmusik gegenüber dem eigentlichen Zielpublikum empfindlich, erschreckend – ja vielleicht sogar katastrophal nachgelassen hat.“[1]
Wie stark das Verlangen der Jugend nach westlicher Rockmusik war, zeigte sich an Pfingsten 1987, zum Zeitpunkt der Feierlichkeiten zu „750 Jahre Berlin“. Zu diesem Anlass traten nahe des Reichstages in West-Berlin David Bowie, Eurythmics und Genesis auf. Diese grenznahe Lage ermöglichte es „mehr als 6000“[2] Ost-Berliner Jugendlichen, diese Konzerte auch jenseits der Mauer zu hören.
Angesichts dieser Menschenmenge, die sich am Brandenburger Tor versammelte, befürchteten Polizei und Stasi einen Aufruhr und lösten das Geschehen auf. Es kam zu zahlreichen Festnahmen von Menschen, die nur zusammengekommen waren, um friedlich Musik zu hören. Das Ergebnis dieser Verhaftungsaktion war, dass die restlichen Jugendlichen noch vor Ort gegen die DDR protestierten und der Vorfall in den westlichen Medien zu einer Art „Volksaufstand à la 17. Juni 1953“[3] aufgebauscht wurde.
Um eine Wiederholung dieses Eklats zu vermeiden, reagierte die FDJ mit einer großzügigeren Veranstaltungspolitik, durch die endlich die heißbegehrten Pop- und Rockstarts in der DDR auftreten konnten.
Von diesen Konzerten versprach sich der FDJ-Zentralrat die allgegenwärtige „jugendliche Rockbegeisterung in prosozialistische Haltung zu kanalisieren“[4]. Die Bands traten nämlich nicht „einfach so“, sondern im Rahmen von FDJ-Veranstaltungen, wie z. B. „Rock für den Frieden“, „FDJ-Rocksommer“ und „Festival des politischen Liedes“ auf. Spielten bei diesen Festivals 1985 noch relativ unbekannte Musiker aus Italien oder Kuba, so tauchten ab 1987 klanghafte Namen wie Bruce Springsteen, Bob Dylan oder Joe Cocker auf den Transparenten der Veranstaltungen auf.
Als Fazit zogen die Genossen 1988, dass sich „Rockkonzerte mit Zehntausenden Zuschauern [...] als wirksame Form der massenpolitischen Arbeit der FDJ unter der Jugend bewährt“[5] haben.
Allerdings klafften hier Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Der „frenetische Beifall [der Zuschauer, d. Verf.], der allein den westlichen Stars galt, wurde zum Applaus für die FDJ verklärt. Ohne Zögern warf man viele Jahre heilige Grundsätze über Bord. Mit den monumentalen Open-Airs führte der Zentralrat genau jene ‚imperialistische Kultur’ vor“[6], die man Jahre zuvor noch verunglimpft hatte.
Sabrina Bader
[1] BArch, DR 10½, zit in: Michael Rauhut (Hg.), Rock in der DDR, Bonn: BpB, 2002, S. 98
[2] Michael Rauhut (Hg.), Rock in der DDR, Bonn: BpB, 2002, S. 105
[3] ebenda, S. 105
[4] ebenda, S. 106
[5] ebenda, S. 106
[6] ebenda, S. 106