Der TV-Journalist und Musiker Reinhold Beckmann war im Bundesarchiv zu Gast und hat sein Buch "Aenne und ihre Brüder" vorgestellt. "Viele im Bundesarchiv haben geackert für diese Recherche", sagte Beckmann mit Blick auf die umfangreichen Arbeiten, die sich auf die Spur der vier im Zweiten Weltkrieg gefallenen Brüder seiner Mutter Aenne begeben hatten: Franz, Hans, Alfons und Willi.
Rund 150 Besucherinnen und Besucher verfolgten am Standort Berlin-Lichterfelde die Lesung, zu der auch Musik gehörte. Bundesarchiv-Vizepräsidentin Andrea Hänger betonte die gesellschaftliche Relevanz von Archiven. "Das Papier hat es in sich, es kann Erinnerung lebendig machen und lebendig halten. Dies gilt für die Gesellschaft als Ganzes ebenso wie für die Geschichte von Individuen, von Familien". Das Beckmann-Buch sei ein großartiges Beispiel für eine individuelle Recherche zur eigenen Familie: "Aus vielen Puzzleteilen unterschiedlicher Überlieferungen, aus Personenkarten, Erkennungsmarken-Listen, Veränderungsmeldungen, Wehrstammbüchern aus dem Bundesarchiv haben Sie eine Geschichte gemacht", sagte Hänger, die auf das Recht eines und einer jeden hinwies, im Bundesarchiv zu recherchieren. Viele Gäste nahmen am Rande der Lesung das Angebot zu Beratungen für die Antragstellung zur Suche von Personen im Ersten und Zweiten Weltkrieg wahr.
Ausgehend von entdeckten Feldpostbriefen und Erzählungen seiner Mutter hatte Reinhold Beckmann intensiv in Archiven geforscht, darunter im Bundesarchiv. In der Abteilung Deutsches Reich fanden sich unter anderem Unterlagen zu Einsatzorten der vier Brüder in Russland sowie Informationen zu letzten Ruhestätten. Von einem der Onkel, der nahe Stalingrad (heute Wolgograd) getötet worden war, fand das Bundesarchiv eine Wehrmachts-Erkennungsmarke – sie wurde in Hamburg persönlich an Reinhold Beckmann überreicht.
Das Leben der Mutter Aenne war früh von Verlusten gezeichnet. Ihre eigene Mutter starb, als sie noch ein Baby war. Anders als viele ihrer Generation hat Aenne über diese Zeit nie geschwiegen. Ihre Brüder und Eltern blieben immer gegenwärtig, in Gesprächen, Fotos und Erinnerungen. Ihre Geschichte handelt von hartem Alltag auf dem Dorf Wellingholzhausen nahe Osnabrück, katholischer Tradition und beginnender Diktatur. Und davon, was der Krieg mit Menschen macht, wenn keiner zurückkehrt.
"Vier Jungs vom Land, die zunächst nichts mit den Nazis am Hut hatten", sagte Beckmann. Später waren sie alle im Krieg: "Wenn dieses Elend hier erst vorbei wäre", schrieb Aennes Bruder Franz 1941 in einem Brief wenige Tage vor der Blockade Leningrads. Vor allem die lange Ungewissheit über den Verbleib von Bruder Alfons "hat uns fertig gemacht", wie die Mutter ihm berichtete. 61 Jahre lang blieb er vermisst, bis der Leichnam entdeckt wurde.