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Band der Verfahrensakte

Band der Verfahrensakte, Quelle: BArch, B 237/106219

Rechtsgeschichte in sechs Bänden – „Lüth-Urteil“ vollständig einsehbar

Eines der wichtigsten Urteile der deutschen Nachkriegsgeschichte kann jetzt im Bundesarchiv Koblenz vollständig eingesehen werden. Mit dem „Lüth-Urteil“ schrieb das Bundesverfassungsgericht vor 60 Jahren Rechtsgeschichte.

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Die Ausgangslage

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ heißt es in Art. 5 Abs. 1 GG. In den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland verstand man die Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit, ausschließlich als Schutz vor Eingriffen der Staatsgewalt in die individuelle Freiheitssphäre.

Das Grundgesetz
Das GrundgesetzQuelle: Bundesregierung, B 145 Bild-00009397 / Steiner, Egon

Der Fall

Frau Maria Marian mit Veit Harlan in einer Verhandlungspause
Maria Marian mit Veit Harlan in einer VerhandlungspauseQuelle: BArch, Bild 183-2007-1022-508/ o. Ang.

Der Leiter der Staatlichen Pressestelle in Hamburg, Erich Lüth, rief im September 1950 zum Boykott des Films „Unsterbliche Geliebte“ auf und bezeichnete dessen Regisseur Veit Harlan (rechts im Bild) als „Nazifilm-Regisseur Nr. 1“. Harlan hatte im „Dritten Reich“ unter anderem den antisemitischen Film „Jud Süß“ gedreht.

Die Produktionsfirma des Films verklagte Lüth daraufhin erfolgreich auf Unterlassung. Lüth legte gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde ein. Seine Meinungsfreiheit sei verletzt worden.

Das Urteil

Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde (1 BvR 400/51) statt. Das Grundgesetz verfüge mit den Grundrechten über „eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts“ gelte – also auch für das Privatrecht. Die Wirkung der Grundrechte strahle somit auf gesellschaftliche Beziehungen aus und bliebe nicht auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat beschränkt.

Lüth-Urteil
Lüth-UrteilQuelle: BArch, B 237/106219

Die Folgen

Bundesverfassunggericht bei einer Urteilsverkündung
Bundesverfassungsgericht bei einer UrteilsverkündungQuelle: Bundesregierung, B 145 Bild-00046470 / Reineke, Engelbert

Das „Lüth-Urteil“ erklärte somit die Ausstrahlungswirkung der Meinungsfreiheit auf das Privatrecht. Eine deutliche Aufwertung der Grundrechte war die Folge. Aber auch das Bundesverfassungsgericht ging gestärkt aus diesem Verfahren hervor, da es seitdem nicht nur bei Grundrechtsverletzung durch den Staat einschreitet. Insbesondere bei so genannten „Grundrechtskollisionen“ nimmt es seither regelmäßig eine Abwägung vor. Das Bild zeigt die acht Bundesverfassungsrichter, darunter den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Gebhard Müller (4. v. l. ), bei einer Urteilsverkündung am 20. Dezember 1966.

Im Bundesarchiv Koblenz

Zwei Bände Verfahrensakten, zwei Beihefte sowie die Handakten der Bundesverfassungsrichter Theodor Ritterspach (Berichterstatter) und Karl Heck ermöglichen dem Benutzer einen tiefen Einblick in den Verfahrensverlauf und die richterliche Urteilsfindung.

Akten zum Lüth-Urteil
Akten zum Lüth-UrteilQuelle: Bundesarchiv