Als Ende 1991 der Deutsche Bundestag das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) verabschiedete, startete er damit ein weltweit erstmaliges Modell. Ein Geheimpolizei-Archiv wurde in Gänze mit dem Ziel geöffnet, die Auseinandersetzung mit vergangenem Unrecht konkret und umfassend auf rechtsstaatlicher Basis zu ermöglichen. Die Ziele dabei: Aufklärung über das eigene Schicksal, Benennung von Verantwortung für Unrecht, Transparenz in der Demokratie, Auseinandersetzung mit Mechanismen von Repression und staatlicher Geheimniskrämerei.
Für dieses ehrgeizige Vorhaben lieferte das StUG das Regelwerk. Dabei gelang es, zwei schwer vereinbare Prinzipien zu balancieren: Die Transparenz staatlichen Handelns und der Schutz der Persönlichkeitsrechte derer, die Gegenstand der Stasi-Aktivitäten waren. Eine Reise durch die Geschichte eines deutschen Gesetzes.
Erste Akteneinsicht
Nachdem das Stasi-Unterlagen-Gesetz am 29. Dezember 1991 in Kraft getreten war, nahm die die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen im neuen Jahr ihre Arbeit auf. Bereits am 2. Januar 1992 konnten die ersten Bürger, Wissenschaftler und Medien Akten der ehemaligen Staatssicherheit einsehen. In der Öffentlichkeit gab es eine große Resonanz. Zur historischen ersten Akteneinsicht waren in Berlin auch einige prominente Kritiker des SED-Regimes eingeladen, die Unterlagen einzusehen, die das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... über sie angelegt hatte.
Weitere Meilensteine des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
Seit der dritten Novellierung 1996 können Medien- und Forschungsanträge auch zur "politischen und historischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit" gestellt werden. Die Stasi hatte in der Zeit ihres Wirkens ein umfangreiches NS-Archiv angelegt.
Mit der fünften Novellierung des StUG 2002 wurden die Rechte zum Schutz der Persönlichkeit Einzelner, auch von Personen des öffentlichen Lebens, gestärkt. Hintergrund für dieser Entwicklung waren die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des ersten Kohl-Urteils vom 8. März 2002. Der ehemalige Bundeskanzler hatte durch Klage u.a. eine Herausgabe von Telefon-Abhörprotokollen aus seiner Amtszeit verhindert.
Eine Erleichterung des Zugang von Wissenschaftlern und Journalisten zu den Stasi-Akten brachte die siebente Novellierung des StUG im Jahr 2006 mit sich.
Die achte und derzeit letzte Novellierung des StUG trat im Dezember 2011 in Kraft. Die Zugangsrechte naher Angehöriger zu Akten vermisster oder verstorbener Familienmitglieder wurden gestärkt. Das Gesetz sieht seither ein Beschäftigungsverbot für ehemalige Mitarbeiter des MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... beim BStU vor.
Stasi-Unterlagen-Archiv in Zukunft
Mit seinem Beschluss zur Fortführung der Aufarbeitung der SED-Diktatur im Juni 2016 hat der Deutsche Bundestag die weitere Nutzung der Stasi-Akten festgeschrieben. Dafür gelten die Maßgaben: "... Erhalt des Stasi-Unterlagen-Gesetzes mit spezialgesetzlichen Regelungen sowie keine Verschlechterung bei Aktenzugang und Akteneinsicht." Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen wurde beauftragt, gemeinsam mit dem Bundesarchiv ein Konzept zur Überführung des Stasi-Unterlagen-Archivs unter das Dach des Bundesarchivs zu erarbeiten. Ein Kriterium dafür ist die "Sichtbarkeit der Eigenständigkeit des Stasiunterlagenarchivs mit internationaler Vorbildwirkung". In der nächsten Legislaturperiode soll sich der Bundestag mit dem Konzept befassen.
Im Vorfeld hatte eine vom Parlament eingesetzte Expertenkommission Vorschläge zur Zukunft der Behörde des BStU entwickelt. In einem öffentlichen Fachgespräch des Kulturausschusses am 27. April 2016 brachten u.a. Opferverbände und Bürgerrechtler Bedenken gegen die Vorschläge im vor.
Für das Stasi-Unterlagen-Archiv ist die Bestandserhaltung durch Digitalisierung ein wichtiger Teil der Fortentwicklung. Um die Erkenntnisse und Lehren dieses Archivs auch für nächste Generationen zugänglich zu machen, werden schon jetzt Akten von allgemeinem öffentlichen Interesse digital und in Dokumentensammlungen zugänglich gemacht.